Donnerstag, 22. Juni 2017

Brief 282 vom 22./23.6.1942


Mein liebes Mädel !                                           22.6.42     
     
In der vergangenen Woche habe ich nun schon zweimal nicht geschrieben. Gestern hatte ich aber keine Stimmung dazu. Wir hatte am Samstag, wie ich Dir schon schrieb, Kameradschaftsabend, an dem wir für hiesige Verhältnisse ziemlich lang zusammen waren.  Gestern war ich dann nicht so ganz frisch und außerdem nicht in der richtigen Stimmung. Uns wurde das Soldatenheim zur Verfügung gestellt worden, denn andere Räume gibt es hier nicht, wo man etwas abhalten könnte. Die Schwestern hatten sich auch sehr Mühe gegeben. Das Wichtigste dabei ist ja immer das Essen und das war sehr ordentlich. Eine Suppe mit Eieinlage. Dann Huhn und Kartoffeln mit grünem Salat. Bier und Wodka stellten die geistigen Getränke. Später gab es dann noch Kaffee, Kuchen und Torte. Für die Ausgestaltung hatten die Kameraden selbst gesorgt und die Ukrainer hatten einen Chor mit Instrumentalbegleitung. Das war sehr nett. Vor allem die natürliche Tracht gab dem Ganzen einen eigenen Charakter. Darüber werde ich Dir später einmal wieder bei passender Gelegenheit schreiben.  Ein anderes Ereignis war gestern bei uns hier zu sehen. Ein Einheimischer hatte seine Frau und seine Kinder erdrosselt und dann die Leichen zerstückelt und vergraben. Dieser Kerl ist nun öffentlich hingerichtet worden.  Man merkt aber, daß die Asiaten ganz andere Menschen sind. Mit einer Ruhe und einer Selbstverständlichkeit hat er sich den Strick um den Hals legen lassen, wie wenn das das Alltäglichste von der Welt wäre. Über die Einzelheiten will ich Dir hier nichts weiter schreiben, denn ich denke nicht, daß Dich das so interessiert.  Ich habe mir gedacht, daß man sich das einmal ansehen muß. Es war auch eine ziemliche Menschenmenge da, die das mit angesehen hat.  Die Leute haben sich aber auch alle ganz ruhig verhalten und sind dann wieder weitergegangen, wo es vorbei war. Am Abend war zu der üblichen verkorksten Kinovorstellung eine ukrainische Künstlertruppe da, die mit Gesang, Akrobatik und sonstigem Zauber uns unterhalten hat. Nun geht die Woche wieder im gewohnten Geleise weiter. Teils langweilig und eintönig geht der Tag vorbei, denn die Arbeit ist doch nicht so, daß sie uns voll in Anspruch nimmt.  Man hat immer wohl etwas zu tun. Es ist aber nicht soviel, daß man sich sagen könnte, wann Feierabend ist, jetzt habe ich aber etwas geleistet. Aber meist ist man mit dem nicht zufrieden, was man hat und hinterher sieht man erst, wie gut es vorher war. Wie ich aus Deinen Briefen sehe, hast Du mit den täglich anfallenden Gartenarbeiten immer Deine volle Beschäftigung, denn der Haushalt und die Kinder verlangen Dich auch immer wieder. Am Monatsanfang hast du dann immer wieder Deine Wäsche. Ich kann mir dann vorstellen, daß Du dann redlich müde bist. Daß unserem Jungen so ein Hund wohl Spaß machen würde, das weiß ich. Ob sie dann zwar die Ausdauer hätten, ihn zu versorgen, das ist mir noch nicht so ganz klar, aber das kann wohl sein. Ich selbst hätte ja auch nichts dagegen, wenn man so ein Vieh hätte, doch man ist nur immer etwas gebunden, solange man niemanden hat, der einem das Tier abnehmen würde, wenn man einmal etwas mehr vor hat, als nur am Sonntag nach Wollmatingen zu gehen. Aber das braucht jetzt noch nicht unsere Sorge sein. Daß Helga zum Turnen geht, das hat mich schon seinerzeit bei Deiner letzten Mitteilung gefreut. Wo sich jetzt Jörg auch entschlossen hat, auch mitzumachen, ist doch wenigstens wieder ein Ausgleich da. Ich denke, daß ihm das sein Ehrgeiz nicht zugelassen hat, ihr nachzustehen. Hoffentlich baut er nicht gleich wieder ab, denn das könnte ihm genau so wenig schaden, wie Helga, wenn er sich körperlich etwas schult. Die Kinder  dazu zwingen, hat keinen Zweck, wenn sie es freiwillig machen, dann soll man dieses Bestreben nur unterstützen.  Für die Grüße von Vater danke ich und ich erwidere sie bestens. Kurt hat sich also doch einmal mit ihm unterhalten. Es wird ihm nicht leicht gefallen sein. Mit seinen Briefmarken hat er sich auch wieder beschäftigt. Das war ja schon immer so ein Vergnügen von ihm. Das vergißt er aber auch nicht. Du nimmst aber wieder rech t herzliche Grüße und Küsse entgegen für Dich und die Kinder von Deinem Ernst.


Mein lieber Schatz, mein liebes Mädel !     23.6.42  

Viel Post habe ich heute von Dir erhalten, für die ich Dir vielmals danke. Diesmal waren ziemlich erfreuliche Nachrichten dabei aber auch die wegen der alten Streiterei. Ich kann Siegfrieds Standpunkt vollkommen verstehen. Daß er dabei schon in rein materieller Hinsicht der Hauptleidtragende ist, ist sehr bedauerlich. Es ist bedauerlich vor allen Dingen auch deshalb, weil Dein Vater sich nicht an sein Wort halten will und Siegfried bei der ganzen Sache gewissermaßen den Stuhl vor die Tür stellt. Das ist nicht schön, um nicht direkt zu sagen, das ist charakterlos. Die ganze Angelegenheit ist so verfahren, daß es hier nicht mehr viel Zweck haben wird, zu versuchen, hier Streit zu schlichten So wie ich die Dinge sehe, würden wir von Beiden falsch verstanden werden. Rein verstandesmäßig gesehen, liegen unsere Interessen an Siegfried näher, als mit Deinem Vater. Wenn Dein Vater dieses Fräulein heiratet, dann habe ich auch nicht das Verlangen, die Beziehung besonders herzhaft zu halten. Wenn Deinem Vater sein persönliches Wohl näher liegt als das seiner Kinder, und das ist doch so, übrigens eine Stellungnahme, die ich früher schon vertreten habe, dann muß es auch uns leid tun, wenn diese Bindung zerreißt. Von allen Erbschaftsgedanken ganz abgesehen, aber wenn Dein Vater vor diesem Mädchen das Zeitliche segnen würde, was bleibt uns übrig, bei irgend etwas hineinzureden. Daß Dein Vater unter normalen Umständen früher gehen muß wie wir, das verlangt die Natur. Sollte Siegfried etwas zustoßen, dann kann ich mir eher noch denken, daß wir mit Erna noch Beziehung unterhalten könnten oder umgekehrt, daß Du noch mit Siegfried Dich verstehen könntest. Daß wir mit diesem Fräulein nichts mehr zu tun haben sollten, wenn Dein Vater einmal nicht mehr sein sollte, das ist mir vollkommen klar.  Heute über Mittag habe ich den Brief an Deinen Vater ziemlich fertiggeschrieben. Nun bekam ich gerade noch 2 weitere Briefe von Dir ausgehändigt. Da muß ich schon sagen, daß ich heute wieder reichlich bedacht worden bin. Zwei Zeitungspäckchen und 3 andere Päckchen habe ich auch noch erhalten, die ich aber noch nicht geöffnet habe.  Aus Deinem letzten Schreiben habe ich nun gesehen, daß sich Dein Standpunkt vollkommen mit dem deckt, den ich heute früh in der ganzen Angelegenheit eingenommen habe. Nun habe ich auch an Deinen Vater heute geschrieben. Ich sende Dir den Brief mit. Lies ihn durch. Umschlag habe ich beigefügt, Du brauchst ihn nur zur Post zu geben, wenn Du ihn in allem billigst. Nachdem Du mir geschrieben hast, in soll an Siegfried schreiben, was ich zu der ganzen Sache denke und die weiteren Sachen übernehmen, habe ich mir auch gleich die ? Deinem Vater gegenüber genommen. Ich möchte, daß Du jetzt aus der ganzen Sache draußen bleibst und Dich den ewigen Aufregungen entziehst. Mir macht das wenig aus, denn ich werde mit der Sache schon fertig werden. Hoffentlich hast Du inzwischen nicht noch an Deinen Vater geschrieben, aber das würde auch nichts ausmachen.  Den Durchschlag kannst Du dort behalten. Wenn Du willst, werde ich überhaupt den ganzen Briefverkehr mit Deinem Vater für Dich übernehmen. Auf die Zeitungen sind wir nicht angewiesen, auch auf die anderen Kleinigkeiten nicht, die er uns immer gesandt hat.  Wenn er sich nicht an sein Wort halten kann und sich, wie Siegfried ganz richtig bemerkt, wahrscheinlich zu sehr mit diesem Fräulein eingelassen hat, dann betrachte ich das ganze Verhalten von ihm so, als liegt ihm nicht mehr viel an uns wie an diesem Fräulein. Wenn dem aber so ist, dann hat dieses Nebeneinanderherleben keine große Bedeutung. Ich hatte den Brief schon einmal angefangen, den ich an Deinen Vater gerichtet habe. Ich wollte ihm seinerzeit eine andere Wendung geben. Ich zögerte, ihn abzuschicken. Ich war selbst mit mir unzufrieden, daß ich ihn nicht fertig schrieb und fand doch nicht den richtigen Fa den, ihn weiter zu machen. Nun weiß ich, warum ich nicht weiterschreiben konnte. Es scheint mir fast, als hätte ich das gespürt und wusste aber doch wieder nicht wieso. Wo ich nun die Post von Dir bekam, wurde mir alles klar. Mein Entschluss, was ich nun tun muß, stand dann gleich fest. Mein Gefühl hatte mir das schon die ganzen Tage gesagt, was ich jetzt an Deinen Vater schreiben musste.

