Freitag, 16. März 2018

Brief 392 vom 8.3.1943


Meine liebe kleine Frau !                                                                  8.3.43 
     
Gestern Vormittag habe ich an Deinen Vater und an Siegfried je einen Brief geschrieben. Die Durchschläge habe ich Dir wieder beigefügt. Damit habe ich meine Absicht, vor der Entscheidung über meine  weitere Verwendung alle notwendige Post zu erledigen, ausgeführt. Alle anderen Sachen kann ich liegen lassen. Dir am Nachmittag einen Brief zu schreiben, war mir nicht möglich, denn ich hatte mir schon seit Tagen einen Spaziergang  durch die Stadt vorgenommen, denn es kann ja leicht passieren, daß man über kurz oder lang abkommandiert wird. Dann kann man sich sowas nicht vornehmen. Das Wetter war ziemlich kalt und windig, ich kann aber feststellen, daß ich ziemlich ausgelüftet und durchgepustet zurückgekommen bin. Das hat wieder einmal richtig frisch gemacht. Für den Abend hatte ich eine Karte für die kleine Kunstbühne.  Damit fand der Nachmittag einen ganz netten und angenehmen Abschluss. Es wurde ein Programm gezeigt, das sehr abwechslungsreich gestaltet war und wirklich an die bisher gezeigten Vorführungen wenig erinnerte. Es war „Zirkusleben“ betitelt und war in seiner ganzen Aufmachung wie ein Zirkusprogramm aufgemacht. Als ich später nach hause kam, fand ich Deine beiden lieben Briefe vom 26. und 27.2. vor. Ich werde sie anschließend beantworten. Zuvor gebe ich Dir davon Kenntnis, daß die Entscheidung über meine weitere Verwendung gefallen ist. Ich soll hier im Süden verbleiben und zu irgendeiner Kommandantur kommen, während mein Chef und der eine Kollege nach dem Norden versetzt werden. Ich habe das so hingenommen, als ob die Leute unter sich bleiben wollten.  Ich habe hier ja mit am meisten arbeiten müssen, darum wird es wohl nichts schaden, wen ich einmal zu einer Einheit kommen würde, wo ich es einmal nicht so streng habe. Vor wenigen Minuten kam aber schon wieder die Nachricht, daß der Führer unserer Einheit hier nicht mit dieser Änderung einverstanden sei, er will sich dagegen wehren. Ich bin zwar der Ansicht, daß er an dieser Entscheidung nichts mehr ändern wird. Aber man kann daran ermessen, daß er mit unserer Arbeit zufrieden gewesen ist. Denn nur aus diesem Gesichtspunkt heraus stemmt er sich ja gegen die Änderung. Die endgültige Entscheidung muß man nun abwarten. Wenn sich die erstgenannte Richtung durchsetzt, dann ist es Ende der Woche hier zuende. Wenn ich genau weiß, was nun tatsächlich geschieht, dann gebe ich dir schnellstens Nachricht.  Ich freue mich, daß nun nach und nach alle Päckchen bei Dir einlaufen. Jede Bestätigung ist mir dann eine Beruhigung, denn um jedes angekommene Päckchen brauche ich mir nicht mehr sorgen.  Es wäre zu schade, wenn etwas verloren ging. Aber auch bei einem Verlust könnte man nicht viel machen. Jetzt hast du erst einmal allen Honig daheim. Bald wohl auch alles Öl bei Dir eintreffen. Für Dein Päckchen danke ich dir immerhin schon heute. Es ist doch sehr lieb von dir, wenn Du immer noch von dem Wenigen, was Ihr habt, etwas abgibst. Ich hatte Dir doch damals geschrieben, daß Du mit dem Geld anfangen kannst, was Du willst, welches ich Dir zu Weihnachten gesandt hatte. Warum soll ich dann denn einen Kauf nicht billigen, über den Du Dich gefreut hast. Du wirst ihn gut gebrauchen können. Genug bist Du ja herumgesprungen um den zu erstehen. Meinen herzlichen Glückwunsch zu dem neuen Einkaufserfolg. Ja, den Stempel habe ich gleich wieder erkannt, als ich ihn auf dem Briefumschlag sah. Er stammt noch aus der Druckerei der Maschinenbaugesellschaft in Leipzig. Mit der Zusendung der Zeitungen tritt doch einmal etwas kurz solange noch nicht bekannt ist, was mit mir wird. Ich denke zwar nicht, daß die Sperre schon in den nächsten Tagen aufgehoben wird.  