Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 276 vom 10.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                                  10.6.42         

Herzlich danke ich Dir für Deine beiden Briefe vom 27. und 28.5., den 4 Zeitungen von Dir. Dann bekam ich von Deinem Vater einen Brief, dem er Briefumschläge beigefügt hatte, von Nannie Zeitungen und Brief mit Briefumschlägen, von der Zahlmeisterei meiner früheren Dienststelle ein Antwortschreiben, Dr.Thomas antwortete mir auf meinen Brief und vom Pfarramt in Großrosenburg eine Antwort. Das ist doch genügend Post.
Ich konnte nicht einmal alles gleich lesen, weil die Post kurz vor Dienstschluß kam, dann war für uns die am Sonntag ausgefallene Kinovorstellung gestern Kino. Diese Vorstellung habe ich besuchen wollen, denn man sieht hier ja sonst nichts weiter. Die gezeigte Wochenschau hatte ich in meinem Urlaub zweimal in Konstanz gesehen. Dann zwei weitere Male im Westen. Da kannst Du Dir vorstellen, wie weit wir hinter dem Monde hier sind.
Als Spielfilm wurde „Das weiße Rößl“ gespielt. Es war an sich ein Schmarren, aber wenn man nichts besseres hat, gibt man sich auch mit dem zufrieden.
Wie ich aus dem Schreiben von Tommi herauslese, ändern sich die Verhältnisse immer mehr. Auch ein Kamerad, der bisher in der Verwaltung in Frankreich gearbeitet hat, spricht schon davon, daß die zivile Wirtschaftsverwaltung auf die Franzosen übergehen soll. Thomas schreibt, daß bereits die Kraftfahrzeugzulassungen abgegeben worden seien. Mein Freund Miller aus Douai, der frühere Kriegsverwaltungsrat, würde jetzt diesbezüglich schon tätig sein.  Er hat den Tommi mit einspannen wollen, was er aber abgelehnt hat.
Wenn Du mir in Deinen letzten Briefen vorwiegend von der Gartenarbeit erzählt hast, dann ist das nur verständlich, hast Du doch jetzt neben Deiner üblichen Hausarbeit vorwiegend im Garten zu tun.
Daß Kurt in Karlsruhe ist, hat mir Nannie auch in ihrem Brief mitgeteilt. Wahrscheinlich wird er jetzt daheim auf Urlaub sein. Von Wittenburg habe ich auch noch keine Nachricht. Mit dem Geld mußt Du eben solange warten, bis er Bescheid gibt. Daß Dir die Stiefel bis auf die Schäfte passen, ist ja gut. Daß Du aber so viel stärkere Waden haben sollst wie ich, kann ich mir nicht vorstellen. Wenn man sie gut umarbeiten lassen kann, hättest Du etwas für den Winter anzuziehen. Du mußt Dich einmal erkundigen, ob Dir das jemand macht. Daß Du den Krampf bekommst, will ich ja nicht haben.
Wegen der Butterdose weißt Du ja Bescheid, daß ich mir hier eine von der Einheit geben lassen will. Wenn der Schinken nicht umkommt und sich noch so verwerten läßt, ist es auch recht.  Nur nicht schlecht sein soll er, das wäre schade darum, vor allem, wo jetzt alles so rar ist. Daß jetzt sogar der Bezug von Magermilch eingeschränkt wird, ist ja bedauerlich. Bis jetzt hast Du immer noch etwas für die Kinder gehabt. Vor allem, wenn du Pudding oder etwas ähnliches für die Kinder machen wolltest. Man merkt an allem die Länge des Krieges. 
Wenn Siegfried jetzt auch herausgezogen werden sollte, würde ihm das am Anfang auch hart ankommen, denn er ist doch schon ziemlich lange mit seinen Kameraden beieinander. Er ist ja nicht der Kerl, der sich gleich unterkriegen läßt, dann würde er es auch bald überwinden. Ich würde ihm seine bisherige Tätigkeit gern gönnen, aber die Notwendigkeiten und Anforderungen des Krieges sind eben größer.
Aus dem Brief Deines Vaters merkt man direkt heraus, daß er aufatmet, daß das für ihn unangenehme Thema in eine Bahn gelenkt ist, die für ihn nicht mehr belastend wirkt. Im allgemeinen weiß er, was wir in der Sache denken und das war ja doch mehr oder wenige der Zweck unserer Entgegnungen. Wenn wir gleich am Anfang zu allem Ja und Amen gesagt hätten, so hätte er gedacht, daß das alles in bester Ordnung sei.
Für Jörg hat er  auch wieder einige Sachen gekauft, die, ich denke, ihm sicher Spaß machen. Daß ich nun die hiesigen Verhältnisse als gut befunden habe, dürfte wohl etwas übertrieben sein, was er da schreibt. Ich glaube aber, daß er sich nur falsch ausgedrückt hat.  Bei den vielen Sachen, die ich gestern bekommen hatte, hatte ich fast vergessen mitzuteilen, daß ich auch noch Dein Päckchen mit Pralinen erhalten habe. Ich danke Dir vielmals und herzlich dafür.
Ich weiß, daß Ihr das gern gebt, doch ich möchte nicht haben, daß Ihr Euch etwas abspart. Solange ich hier noch so verpflegt werde wie bisher, fehlt mir eigentlich nichts. Heute gebe ich nun meinen Brief einem Urlauber mit.  Ich grüße Dich und die Kinder recht vielmals. Richte bitte an Vater ebenfalls viele Grüße aus und falls Kurt daheim sein sollte, ebenfalls. Dich grüßt und küßt recht oft und herzhaft Dein Ernst.

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