Sonntag, 18. Juni 2017

Brief 281 vom 18./20.6.1942


Meine liebste Frau !                                                  18.6.42   

Wenn man keine Post bekommt und wenn sonst nicht passiert, muß man anfangen mit Geschichtenschreiben. Es brauchen ja keine Märchen zu sein sondern Geschichten, die sich so ereignen. Nun wirst Du denken, machen sich denn schon nach 8 Wochen Rußland irgendwelche Störungen bemerkbar. Ich glaube, daß es noch nicht soweit ist. Aber nun zur Sache, denn es gibt Dinge, die erst eine Entwicklung hinter sich haben und die man während einer längeren Zeitdauer beobachten kann. So ist dies auch mit unserem Radio, von dem ich Dir früher schon einmal schrieb. Als ich hierher kam, fand ich einen Radioapparat vor, der sogar spielte. Der Kamerad hatte ihn schon etliche hundert Kilometer mitgeschleppt und er war sein großer Stolz. Ich selbst war ja auch überrascht und hatte sowas überhaupt nicht vermutet. Nachdem ich mich also von der ersten Überraschung erholt hatte, betrachtete ich mir dieses Ding näher. Der Kamerad wies mir alle Vorteile und Vorzüge. Auch zu der Behauptung, daß diese Apparat wohl einem deutschen gleichwertig wenn nicht sogar besser sei. Obwohl ich mich nicht so restlos überzeugt fühlte, was er sicherlich auch an meinem Gesicht gesehen hatte, gab ich mich doch zufrieden. Ich war stiller Teilhaber  beim Hören geworden, was schließlich für mich das wichtigste war. Doch mit dem Genießen sollte es nicht lange gehen. Die an sich schon kränkliche Stimme des Apparats wurde immer schwächer und schwächer. Bis ich dann von einer Dienstreise zurückkam schien es, als hätte er seinen letzten Seufzer getan.  Er machte also nicht mehr mit und alles gute Zureden half nicht mehr. Was blieb uns also übrig, wir holten einen Fachmann her.  Der besah sich das Ding und sagte, das ist nur eine Kleinigkeit, das werden wir bald haben. Die Batterien, die unserem Zimmergenossen das Leben gaben, wurden mitgenommen um wieder frische Energien aufzunehmen. Nach wenigen Tagen kam er wieder zurück und sagte, das ist nicht so schlimm, er wird gleich wieder gehen. Ich weiß nun nicht, war er mit unsere Behandlung nicht zufrieden, er hatte seinen eigenen Sinn und machte eben doch nicht mehr mit. Es half auch kein Zureden, kein Wechseln der Kontakte, kein Versetzen der Pole. Es war damit aus. Wir gaben aber nicht nach, denn wir dachten, hilft gutes Zureden nicht, dann muß man mit Gewalt nachhelfen . Ein anderer Fachmann wurde zu Rate gezogen. Der sagte, ja, die Röhren sind entzwei, da ist nicht zu machen. Woher Röhren zu organisieren, das ist das größte Kunststück. Alle gangbaren Wege wurden benutzt, als das nichts half, wurden Kameraden beauftragt, von auswärts welche zu besorgen. Wir glaubten schon fast nicht mehr daran, da trafen eines mittags zwei neue Röhren ein. Ein neuer Versuch wurde unternommen. Es ging wieder nicht, denn es sollte wieder am Akku liegen. Auch eine Aufladung des Akkus half nichts, trotz der neuen Röhren und frisch aufgeladnem Akku und neuer Batterie wollte er nicht mehr mitmachen.  Wir mußte uns also mit unserem schweigsam gewordenen Apparat zufrieden geben und auf bessere Zeiten hoffen. Wir waren schon soweit, daß wir ihn als Zielscheibe zum Schießen benutzen wollten. Aber unsere Ehrfurcht für die bisher geleistete Arbeit hinderte uns    an der Ausführung unseres Planes. Er hat es uns aber auch nun gedankt. Seine Selbständigkeit hat er nun zwar aufgegeben, denn er ist eine Abhängigkeitsverhältnis eingegangen.  Wir haben ihn an den gemeinsamen Drahtfunk anschließen lassen.  Sowie in der Zentrale der Sender eingeschaltet wird, dann macht er nun eifrig mit und spendet uns wieder fleißig Musik. Feinnervig muß man dabei nicht sein, denn dann müßte man das Radiohören gleich wieder einstellen. Früh wird man geweckt, ohne daß man etwas tut, fängt der Apparat an. Zu neuem Leben ist er wieder erwacht und er tut willig seine Pflicht, wenn ihm dazu Gelegenheit gegeben wird. In mancher Beziehung merkt man ihm aber seine russische Abstammung an. Es fällt ihm manchmal schwer, das Deutsche und dann vor allem deutschen Gesang zu übertragen. Es scheint, als ließen seine Gefühle das nicht zu. Dann fängt er an zu schnarren und zu klicken, daß man ihn nicht so ganz verstehen kann. Auf deutsche Dialekte hat er es dann ganz besonders abgesehen, denn da überschlägt sich meist seine Stimme. Aber wenn man es im Guten mit ihm versucht, macht er schon wieder weiter. Einen Ärger bekommt er, wenn man früh so unhöflich ist und macht es wie meine Stubenkamerad, der die Ungehörigkeit besitzt und dabei schnarcht. Da fängt er an un kreischen. Auf diese Art erziehen wir uns gegenseitig, unser Apparat und wir.  Heute habe ich Dir genug vorgesponnen. Sei vielmals gegrüßt und recht herzlich geküßt von Deinem Ernst.

Meine liebste Annie !                                                        20.6.42  
 