Ja  die Sache mit unserem Jungen in der Schule habe ich mir hin un her überlegt und ich habe mich gefragt, was soll man mit ihm anfangen. Man darf nicht vergessen, daß er in den ersten Flegeljahren steckt. Ihm das nun übel anzurechnen, das ist wohl fehl am Platze. Gewiß, man muß ihn die Sache verständlich machen, soweit man sich davon überhaupt eine Wirkung verspricht. Ihn verbläuen darum hat nach meiner Ansicht wenig Zweck. Daß er ein Stromer zur Zeit ist, hängt wohl auch damit zusammen, daß eine Vaterlehand ab und zu über ihn wacht. Ich weiß, daß Du Dir Mühe mit ihm gibst und daß er Dir in dieser Hinsicht Sorge macht. Aber eines ist gewiß, daß unsere beiden Bengel nicht schlechte Kerle sind. Diese Flegelzeiten legen sich wieder, aber man muß ihn etwas in den Bahnen halten. Frech ist er schon, wenn er einfach seinen Namen von der Tafel wegwischt. Aber es ist typisch für einen Jungen; er will sich eben von den Mädchen nichts vorschreiben lassen. Wichtig ist, daß er sich wenigstens während des Unterrichts nichts vergibt und lernt. Das darf er auf keinen Fall versäumen.
Das halte ich für sehr wesentlich. Ich denke, daß man das andere lenken kann. Darum mache Dir nicht soviel Sorge in dieser Beziehung. Es wird sich sicher einrenken. Das war wieder von unserer Gesellschaft sehr lieb, als sie sich gleich um Dich gekümmert haben, als Du Dich nicht ganz frisch fühltest. Ich muß aber auch hierzu ein Wort für Dich sagen. Ich schätze daraus Deinen Willen, mitzuhelfen, wo Du kannst. eines darfst Du aber nicht vergessen, daß Du nicht über Deine Kräfte hinausgehen kannst.
Wenn Du Deine Gesundheit schädigst, dann ist der Schade ungemein größer, wenn Du durch Überanstrengung krank werden würdest. Ich bitte Dich darum, überschätze Deine Kräfte nicht. Das, was Du leisten kannst, billige ich ohne weiteres zu, nur darüber hinaus nicht.  In dem Brief an Deinen Vater habe ich mich ja schon geäußert, was ich denke wegen der Beschaffung eines Grabsteins. Die Sache war doch so, daß Vater erst überhaupt nicht daran wollte. Jetzt durch die Ereignisse scheint es ihm zu eilen.
Wenn dieser Kauf auf Schwierigkeiten stoßen und vor allem wenn man die lange Lieferzeit in Betracht zieht, dann warten wir am besten bis zum Kriegsende. So hat es wenig Wert. Wir werden auch so unsre Pflicht in dieser Beziehung tun.  Eines wundert mich an ihm, daß er jetzt auf einmal Paulas Rat braucht, obwohl er die ganzen Jahre hindurch darauf verzichten konnte. Aus welchem Grund er ihn jetzt wohl braucht ist mir nicht verständlich. Daß ich in dieser Beziehung etwas mitzureden habe, ist wohl sehr klar.
Jedenfalls komme ich in diesem Fall eher zu Wort. Ich bitte Dich, dies Vater gegenüber zu vertreten. Ich muß schon etwas Rücksicht auf uns nehmen.  Selbstverständlich, Paula darf sich an diesen Dingen beteiligen, das ist aber auch alles.  Ich hoffe, daß nun wieder Post bei Dir eingegangen ist. Den Brief vom 1.3. habe ich heute erhalten. Beantwortet habe ich ihn schon mit diesem Schreiben. Ich danke Dir noch für diesen Brief vielmals. Dich und die Kinder grüße ich vielmals und gebe Dir recht viele herzliche Küsse. Dein Ernst. 
8 Einschreibebriefe habe ich heute an Dich abgehen lassen. Hebe bitte die  Marken mit für mich auf.  Heute an Kurts Geburtstag kam mein letzter Brief, den ich an ihn gerichtet hatt, wieder zurück. Immer wieder erinnert man sich seiner und jedes mal kommt einem von neuem zu Bewußtsein, daß es nun doch zuende ist.

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