Mein
liebes Mädel ! 3.3.43
Zuerst
möchte ich Dir Deine lieben Briefe vom 31.1., 20. bis 24.2. bestätigen. Die
ersten vier bekam ich gestern und der letzte traf heute ein. Für alle danke ich
Dir sehr. Die laufende Post geht nun wieder ziemlich regelmäßig, die letzte
Post kommt so nach und nach heran. Ich will noch vorwegnehmen, daß ich gestern
zwei Päckchen an Dich abgesandt habe. Eines enthält Bücher und das andere eine
Flasche deutschen Sekt. Die Nummern lauten 29 und 30. Jetzt habe ich für noch
ein Päckchen Bücher hier, das mache ich fertig, sobald ich mir die Sachen
angesehen bzw. gelesen habe. In Deinem letzten Brief behandelst Du gerade die
Frage, die ich in meinem gestrigen Brief nochmals angeschnitten und die ich
heute erledigt habe. Deine Worte sind
vollkommen richtig, und ich verstehe Dich auch. Bemerken will ich aber, daß
sich solche Sachen besser mündlich regeln lassen, weil sie sehr heikle Probleme
sind, die man am besten in Rede und Gegenrede behandelt. Ich will aber nochmals
versuchen, Die die Dinge in der Form klar und verständlich zu machen, wie ich
sie sehe und wie ich glaube, sie innerlich vor mir und dann vor Dir und den
anderen vertreten zu können. Seit Jahren bestehen verschiedene Führererlasse,
die Dir im Groben gesehen bekannt sein werden. Diese Erlasse wurden im
vergangenen Jahre einer Verfügung ausgearbeitet. Darin heißt es unter anderem,
daß letzte Söhne usw. auf Antrag des Disziplinarvorgesetzten von der kämpfenden
Truppe zurückzustellen sind. Wenn solche Fälle in Erscheinung treten und ein
Angehöriger aus der kämpfenden Truppe will sich trotzdem nicht zurückversetzen
lassen, dann muß von ihm eine Erklärung aufgenommen werden, daß er keinen
Gebrauch von diesem Erlass machen will. Diese Erklärung gilt dann für die Dauer
dieses Krieges. Umgekehrt ist es, wenn dieser Fall eintritt, daß dann der
Betreffende in seiner Wehrstammrolle keinen Eintrag erhält, daß er einziger
Sohn ist. Du siehst daran, daß man diesen Dingen von höherer Stelle schon
einige Bedeutung beimisst. Du weißt, daß ich den Dingen bisher ihren Lauf gehen
ließ. Ich habe, wenn man hier so sagen muß, das Schicksal in keiner Weise zu
beeinflussen versucht. Ich habe mir die Dinge bis gestern reiflich überlegt und
bin zu dem Schluß gekommen, daß ich Euch und der Familie gegenüber die
Verpflichtung habe, diesen Schritt zu tun. Es ist nicht gesagt, daß einem durch
die Versetzung zu einer anderen Einheit gleich etwas zustoßen muß. Es kann
sein, daß einem hier, gerade wie jetzt die Dinge liegen, unter Umständen noch
eher etwas zustoßen kann. Ich will mir aber dann sagen können, ich habe das,
was ich im Interesse der Familie tun mußte, getan. Geht es dann anders, dann
kann ich es nicht ändern. Wenn ich von den anderen Männern geschrieben habe,
die sich aus allem heraushalten, so habe ich es das bewußt getan, um Dir zu
zeigen, was zum Teil für Elemente hier bei einem solchen Stab herumlaufen. Ich
nehme sie mir bestimmt nicht als
Vorbild, aber bei einer solcher Entscheidungsfrage muß man sich alle Dinge vor
Augen halten und kann diese Dinge nicht unbesprochen lassen. Es ist ein äußerst
schwieriges Problem und gerade für Menschen, wie wir sie sind, ist eine solche
Angelegenheit nicht leicht zu lösen. Ich will kein Geschäft mit dem Tode meines
Bruders machen, und ich will sie als das erkennen, was sie sind und dabei immer
wieder die Tatsachen als Tatsachen betrachten.
Ich komme dabei immer wieder zu dem Schluß. Ich bin nun fast seit Anfang im Einsatz. Dieser Einsatz war zum
Teil nicht ungefährlich. Manchmal schwerer, als ich es Dir schreiben konnte.
Vielfach hat man die Dinge auch nicht so geachtet. Ich will mich auf diesen
erworbenen Lorbeeren nicht ausruhen, aber immerhin kann ich mit einer gewissen
Berechtigung sagen, daß andere erst das hinter sich bringen sollen, ganz
abgesehen davon, und das ist immer wieder das Entscheidende, die Verpflichtung
Euch gegenüber. Ich denke, daß Dir jetzt mein Schritt etwas verständlicher
geworden ist, wenn noch Unklarheiten bestehen, dann will ich sie Dir gern
beseitigen, soweit das notwendig sein sollte.
Die Schlammperiode hatte ja schon ihren Anfang genommen, als wir unsere
letzte Umsiedlung vornahmen. Wir sind ja die meiste Zeit von einer Seite auf
die andere geschlittert. Das ist ein wenig angenehmes Gefühl, aber man gewöhnt
sich nach einiger Zeit daran. Ich habe Dir ja geschrieben, wie oft wir unseren
Wagen herausgeschoben haben. Diejenigen, die die russischen Straßen
verhältnismäßig kennen und die das schon erlebt haben, die nehmen das mit der
erforderlichen Ruhe hin und machen sich mit der gleichen Ruhe daran, den Wagen
wieder flott zubringen. Andere wieder mit weniger Erfahrungen, die fangen an zu
schimpfen und zu fluchen. Das hilft ihnen aber wenig dabei .
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