Seit dem 14. waren wir wieder ohne Post. Heute früh hat es wieder etwas gegeben. Deine Briefe vom 2., 3. 4. 5. und 6. habe ich erhalten. Ich danke Dir vielmals dafür. Der Marinesturm hat auch wieder etwas von sich hören lassen. Außerdem kam noch das Päckchen mit den Inspiroltabletten und die 3 Päckchen Zeitungen. Für alles danke ich Dir nochmals.  Zu Deinem ersten Brief, dem Du die Durchschriften an Erna und Deinen Vater beigefügt hast, veranlasst mich zu einer ernsten Sorge um dich. Das ganze Missverhältnis, das zwischen Dir, Deinem Vater und Siegfried entstanden ist, und zwar nur wegen dem Frauenzimmer, kann in der Form nicht mehr weiter gehen. Ich hatte erst die Absicht, den Brief an Deinen Vater nicht fertig zu schreiben, und wie ich die Dinge nun aber sehe, gehen sie mich mehr an, wie es mir scheinen wollte. Ich kann nicht zusehen und dabeistehen, wie Du Dich kaputt machst, nur weil Dein Vater glaubt, seine Interessen vertreten und seinen selbstsüchtigen Standpunkt durchzusetzen. ER soll machen was er will, aber ich schreibe ihm, daß durch sein Verhalten alles eine ganz andere Form angenommen hat, wie sie sich auch nicht hätte durchsetzen können, wenn er etwas weiter gedacht hätte, als nur an sich. Wenn ihm die Gesundheit seiner eigenen Kinder so wenig am Herzen liegt, dann lege auch ich keinen großen Wert auf die Beziehungen zwischen uns allen. Du weißt, daß ich radikal Schluß machen kann und mich auch auf niemanden stützen brauche. Ich habe das einmal gemacht und ich denke, daß ich es ziemlich gründlich gemacht hatte. Die Beziehungen zu Paula hatte ich jahrelang so gestaltet, daß sie uns heute fast noch weniger bedeutet als eine fremde Person. Ich kann es auch in diesem Fall, damit wir unsere Ruhe haben. Ich pressiere nicht mit meinem Schreiben, denn ich bin gegenwärtig nicht in der richtigen Schreibstimmung. Ich werde es in einer Form machen, die meinen Standpunkt unzweideutig klarstellt und daß ich keine Lust habe, mich länger mit der Geschichte zu beschäftigen. Du bist mir für die Familie wertvoller als der ganze Kram. Wenn es Deinem Vater nicht passt, dann soll er es ändern, die Verantwortung trägt er selbst. Deine Ansicht und die Stellungnahme wegen der Angelegenheit mit Erna ist durchaus richtig und Dein Vater soll zusehen, wo er die Unterstützung herbekommt, wir mischen uns nicht dazwischen. Bei der anderen Geschichte hat er uns doch auch nicht gefragt. Daß er den Termin der Heirat schon auf den Herbst legen will und nicht, wie er mir und auch Siegfried versprochen hat, nach dem Krieg, kann ich nicht so recht vergessen. Ich denke, daß es Siegfried ebenso gehen wird. Daß er Dir gegenüber sich seinerzeit auch anders geäußert hat, vergaß er auch ziemlich schnell. Ich bitte Dich, mache Dir nicht allzu viel Gedanken über alles und wenn Du willst, werde ich die Sache allein regeln. Daß Du für den Pelzmantel einen Schutzsack gekauft hast, hat schon seinen Sinn, denn den ganzen Sommer über kannst Du ihn doch nicht tragen und dann ist er wenigstens sicher untergebracht. Das Auslüften ist dann schnell geschehen und macht wenig Mühe. Meine SAchen kann ich ja doch nicht anziehen, dann hast Du doch nicht immer die Sorge damit, daß sie zerfressen sein könnten. Für den mitgesandten Auszug danke ich Dir. Ich werde sehen, was ich unternehme, wenn ich von Dir die anderen Sache geschickt bekomme.  Daß Kurt sich in Urlaub befunden hat, freute mich. Doch auch nicht ganz ungetrübt. Als ich las, daß er nur 14 Tage Erholungsurlaub bekommen hat, und daß man ihm den Rest noch gestrichen hat, das ist doch allerhand. Ich verstehe nicht, da man allgemein sonst 6 Wochen gibt. Daß er diesmal einmal mehr an sich gedacht hat, ist ganz in Ordnung. Es ist ja ganz ungewiß, wie lange es dauern wird, bis er wieder einmal nach hause kommt. Wenn er die wenigen Tage noch genossen hat, dann hat es mich doppelt für ihn gefreut. Das Geld spielt ja sowieso keine Rolle, denn wenn er wieder hier draußen sitzen muß, dann ist es aus mit der persönlichen Freiheit. Daß die Verpflegung im Lazarett so schlecht war, habe ich auch bei meinem kurzen Lazarettaufenthalt in Frankreich spüren müssen. Man konnte fast zu der Auffassung kommen, daß das mit Absicht geschieht, damit man bald wieder verschwindet. Herzliche Grüße und Küsse an Dich und die Kinder. Dein Ernst.

Brief 280 vom 16./17.6.1942


Meine liebe Annie !                                                 16.6.42  

Mit der Post bekam ich heute die Zeitungen vom 2. und 3., dann noch von der SA eine Zeitung. Das war alles. Briefe werden hoffentlich morgen mitkommen. Daß Du die Zeitungen für den nächsten Monat nicht mehr bestellen brauchst, hatte ich Dir schon mitgeteilt. Bis ich diese Zeitungen bekomme, ist ja doch schon alles lang überholt. Wenn ich ab und zu „Da s Reich“ bekomme und von Dir immer wieder einmal eine Konstanzer Zeitung, dann genügt das vollkommen. Ich weiß ja, daß Du das gern gemacht hast, aber weshalb soll man eine unnütze Sache machen? Wegen meiner Anstellung habe ich mir nochmals alles überlegt. Ich brauche, um alles durcharbeiten zu können, folgende Sachen: Anstellungsschreiben der Stadt Konstanz, Schreiben der Stadt, ob ich die Absicht habe, als Beamter in städtische Dienste zu treten, Prüfungsergebnis bei der Schule. Die dazu notwendigen Unterlagen, auf die in den einzelnen Schreiben hingewiesen ist, würde ich auch noch benötigen. Ich muß aber wieder etwas unternehmen, damit nicht alles ganz und gar zum Stillstand kommt. Ob ich etwas erreichen werde, steht ja noch nicht fest, aber ich will wenigstens tun, was notwendig ist und was sich machen läßt. Du hast zwar viel Arbeit mit der ganzen Sache, ich muß Dich aber schon darum bitten, daß Du mir das erledigst, denn wenn ich alles hier hätte, würde ich mir das alles selbst machen.  Immer wieder, wenn ich zum Fenster meines Dienstzimmers hinaussehe, kommen Flüchtlinge, die aus den Kampfgebieten verschickt wurden. Es ist einfach nicht zu schildern, welches Elend das ist mit diesen Menschen. Ich frage mich nur manchmal, wo die Leute die Räder zu ihren Wagen her haben.  Sehr oft sind es Räder, die von zerschossenen Panzerwagen abgebaut worden sind. Die haben etwas Gummibereifung und amit holpern sie über die Landstraße. Straßen, die bei Regenwetter fast unergründlich sind. Dies habe ich Dir schon oft geschildert. Manche haben einen „besseren“ Wagen. Der hat eine Plane, unter welcher die Kinder sitzen können, wenn es regnet. Kinder, die etwa 6/7 Jahre alt sind, die müssen schon alles laufen. Größere müssen mit schieben helfen. Viele haben nicht einmal das, sondern sie tragen die kleinen Kinder auf dem Arm. Ich frage mich, wie es so einer Frau möglich ist, stundenlang ihr Kind auf dem Arm zu tragen.  Wenn es regnet, steckt man das Kind mit unter die Jacke und dann wird weiter getrottet. Wieder andere Erwachsene, die nicht mit Kindern belastet sind, haben ihr ganzes Hab und Gut in zwei Säcken untergebracht, die sie durch die Gegend schleppen. Alles läuft grundsätzlich barfuß, denn die Schuhe sind sehr teuer. Ein Paar Halbschuhe kosten 25 bis 30 Rubel und derselbe Betrag in RM.  Bei den Einkünften, die die Leute haben, ist die Beschaffung von Schuhen fast nicht möglich. Eine Putzfrau bekommt einen Stundenlohn von 8 Pfennig. Dann kann man sich alles andere ausrechnen.  Wenn man auch berücksichtigen muß, daß die Menschen hier nicht so große Lebensbedürfnisse haben und daß sie meist noch Landwirtschaft besitzen, so ist das alles doch soviel wie nichts. Trotzdem, Zeit spielt hier keine Rolle. Was heute nicht erledigt wird, das läßt sich morgen auch noch machen.  Wie ich Dir wohl schon andeutete, scheint es bald hier wegzugehen. Verschiedene Anzeichen deuten daraufhin. Wann und wohin es geht, wissen wir noch nicht, doch sobald es möglich ist, werde ich Dir das schreiben.  Ich hatte Dir das schon von Anfang geschrieben, daß wir hier nicht immer bleiben werden. Ob wir es in Rußland immer wieder so treffen werden, glaube ich kaum . Aber man wird sich dann auch wieder hineinfinden.  An Nannie habe ich heute auch noch geantwortet. An Deinen Vater habe ich einen Brief angefangen, wann ich ihn fertig machen kann, weiß ich noch nicht. An verschiedene Pfarrämter habe ich auch wieder geschrieben und teilweise Geld geschickt. Ich habe dann so ziemlich alles auf dem Laufenden.  Vorher habe ich doch keine große Ruhe, wenn ich weiß, es ist noch etwas zu beantworten.  Dich und die Kinder grüße ich vielmals.  An die Kinder werde ich auch demnächst schreiben, wenn sie sich am letzten Mal auch nicht besonders angestrengt haben. Vor allem Jörg hat nichts weiter dazugeschrieben. Ich denke, daß er es nachholen wird. Ich hoffe, Ihr seid alle gesund. Grüße Vater und Kurt wieder von mir. Du selbst sei aber recht fest und vielmals geküßt von Deinem Ernst.

