Dienstag, 13. März 2018

Brief 388 vom 03.03.1943


Mein liebes Mädel !                                                                          3.3.43       

Zuerst möchte ich Dir Deine lieben Briefe vom 31.1., 20. bis 24.2. bestätigen. Die ersten vier bekam ich gestern und der letzte traf heute ein. Für alle danke ich Dir sehr. Die laufende Post geht nun wieder ziemlich regelmäßig, die letzte Post kommt so nach und nach heran. Ich will noch vorwegnehmen, daß ich gestern zwei Päckchen an Dich abgesandt habe. Eines enthält Bücher und das andere eine Flasche deutschen Sekt. Die Nummern lauten 29 und 30. Jetzt habe ich für noch ein Päckchen Bücher hier, das mache ich fertig, sobald ich mir die Sachen angesehen bzw. gelesen habe. In Deinem letzten Brief behandelst Du gerade die Frage, die ich in meinem gestrigen Brief nochmals angeschnitten und die ich heute erledigt habe.  Deine Worte sind vollkommen richtig, und ich verstehe Dich auch. Bemerken will ich aber, daß sich solche Sachen besser mündlich regeln lassen, weil sie sehr heikle Probleme sind, die man am besten in Rede und Gegenrede behandelt. Ich will aber nochmals versuchen, Die die Dinge in der Form klar und verständlich zu machen, wie ich sie sehe und wie ich glaube, sie innerlich vor mir und dann vor Dir und den anderen vertreten zu können. Seit Jahren bestehen verschiedene Führererlasse, die Dir im Groben gesehen bekannt sein werden. Diese Erlasse wurden im vergangenen Jahre einer Verfügung ausgearbeitet. Darin heißt es unter anderem, daß letzte Söhne usw. auf Antrag des Disziplinarvorgesetzten von der kämpfenden Truppe zurückzustellen sind. Wenn solche Fälle in Erscheinung treten und ein Angehöriger aus der kämpfenden Truppe will sich trotzdem nicht zurückversetzen lassen, dann muß von ihm eine Erklärung aufgenommen werden, daß er keinen Gebrauch von diesem Erlass machen will. Diese Erklärung gilt dann für die Dauer dieses Krieges. Umgekehrt ist es, wenn dieser Fall eintritt, daß dann der Betreffende in seiner Wehrstammrolle keinen Eintrag erhält, daß er einziger Sohn ist. Du siehst daran, daß man diesen Dingen von höherer Stelle schon einige Bedeutung beimisst. Du weißt, daß ich den Dingen bisher ihren Lauf gehen ließ. Ich habe, wenn man hier so sagen muß, das Schicksal in keiner Weise zu beeinflussen versucht. Ich habe mir die Dinge bis gestern reiflich überlegt und bin zu dem Schluß gekommen, daß ich Euch und der Familie gegenüber die Verpflichtung habe, diesen Schritt zu tun. Es ist nicht gesagt, daß einem durch die Versetzung zu einer anderen Einheit gleich etwas zustoßen muß. Es kann sein, daß einem hier, gerade wie jetzt die Dinge liegen, unter Umständen noch eher etwas zustoßen kann. Ich will mir aber dann sagen können, ich habe das, was ich im Interesse der Familie tun mußte, getan. Geht es dann anders, dann kann ich es nicht ändern. Wenn ich von den anderen Männern geschrieben habe, die sich aus allem heraushalten, so habe ich es das bewußt getan, um Dir zu zeigen, was zum Teil für Elemente hier bei einem solchen Stab herumlaufen. Ich nehme sie  mir bestimmt nicht als Vorbild, aber bei einer solcher Entscheidungsfrage muß man sich alle Dinge vor Augen halten und kann diese Dinge nicht unbesprochen lassen. Es ist ein äußerst schwieriges Problem und gerade für Menschen, wie wir sie sind, ist eine solche Angelegenheit nicht leicht zu lösen. Ich will kein Geschäft mit dem Tode meines Bruders machen, und ich will sie als das erkennen, was sie sind und dabei immer wieder die Tatsachen als Tatsachen betrachten.  Ich komme dabei immer wieder zu dem Schluß.  Ich bin nun fast seit Anfang im Einsatz. Dieser Einsatz war zum Teil nicht ungefährlich. Manchmal schwerer, als ich es Dir schreiben konnte. Vielfach hat man die Dinge auch nicht so geachtet. Ich will mich auf diesen erworbenen Lorbeeren nicht ausruhen, aber immerhin kann ich mit einer gewissen Berechtigung sagen, daß andere erst das hinter sich bringen sollen, ganz abgesehen davon, und das ist immer wieder das Entscheidende, die Verpflichtung Euch gegenüber. Ich denke, daß Dir jetzt mein Schritt etwas verständlicher geworden ist, wenn noch Unklarheiten bestehen, dann will ich sie Dir gern beseitigen, soweit das notwendig sein sollte.  Die Schlammperiode hatte ja schon ihren Anfang genommen, als wir unsere letzte Umsiedlung vornahmen. Wir sind ja die meiste Zeit von einer Seite auf die andere geschlittert. Das ist ein wenig angenehmes Gefühl, aber man gewöhnt sich nach einiger Zeit daran. Ich habe Dir ja geschrieben, wie oft wir unseren Wagen herausgeschoben haben. Diejenigen, die die russischen Straßen verhältnismäßig kennen und die das schon erlebt haben, die nehmen das mit der erforderlichen Ruhe hin und machen sich mit der gleichen Ruhe daran, den Wagen wieder flott zubringen. Andere wieder mit weniger Erfahrungen, die fangen an zu schimpfen und zu fluchen. Das hilft ihnen aber wenig dabei .

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