Mein lieber Schatz !                                                               17.6.42    

Ich hatte heute nicht die Absicht zu schreiben. Aber die tägliche Aussprache mit Dir ist mir zu einer lieben Gewohnheit geworden, daß es mir vorkommt, als könnten mich nur ganz besondere Umstände daran hindern, Dir nicht zu schreiben. Wenn ich auch gestern keinen Brief bekommen habe, so will ich doch wieder einmal von etwas anderem berichten.  Der Arbeitsstil hier im Osten hat ein ganz anderes Aussehen , wie der in der Heimat und auch wie der in Frankreich. In dieser Beziehung habe ich verschiedenes lernen können aber auch müssen. Bedingt durch die schlechten Verkehrsverhältnisse und die großen Strecken, muß man sich hier zur schnellen Erledigung, denn auch hier ist ja alles Alltag, vorwiegend des Telefons bedienen. Das Telefon geht nun hier nicht so wie in Frankreich oder in Deutschland, daß man über weite Strecken telefonieren kann, ohne daß sich Störungen oder sonstige Schwierigkeiten bemerkbar machen. Wir müssen zum großen Teil das alte russische Netz verwenden und die alte russische Vermittlungszentralen. Von Wertarbeit kann da keine Rede sein, denn das ganze Zeug ist klapprig. Aber man ist dauernd damit beschäftigt, Verbesserungen durchzuführen und zu ändern, was unbedingt gemacht werden muß, doch sämtliche Schwierigkeiten lassen sich nicht mit einem Mal beheben. Die Verständigung ist daher teilweise auf kurze Entfernung schlecht und sie kann auf weitere Strecken gut sein. Das russische Telefonnetz hat früher meist nur mit Eisendrähten gearbeitet. Dies ist auch meist die Ursache zur schwierigen Verständigung. Wenn man also mit einem Ferngespräch nicht durchkommt, dann gibt man auch einen „Fernspruch „ auf. Der geht schriftlich an die Vermittlung und die hat dafür zu sorgen, daß die Mitteilung an die zuständige Stelle geht. Durch dieses System kann man sich helfen und man hat die Gewissheit, daß eine Sache dann erledigt wird. Wenn man etwas durchgibt, läßt man sich den Namen des Aufnehmenden sagen, damit später einmal niemand behaupten kann, diese Sache sei nicht erledigt worden. Man gewöhnt sich aber auch an diese Art des Schriftverkehrs, wenn es auch neuartig ist, so sind gewisse Vorteile nicht zu verkennen.  An Deinen Vater habe ich nicht fertiggeschrieben. Ich habe erst einmal keine Maschine weiter gehabt und dann muß ich mir das alles noch einmal überdenken.  Heute Abend ist wieder Kino. Ich bin gespannt, ob es diesmal ohne Hindernisse abgeht. Gespielt soll werden „Das Verlegenheitskind“.  Was das gibt, werde ich mir heute ansehen. Am Samstag ist hier Kameradschaftsabend. Ich bin zwar kein großer Freund davon, aber schließlich muß man um der Kameradschaft willen mitmachen.  Meine Mutmaßung, die ich in meinem gestrigen Schreiben ausgedrückt hatte, daß wir vielleicht hier bald wegkommen, muß ich wahrscheinlich zurückziehen, denn es ist ebenso nicht ausgeschlossen, daß wir noch eine Weile hier bleiben. So geht das beim Kommis. Manchmal muß man auf eine Sache lang warten, die man schon lange vorher erwartet hat, und dann geht es nicht schnell genug, wenn dann tatsächlich der Befehl eintrifft, daß die Veränderung eintritt. Aber auch daran gewöhnt man sich, wie an das viele Andere auch. Heute sende ich Dir und den Kindern viele herzliche Grüße und ebenso viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 279 vom 14./15.6.1942


Meine liebste Annie !                                                14.6.42 
   
Posttag war heute wieder. Deine beiden Briefe vom 31.5. und 1.6.  habe ich erhalten. Ich habe mich wieder sehr gefreut darüber. Du bekommst ja auch ziemlich regelmäßig Post von mir, so daß Du immer  auf dem laufenden bist, mit dem Unterschied, daß die Briefe eben etwas länger gehen. Das muß man aber auch in Kauf nehmen. Die Rundschau vom 23. und 3.6. erhielt ich außerdem noch von Dir. Von den Pfarrämtern in Bernburg und Gramsdorf bekam ich außer allem anderen auch noch Antwort. Doch erst zu Deinen Briefen.  Daß Du die beiden Päckchen mit Butter erhalten hast, teiltest Du mir wohl mit, doch in welchem Zustand sie waren, hast Du mich nicht wissen lassen. Sind sie sehr durch das Papier durchgedrungen und konntest Du sie noch verwenden. Die Päckchen waren doch immerhin über drei Wochen unterwegs. Die Erlebnisse mit den Kindern haben mich belustigt. Daß sich Jörg noch rechtzeitig aus dem Staub gemacht hat beim Eingreifen einer höheren Gewalt ist mir erklärlich. Denn da hätte er doch den Kürzeren gezogen, wie das der Fall seines Mitkämpfers bewiesen hat. Daß sie aber die anderen in die Flucht geschlagen haben, wird ihn wohl mit Stolz erfüllt haben. Daß er sich nicht unterkriegen läßt, ist mir wohl recht. Wenn ich daheim wäre, könnte ich mich schon manchmal mit ihm herumbalgen. Seine Kampfgenossen sind ja die richtigen Typen aus der Straße, aber ich habe keine Bedenken, denn er wird sich schon behaupten, und er muß doch kein Muttersöhnchen werden. Seine guten Eigenschaften werden sich wieder durchsetzen, wenn es vielleicht auch etwas ruhiger von Zeit zu Zeit ist, ich denke, das sich das wieder gibt. Wenn er sieht, daß er mit dem Richard fertig wird, macht er sich sicher bald an die Größeren ran. Er soll nur zusehen, daß er nicht die Jacke voll kriegt.  Helgas Betätigung entspricht wieder ganz und gar ihrer Art. Die Leseratte neigt schon immer dazu. Daß sie aber nun anfängt mit Prosa und Poesie, setzt mich doch in Verwunderung. Erst macht sie sich eigene Märchen und nun fängt sie an, Dich in Versen zu verherrlichen. Da macht sie aber noch mehr wie ihr Vater. Daß gerade in diesem Alter die Phantasie vielleicht Schößlinge zeigt, kann man ihr nicht verargen. Das ist auch das richtige Alter dazu. Man muß sie gewähren lassen. Daß sie mit diesen Sachen nicht über das Ziel hinausgeht, dafür sind ja wir Eltern da, um sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Dazu besteht auch kein Grund, daß man sie deshalb auslacht, denn Kinder wollen genau so ernst genommen werden wie Erwachsene. Man muß ihnen das Gefühl der Selbstsicherung nicht nehmen. Daß Du das selbst weißt und Du danach handelst, weiß ich genau, und ich brauche Dir auch keine Belehrungen erteilen. Du sollst aus meinen Zeilen nur sehen, daß ich mit Dir einer Meinung bin. Daß Kurt in seiner früheren Einheit in Karlsruhe ist, habe ich mir gedacht. Er wird dann auch Gelegenheit gehabt haben, die Familie Frick in Blankenloch aufzusuchen. Denn da kann er ja mit der Straßenbahn fast bis hinaus fahren. Nun wird er sicher bei Euch sein, um sich zu erholen. Die wenigen Tage soll er sich nur die ruhe gönnen, denn wie bald wird es dann wieder heißen, ohne Tritt Marsch. Hoffentlich kommt er nicht gleich wieder in den Schlamassel hinein. Für die Grüße von Vater danke ich , ich lasse sie erwidern. An Kurt richte ebenfalls wieder Grüße aus.  Wegen des Geldes nach Frankreich hatte ich Dir wohl schon geschrieben. Du schreibst an die Dienststelle der Feldpostnummer O1402 X (neue Nummer), auf der Rückseite des Abschnitts vermerkst Du: mit der Bitte um Weiterleitung an ....., so wurde mir das gesagt. Ein fester Betrag bestand noch nicht, aber ich wollte erst einmal 70 RM übersenden. Den Rest hätte ich dann schon noch geregelt. Es wären nach meiner Schätzung dann immer noch 80 RM schuldig, die ich aber auf andere Art regeln wollte. Wenn Du noch keine Antwort hast, dann versuche es einmal so.  Heute schreibe ich Dir einmal mit Luftfeldpost. Zwei Marken für Dich lege ich mit bei. Wenn Du mir schreibst, mußt Du genau so unterstreichen und den ganzen Umschlag wie einen Eilbrief mit Rotstift durchstreichen. Ich wollte, daß Du bald wieder eine Antwort zwischendurch bekommst, denn inzwischen hast Du Nachricht von dem von einem Kameraden mitgenommenen Brief erhalten.  Ich grü0ße Dich und die Kinder vielmals und sende Dir sowie den Kindern viele Küsse. Dein Ernst.

Mein liebes, bestes Mädel !                                         15.6.42   
      
Auch den gestrigen Sonntag habe ich wieder hinter mir. Nachdem Mittagessen habe ich nur kurz die Zeitung gelesen. Dann erfuhr ich, daß unser Spieß mit den Pferden mit der Kutsche etwas in die Gegend fährt, um die Pferde zu bewegen. Da habe ich mich dann gleich beteiligt. Wir sind dann stolz durch die „Stadt“ gefahren.  Eine ganze Weile habe ich das Pferd selbst geführt., damit ich das auch ein bißchen lerne. Es ist zwar nicht schwer, aber man muß Gefühl dafür haben. Der Nachmittag war dann bald vorbei und das Neue hat mir Spaß gemacht. Am Abend war dann der übliche Kinobesuch, der uns stark gekürzt wurde, indem der Kulturfilm nur halb gezeigt wurde und der Hauptfilm, den ich schon in Frankreich gesehen hatte, nach einer Weile nicht mehr weitergespielt werden konnte, weil die Apparatur nicht mehr mitmachte. Da waren wir bald wieder daheim. Mit solchen Zwischenfällen muß man aber rechnen.  Aus Bernburg erhielt ich, wie ich Dir gestern schon mitteilte, wieder Nachricht und aus Gramsdorf auch. Meine Anfrage in Gramsdorf konnte nicht beantwortet werden, doch wurde mir zufällig das Sterbedatum der Dorothea Plake mitgeteilt.  Ich habe abr dort noch andere Sachen nachzufragen, vielleicht kann ich dort von den anderen Linien erfahren und aus der Hauptlinie soll ich ja ebenfalls in Gramsdorf nochmals nachfragen. Aus Bernburg bekam ich zwei Urkunden. Eine aus der Linie Böttcher und eine weitere aus der Linie Hedecke. Die letzte Urkunde scheint aber nicht richtig zu sein. Ich muß jedenfalls nochmals nachfragen. Die Urkunden, die ich schon vorher bekommen hatte, sende ich Dir zur Aufbewahrung mit zu. Habe ich schon einmal irgendwohin eine Anfrage gerichtet wegen des Sterbedatums der Henriette Brose. Mir ist es so in Erinnerung, als hätte ich eine Antwort bekommen, sonach das bis jetzt noch nicht feststellbar war. An wen ich die Anfrage richtete, weiß ich zwar heute nicht mehr. Da ich nicht alle Unterlagen hier habe, ist das alles wohl etwas erschwert, aber ich denke, daß ich mich durchfinden werde. Diesen Brief kann ich einem Urlauber wieder mitgeben. Es hat darum wenig Wert, wenn ich den heute mit zur Post gebe. Ich denke, daß Du nicht gar zu sehr auseinander die Post bekommst. Du hast aber auch nichts dagegen, wenn Du einmal etwas eher Nachricht von mir bekommst als unter den „normalen“ Verhältnissen. Diese Gelegenheit muß man hier ausnützen.  Hier müßte man das Kleinkalibergewehr da haben, dann könnte man von den Krähen, die hier in Unmassen leben, allerhand abschießen. In Frankreich hat man nur im Hof herumballern müssen, da hat man nicht den richtigen Spaß daran gehabt.  Aufgefallen ist mir hier schon öfter, daß außer den Volksdeutschen viele Landeseinwohner die deutsche Sprache beherrschen. Viele, die hier Passierscheine schon geholt haben, sprachen deutsch. Wenn man sich erkundigt, wie es kommt, daß sie deutsch sprechen und wo sie das gelernt haben, mußte man meist hören, daß sie dies hier in den Schulen gelernt hatten. Wenn hier jemand eine achtklassige Schule besucht hat, dann lernt er meist eine Fremdsprache. Früher war dies Französisch und auch Englisch, Längere Jahre vor dem Kriege wurde dann vorwiegend Deutsch gelernt. Hier ist auf unserer Telefonvermittlung eine frühere Deutsche, die vor rund 20 Jahren mit einem Russen nach hier gegangen ist, tätig. Die war als Deutschlehrerin an einer Schule tätig. Die galt nun als besonders intelligent, weil sie etwas mehr konnte wie die anderen Einwohner. Man kann sich nur wundern, wie sich ein Mensch aus Liebe zu einem anderen so umstellen und dies alles auf sich nehmen kann. Aber in diesen Dingen kann man eben nicht rein verstandesmäßig urteilen. Die Frau ist jetzt alleinstehend, denn ihr Mann verunglückte vor Jahren. Sie muß ihren Kindern, die zum Teil noch nicht volljährig sind, immer noch Hilfe sein. Wie die Leute aber durch den Umgang schon die verschiedenen Eigenheiten des Volkes hier angenommen haben und genau keine Ansprüche weiter an das Leben stellen, kann einem nur wundern. Da sind die vielen Jahre des vergangenen Systems nicht spurlos vorübergegangen.  Dir und den Kindern sende ich viele Grüße und ebenso viele Küsse. Dein Ernst.

Brief 278 vom 12./13.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                12.6.42    

In den vergangenen zwei Tagen ist bei uns Post verteilt worden, aber außer den drei Zeitungspäckchen, die Du am 31. weggeschickt hast, habe ich heute nichts erhalten. Auch sonstige Post traf nicht ein. Dafür wird bei der nächsten Post umso mehr dabei sein.
Wie das hier mit unserem Dienst so ist, habe ich Dir bis jetzt noch nicht mitgeteilt. Früh ist im allgemeinen um 7 Uhr Wecken.  Sehr oft stehe ich schon früher auf, denn, wie ich Dir schon schrieb, ist es ja hier schon so zeitig hell. Es ist nur gut, daß wir eine Verdunklung vor den Fenstern haben, sonst würde man durch die Helle noch viel eher munter werden. Um 8 Uhr ist Dienstanfang, der dann bis 1 Uhr geht. Bis vor kurzer Zeit hatten wir von 12 bis 2 Uhr Mittag. Jetzt ist die Mittagspause auf die Zeit von 1 bis ½ 4 Uhr verlegt und damit um eine halbe Stunde verlängert worden. Abends geht der Dienst bis ½ 7 Uhr, anschließend geht man dann zum Essen nachdem man sich daheim noch einmal frisch gemacht hat. Meist ist es dann ½ 8 Uhr, bis man dann an sich selbst denken kann. Am Samstag geht der Dienst auch erst seit letzter Woche bis ½ 6 Uhr abends. Man ist uns also eine ganze Stunde entgegengekommen und läßt uns jetzt eine Stunde eher gehen. Am Sonntag geht der Dienst bis mittags ein Uhr und dann haben wir den ganzen Nachmittag frei. Wir sind hier mehr eingespannt wie im Westen, aber schließlich müssen wir uns fügen, wenn auch manchmal keine Arbeit für diese ausgedehnte Arbeitszeit vorhanden ist. Ich kann über meinen Vorgesetzten bestimmt nicht klagen. Die Erfahrungen, die ich bis jetzt mit ihm gemacht habe, ließen mich bald das Gegenteil behaupten. Gestern sagte er zu mir „Ich bin froh, daß sie da sind“ und zwar ganz unvermittelt oder daß ich ihm eine besondere Veranlassung dazu gegeben hätte. Du weißt aber, daß ich bei irgendeinem Lob immer sehr skeptisch bin, weil manche Menschen auch Launen unterliegen und bei meiner vorhergehenden Dienststelle hatte ich auch eine trübe Erfahrung machen müssen. Der Mann ist zwar hier in seinen Anschauungen gereifter und verläßlicher. Ich bedaure deshalb, daß er uns wahrscheinlich schon in nächster Zeit verlassen wird. Was dann wieder nachkommt, weiß man nicht.  Was nun die Papiere anbelangt, die ich wegen meiner Anstellung von Dir verlangte, so kann das schon stimmen, was Dur mir in Deinem Schreiben angeführt hattest. Ich weiß aber nicht mehr genau, waren in den vorhergegangenen Schreiben noch andere Anlässe angeführt, die sich auf die Anstellung stützen. Bevor ich meine Zusage zum Übertritt in die Beamtenlaufbahn gab, wurden meines Wissens in den Schreiben der Stadt an mich verschiedene Bestimmungen eingezogen, die sich auf den Werdegang beziehen. Lies doch das bitte noch einmal durch und soweit es sich um etwas anderes handelt und soweit es von Bedeutung sein könnte, kannst Du mir davon Abschrift fertigen und über die Bestimmungen erkundigen. Wie ich Dir schon schrieb, will ich wieder einmal einen Vorstoß unternehmen, sobald das möglich ist. Wie sich das machen läßt, muß ich dann erst einmal sehen.  Daß ich nun nach vor einem Jahr abgelegter Prüfung ewig den Assessor bei der Stadt spiele, das kommt wohl kaum in Frage. Da ich keine Möglichkeit habe, meine Kräfte wie andere in der Heimat einzusetzen und die dafür noch befördert werden, ist ja nicht meine Schuld. Ich will aber erst jetzt abwarten, wie die Bestimmungen lauten und was man daraufhin unternehmen kann. Für die gesandten Zeitungen danke ich Dir vielmals. Ich werde sie mir nach und nach vornehmen. Deinem Vater werde ich also, wie ich Dir schon schrieb, „Das Reich“ auferlegen. Dann brauchst Du mir das nicht mehr schicken. Wegen der Rundschau habe ich Dir schon Bescheid gegeben. Ich hoffe, daß Ihr gesund seid, denn ich müßte mir sonst Gedanken machen. Ich glaube aber, daß das nicht notwendig sein wird. An Vater und an Kurt richte bitte Grüße aus. Ihr selbst seid aber recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.

Meine liebste Annie !                                                   13.6.42 
    
Etwas mehr wie eine Woche trennen uns von dem Jahrestag, an dem Deutschland in den Krieg mit Rußland eintrat. Ich erinnere mich noch gut, wie wir an dem Sonntagmorgen in Frankreich die Proklamation des Führers im Radio mit anhörten, und wie man dann mit Spannung in den darauf folgenden Tagen auf die ersten Ergebnisse wartete. Welche Ausmaße und welche Härte die Kämpfe annehmen würden, konnte man sich damals nicht so leicht vorstellen. Bei der Stärke unserer Wehrmacht und deren Schlagkraft hatte man sich das anfänglich anders vorgestellt. Daß wir auf Sicherung gekämpft haben, leuchtet jedem jetzt ein, nachdem man die tatsächliche Stärke des Gegners hat zu spüren bekommen. Ein Winter liegt nun wieder hinter uns, der für mich nun nicht so hart war wie für die Kameraden, die schon seit Anfang dabei sind. Vor einem Jahr hätte ich mir das jedenfalls nicht räumen lassen, daß ich einige tausend Kilometer weiter östlich sein werde. Wir warten weiter, bis es wieder vorwärts geht. Von der Heimat geht es zwar immer weiter weg, aber dem Ende kommen wir damit bedeutend näher.  Von der Antwort aus Großrosenburg hatte ich Dir wohl noch nicht geschrieben. Die konnten mir nichts weiter angeben. Sie haben nochmals das Geburtsdatum der Dorothea Wahrlich mit dem 12.5.1740 festgestellt. Weitere Neuigkeiten gab es dort also nicht. Es wurde mir noch geschrieben, daß ich mich nach Gramsdorf wenden sollte, wenn ich Weiteres wissen wollte. Wie er nun darauf kommt, daß ich mich wieder nach Gramsdorf wenden soll, kann ich mir noch nicht erklären. Sobald ich auf meinen anderen Brief aus Gramsdorf Antwort habe, werde ich wieder dorthin schreiben. Die anderen haben nur immer das geschickt, was ich speziell angefordert hatte. Meine Anfrage ging aber noch darüber hinaus. Da haben die Brüder offenbar Angst gehabt, daß sie ihr Geld nicht bekommen, wenn sie mehr leisten. Ich habe ja gleich wieder geschrieben. Jetzt will ich sehen, was sich dann weiter ergibt. Diesen Spaß kann ich mir ja jetzt leisten, denn mein Geld kann ich doch nicht so brauchen, wie in Frankreich, weil die Verpflegung ausreichend ist., und weil man hier nirgends hingehen kann. Einkäufe kann man nicht machen, das habe ich Dir schon wiederholt mitgeteilt, so daß ich tatsächlich Geld für diese Zwecke übrig habe. Wenn man sich auch ab und zu ein paar Eier kauft, so fällt das nicht weiter ins Gewicht.  Gestern habe ich, wie ich Dir schon angekündigt hatte, von Wodka Eiercognac gemacht. Ich hatte sogar etwas Zucker bekommen, so daß ich dies schon entsprechend probieren konnte. Ich habe extra den besseren Wodka für Dich genommen. Für jede Flasche habe ich 7 ½ Eier genommen. Es sind mehr Eier drin wie Alkohol. Der Alkoholgehalt ist fast unbedeutend. Schätzungsweise 20%. Wenn Du den trinkst, schadet Dir das bestimmt nicht. Du wirst noch etwas Zucker dazutun müssen. Wenn Du etwas Schokolade hineinreibst und vielleicht etwas Vanillinzucker nimmst, bekommt das noch einen besseren Geschmack. Die Eier sind alle frisch, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen, daß es etwa nicht genießbar wäre. Ich denke, daß der Alkohol die Eier drin vor dem Verderben schützt.  Probiere einmal und teile mir bald Deine Meinung darüber mit.  Wenn Du den Kindern noch etwas Milch dazu gibst, können sogar die Kinder das trinken. Weil ich gerade Schokolade mit erwähnte, muß ich Dir noch mitteilen, daß ich wohl wieder eine Tafel für Euch zurückgelegt habe. Kürzlich wurde aber eine halbe Tafel zugeteilt, die habe ich zwischendurch gegessen. Wenn ich aber wieder welche erhalte, dann gehört die selbstverständlich Euch.  Ich weiß wohl, daß Du nicht darauf wartest, aber wenn ich sie Euch schicken kann, dann macht Ihr mir eine Freude damit, denn man hat hier doch nichts weiter. Du weißt ja, daß mir sonst nichts fehlt.  Morgen ist sicherlich wieder Posttag. Ich hoffe, von Dir wieder Nachricht zu bekommen. Man muß sich mit dem Warten hier einrichten. Recht herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein immer an Dich denkender Ernst.

Brief 277 vom 11.6.1942


Mein lieber Schatz !                                                      11.6.42            
Von was soll ich Dir heute erzählen. Deine lieben Briefe habe ich schon soweit beantwortet, daß ich eigentlich nichts zu schreiben hätte. Da ich aber das schlecht machen kann, das weißt Du ja wohl. Daß ich aber nur schreibe, damit wieder etwas geschrieben ist, sondern daß ich schreibe, um mich mit Dir über Dinge zu unterhalten, die mich interessieren und bewegen, das war schon immer mein Prinzip und das weißt Du ja selbst. 
Auf Deine letzten Schreiben kann ich aber nochmals eingehen, weil verschiedene Sachen dabei sind, die man nochmals durchsprechen kann. Daß  ich auch täglich an Euch denke dafür sorgt schon das Bild von Dir und die der Kinder, die ich bei mir auf dem Schreibtisch stehen habe. Soweit von Dir Lebenszeichen eingehen, werde ich immer wieder an Dich erinnert. Es ergibt sich aber fast jeden Tag das eine oder andere, was mich auch immer wieder an Dich denken läßt. 
Daß ich aber sehr oft an Euch denke und mich mit Euch verbunden fühle, darauf kannst Du vertrauen. Daß ich mich besonders jetzt wieder, nachdem Post ziemlich regelmäßig eingeht, mit der Heimat verbunden fühle, ist ohne weiteres erklärlich. Ich kann Dir sagen, daß es mir eine Erleichterung war, als die ersten Briefe von Dir eintrafen, denn ich habe mich die ganze 8 Wochen fast wie abgeschnitten gefühlt. Ich wußte, daß ich damit rechnen mußte, aber die Zeit wurde einem doch zu lang, und man fing dann an langsam ungeduldig zu werden. Aber ich freue mich heute noch darüber, daß ich trotzdem jeden Tag an Euch und dann wieder besonders an Dich gedacht habe, indem ich Dir jeden Tag geschrieben habe. Ich konnte mir jedenfalls vorstellen, wie Du gewartet haben würdest, wenn ich während dieser Zeit nicht geschrieben hätte. Froh bin ich, daß man noch ungehindert soviel schreiben kann, wie es einem beliebt. Wenn zwar Einschränkungen verlangt würden, würde man das auch noch auf sich nehmen, wenn es auch bitter genug für uns wäre. 
Ich habe hier jetzt wieder viele Eier und auch Wodka habe ich noch da. Alles kann ich nicht für mich verwerten. Vor allem auch deshalb nicht, weil ich keinen Zucker hier habe. Ich mache deshalb einige oder einige Flaschen fertig, in die ich genügend Eier hineinschlage. Das andere Ei kannst Du Dir dann selbst daheim machen. Ich würde gern die Eier so Dir mitschicken, aber bis sie daheim sind, sind sie alle verdorben. Es geht nur auf diese Art.
Mit dem Mehl habe ich bisher noch nichts weiter machen können, aber das ist nicht immer so einfach, weil man doch immer erst wieder andere Leute bitten muß. Zur Stärkung kannst Du das Zeug aber ruhig trinken, denn bei der Verdünnung ist der Alkoholgehalt nicht mehr sehr groß, daß er Dir schaden könnte oder daß Du es nicht trinken könntest. Ich hoffe, daß ich Dir nicht zuviel zumute und daß Deine Zuckervorräte dadurch ernstlich angegriffen werden. 
Die weitere Impfung haben wir heute auch wieder bekommen. Das geht alles so automatisch und man gewöhnt sich an all diese Sachen, daß man meint, das gehört nun einmal zum Soldatenspielen. Die vorhergehenden Briefe hatte ich zusammen mitgegeben, denn ein Kamerad hatte sie mitgenommen, der in Urlaub fuhr. In den nächsten Tagen schreibe ich mit Luftfeldpost, dann hast Du auch schon wieder einmal eher Nachricht.  Heute grüße ich Dich vielmals und sende Dir und den Kindern ebenfalls viele Küsse. Dein viel an Dich denkender Ernst.

Brief 276 vom 10.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                                  10.6.42         

Herzlich danke ich Dir für Deine beiden Briefe vom 27. und 28.5., den 4 Zeitungen von Dir. Dann bekam ich von Deinem Vater einen Brief, dem er Briefumschläge beigefügt hatte, von Nannie Zeitungen und Brief mit Briefumschlägen, von der Zahlmeisterei meiner früheren Dienststelle ein Antwortschreiben, Dr.Thomas antwortete mir auf meinen Brief und vom Pfarramt in Großrosenburg eine Antwort. Das ist doch genügend Post.
Ich konnte nicht einmal alles gleich lesen, weil die Post kurz vor Dienstschluß kam, dann war für uns die am Sonntag ausgefallene Kinovorstellung gestern Kino. Diese Vorstellung habe ich besuchen wollen, denn man sieht hier ja sonst nichts weiter. Die gezeigte Wochenschau hatte ich in meinem Urlaub zweimal in Konstanz gesehen. Dann zwei weitere Male im Westen. Da kannst Du Dir vorstellen, wie weit wir hinter dem Monde hier sind.
Als Spielfilm wurde „Das weiße Rößl“ gespielt. Es war an sich ein Schmarren, aber wenn man nichts besseres hat, gibt man sich auch mit dem zufrieden.
Wie ich aus dem Schreiben von Tommi herauslese, ändern sich die Verhältnisse immer mehr. Auch ein Kamerad, der bisher in der Verwaltung in Frankreich gearbeitet hat, spricht schon davon, daß die zivile Wirtschaftsverwaltung auf die Franzosen übergehen soll. Thomas schreibt, daß bereits die Kraftfahrzeugzulassungen abgegeben worden seien. Mein Freund Miller aus Douai, der frühere Kriegsverwaltungsrat, würde jetzt diesbezüglich schon tätig sein.  Er hat den Tommi mit einspannen wollen, was er aber abgelehnt hat.
Wenn Du mir in Deinen letzten Briefen vorwiegend von der Gartenarbeit erzählt hast, dann ist das nur verständlich, hast Du doch jetzt neben Deiner üblichen Hausarbeit vorwiegend im Garten zu tun.
Daß Kurt in Karlsruhe ist, hat mir Nannie auch in ihrem Brief mitgeteilt. Wahrscheinlich wird er jetzt daheim auf Urlaub sein. Von Wittenburg habe ich auch noch keine Nachricht. Mit dem Geld mußt Du eben solange warten, bis er Bescheid gibt. Daß Dir die Stiefel bis auf die Schäfte passen, ist ja gut. Daß Du aber so viel stärkere Waden haben sollst wie ich, kann ich mir nicht vorstellen. Wenn man sie gut umarbeiten lassen kann, hättest Du etwas für den Winter anzuziehen. Du mußt Dich einmal erkundigen, ob Dir das jemand macht. Daß Du den Krampf bekommst, will ich ja nicht haben.
Wegen der Butterdose weißt Du ja Bescheid, daß ich mir hier eine von der Einheit geben lassen will. Wenn der Schinken nicht umkommt und sich noch so verwerten läßt, ist es auch recht.  Nur nicht schlecht sein soll er, das wäre schade darum, vor allem, wo jetzt alles so rar ist. Daß jetzt sogar der Bezug von Magermilch eingeschränkt wird, ist ja bedauerlich. Bis jetzt hast Du immer noch etwas für die Kinder gehabt. Vor allem, wenn du Pudding oder etwas ähnliches für die Kinder machen wolltest. Man merkt an allem die Länge des Krieges. 
Wenn Siegfried jetzt auch herausgezogen werden sollte, würde ihm das am Anfang auch hart ankommen, denn er ist doch schon ziemlich lange mit seinen Kameraden beieinander. Er ist ja nicht der Kerl, der sich gleich unterkriegen läßt, dann würde er es auch bald überwinden. Ich würde ihm seine bisherige Tätigkeit gern gönnen, aber die Notwendigkeiten und Anforderungen des Krieges sind eben größer.
Aus dem Brief Deines Vaters merkt man direkt heraus, daß er aufatmet, daß das für ihn unangenehme Thema in eine Bahn gelenkt ist, die für ihn nicht mehr belastend wirkt. Im allgemeinen weiß er, was wir in der Sache denken und das war ja doch mehr oder wenige der Zweck unserer Entgegnungen. Wenn wir gleich am Anfang zu allem Ja und Amen gesagt hätten, so hätte er gedacht, daß das alles in bester Ordnung sei.
Für Jörg hat er  auch wieder einige Sachen gekauft, die, ich denke, ihm sicher Spaß machen. Daß ich nun die hiesigen Verhältnisse als gut befunden habe, dürfte wohl etwas übertrieben sein, was er da schreibt. Ich glaube aber, daß er sich nur falsch ausgedrückt hat.  Bei den vielen Sachen, die ich gestern bekommen hatte, hatte ich fast vergessen mitzuteilen, daß ich auch noch Dein Päckchen mit Pralinen erhalten habe. Ich danke Dir vielmals und herzlich dafür.
Ich weiß, daß Ihr das gern gebt, doch ich möchte nicht haben, daß Ihr Euch etwas abspart. Solange ich hier noch so verpflegt werde wie bisher, fehlt mir eigentlich nichts. Heute gebe ich nun meinen Brief einem Urlauber mit.  Ich grüße Dich und die Kinder recht vielmals. Richte bitte an Vater ebenfalls viele Grüße aus und falls Kurt daheim sein sollte, ebenfalls. Dich grüßt und küßt recht oft und herzhaft Dein Ernst.

Freitag, 9. Juni 2017

Brief 275 vom 9.6.1942


Meine liebe, beste Annie !                                                            9.6.42     
      
Ich schreibe heute gleich weiter, weil ich diesen Brief einem Kameraden mitgeben will. Es hat dann keinen Zweck, daß ich diesen Brief vorher absende, denn er ist ja zur gleiche Zeit da.  Ich freue mich, wenn ich immer wieder lesen kann, daß Helga wie Jörg jeder auf seine Art Dir mithelfen. Helga macht sich immer mit in der Küche nützlich. Daß sie das tut, ohne daß Du sie erst dazu anhalten mußt, ist sehr zu begrüßen, denn sie macht es dann mit viel mehr Liebe und wenn kein Zwang dahintersteckt, lernt sie dann alles viel besser. Jörg geht nun mehr mit in den Garten.  Das entspricht ja ganz und gar dem, was man der natürlichen Veranlagung nach verlangen könnte. Daß er nicht schon wie ein Erwachsener schaffen kann, das ist ja ohne weiteres verständlich. Dir wird es aber auch kurzweiliger, wenn Du jemand bei Dir hast. Spaß hat er offenbar an dieser Arbeit, dann ist ja beiden Teilen geholfen.
Ich kann mir vorstellen, daß das für Euch eine nette Überraschung war, als Du und Jörg von der Gartenarbeit heimkommt, Helga hatte schon den Kaffeetisch fertiggemacht und Ihr konntet gleich frühstücken. Jörg macht das im allgemeinen nicht viel aus, wenn er einmal früher aufstehen muß. Ich weiß noch zu gut, wie er manchmal nachts munter wurde und gleich hellwach war. Genau so erfreulich ist, wenn Jörg sich mit seinem Metallbaukasten so schön beschäftigen kann. Daß er die Sachen ohne große Unterweisung geschickt anpackt, macht Dir sicher genau soviel Freude, denn Du siehst es ja selbst, wie mir, wenn ich es aus Deinem Briefe lesen kann. 
Die von Dir gesandten Briefumschläge hebe ich noch auf, denn solange ich diese noch verwenden kann, spare ich diese. Wenn sie noch ordentlich bei Dir ankommen, dann haben sie ja ihren Zweck erfüllt.
Mit der Angst wegen den weiteren Geldsendungen war das nicht so gemeint. Ich nehme zwar an, daß Du das auch nicht so wörtlich aufgefaßt hast. Für unsere Gesundung will man ja auch alles tun. Ob es zwar immer das richtige ist, weiß ich auch nicht genau. Erst wurden wir gegen Cholera geimpft, gegenwärtig bekommen wir wieder 3 Spritzen gegen Ruhr. Nebenher bekommen wir jeden Abend eine Tablette gegen Malaria. Die Impfung ist nicht schön und die Tabletten schmecken ekelhaft bitter. Es kann sein, daß ich, wenn ich diese Impfung wieder hinter mir habe, noch einmal eine Spritze gegen Typhus bekomme. Dann habe ich wieder die ganze Auslese beieinander.  Drüben im Westen sind wir im großen und ganzen von diesem Dreckzeug verschont worden, hier wird aber das Versäumte doppelt und dreifach nachgeholt. Aber da hat das ganze Sträuben keinen Zweck, man muß eben mitmachen. Die Tabletten nehme ich ja nur einen Abend um den anderen. Mückensalbe habe ich mir auch beschafft, ich denke, daß das auch etwas mithilft. 
Ich hatte Dir doch wohl geschrieben, daß ich aus Zerbst in der Familiensache wieder 4 Urkunden erhalten habe. Das ist aber nur ein Teil von dem, was ich haben wollte. Ich habe inzwischen schon wieder hingeschrieben. Außerdem noch nach Nimburg und nach Stechau. Ich denke, daß ich noch einen schönen Teil zusammenbringe. Bis jetzt habe ich bis Nr. 15 alles beieinander, außer bei Nummer 11 das Sterbedatum. Vielleicht gelingt es mir, bis 31 alles zusammenzubringen und in der Hauptlinie etwas weiter zu kommen. Manchmal merke ich, daß mir die Unterlagen fehlen, aber ich hoffe, mich schon durchzufinden. 
Daß das erste Päckchen eingetroffen ist, freut mich. Wie die Butter aussehen wird, bin ich ja auch gespannt. Daß Du nicht auf einmal einige Schachteln Inspiroltabletten bekommst, kann ich mir denken. Die mitgesandten habe ich schon probiert, man kann sie nehmen. Daß Du nun Deine eigenen hergibst, ist ja nicht notwendig, aber ich kann es nun nicht mehr ändern und danke Dir deshalb dafür.
Daß der Brief an Deinen Vater von Dir besser gewesen sein soll wie die anderen, kann ich mir auch nicht erklären. Ich bin jedenfalls auch verwundert gewesen, als ich sein Antwortschreiben gelesen hatte. Ich muß schon sagen, Dein Vater erscheint mir unberechenbar. Daß ich mit dem einverstanden war, was Du bisher in dieser Sache geschrieben hast, hast du ja aus meinen vorherigen Briefen gesehen. Ob Siegfried damit einverstanden ist, weiß ich zwar nicht, aber uns kann er nicht Gram sein, denn wir haben an unserer Haltung nichts weiter geändert. 
- Schluß fehlt -

Brief 274 vom 8.6.1942


Meine liebe Annie !                                                               8.6.42    
 
Gestern war Sonntag. Am Vormittag hatten wir wie üblich gearbeitet. Der Rest war dann regelrecht verregnet. Da kannst Du Dir denken, wie schön das hier war. Unser Radio macht ja schon lange nicht mehr mit. Es war einfach wundervoll. Nach dem Essen habe ich mich erst einmal schlafen gelegt. Dann habe ich eine Weile gelesen, später habe ich mich an das Briefeschreiben machen wollen. Ich hatte aber keine rechte Lust, so daß ich nur an den Tommi geschrieben habe.
Ein Kamerad hat mich dann mit ins Kino geschleppt. Wir sind trotz des starken Regens , der die Straßen wieder unergründlich gemacht hat, losgezogen. Als wir hinkamen, konnte wegen Unterbrechung der Lichtleitung erst nicht gespielt werden. Aber auch nach längerem Warten wurde nichts daraus. Dann sind wir wieder heimgegangen. Daheim brannte auch kein Licht. Es war ein ausgesprochen trostloser Sonntag. Heute regnet es zwar nicht, aber der Sturm, der seit gestern herrscht, hat noch nicht nachgelassen.
Heute früh erhielt ich nun Deine Briefe vom 13., 25.und 26.5., für die ich Dir wieder recht herzlich danke.  Obwohl Du den ersten Brief noch abends zur Post getan hast, hat es bald einen Monat gedauert, bis er ankam. Bei diesen Entfernungen hat das nicht viel zu bedeuten. Ich denken, daß es deshalb nicht notwendig ist, daß Du extra nachts noch los gehst, um den Brief wegzuschaffen. Ich weiß zwar, daß man erst froh ist, wenn der Brief fort ist.
Ich bin ja schon so lange Zeit von Deutschland weg. Ich weiß, wie wir nach Frankreich kamen, wie wir immer wieder feststellen mußten, das und das ist schöner, und das und das ist ordentlicher bei uns. Hier fängt man nun an zu vergleichen und sagt, dieses und jenes war sogar in Frankreich besser wie hier und in Bezug auf Kultur oder sonstige Einrichtungen war es sogar dort drüben noch anders. Man wird es als eine Wohltat empfinden, wenn man wieder einmal in Deutschland leben und arbeiten kann. Es wird zwar nach dem Krieg auch manche Widerwärtigkeiten geben, doch mit diesen wird man auch wieder fertig werden.
Daß Du mir jetzt immer Briefumschläge mitschickst ist sehr nett von Dir. Solange ich aber noch das Papier dazu habe, werde ich diese verwenden, denn Du wirst auch nicht gleich welche daheim bekommen. An die 60 Stück habe ich noch da, das reicht noch ein Weilchen. Die gesandten hebe ich mir noch für später auf.
Wegen des Geldes haben wir uns schon recht verstanden. Ich weiß ja, daß Du das Geld bisher für mich immer zur Verfügung hattest. Das ist aber, bis auf die Bezahlung der Schulden an Henkes nicht mehr notwendig, denn ich komme reichlich mit dem aus, was ich habe. 
Daß Du die Kohlen jetzt bestellen kannst, ist ja wieder fein. Die Bezahlung macht ja keine Schwierigkeiten mehr, wie in den früheren Jahren. Daß Ihr nicht einmal mehr Süßstoff bekommt, ist ja bedauerlich. Das war Dir doch bisher immer zur Zuckerung eine gute Hilfe. Dann bin ich doppelt froh, daß ich Euch die kleine Reserve mit schaffen konnte. 
Daß Ihr bei Eurem Ausflug hinter den Fürstenberg und auf den Fürstenberg am 2. Feiertag an mich so lieb gedacht habt, hat mich sehr gefreut. Den Ausblick über das Ried bis über den See an die Schweizer Buckel habe ich plastisch vor mir. Ich sehe genau, wie von Singen her die Eisenbahn kommt. Oder eine andere dampft ihr aus der Stadt entgegen. In der Ferne blauen die Alpen mit ihren schönen Firnen. Über allem hängen flockige Wolken. Ja und dann der Blick hinunter zum Hegau.  Ach, wie habe ich früher immer diesen Blick genossen. Zwischen der Schweiz und dem Hegau liegt zur Teilung des ganzen der See mit der Insel Reichenau. Wenn man auf der Fahrt nach Hegne aus dem Wald herauskommt, ist am frühen Morgen auch so ein schöner Ausblick. Auf den freute ich mich auch immer so und ich bin manchmal, wenn ich auch nicht ganz so weit zu fahren hatte, besonders nochmals an diese Ecke gefahren. Jetzt habe ich die Bilder bei mir hängen. Sie zeigen mir aber immer wieder, wo meine Gedanken auch suchen sollen. Auf dem einen Bild ist der Bodanrück drauf, dann kann ich mir immer sagen, hinter dem Buckel, da steht das Haus.  Die Wirklichkeit wäre mir zwar lieber. 
Einige Sachen habe ich mit beigefügt, die Du mit aufheben kannst. Es macht ja ein bißchen mehr oder weniger Papier auch nicht mehr aus.

Brief 273 vom 7.6.1942


Mein liebes Mädel !                                                                          7.6.42     
         
Zum Wochenende erhielt ich gestern Abend einen Brief von Dir vom 24.5.
Wegen des festen Arbeitsgebiets hatte ich Dir ja schon gestern noch einmal geschrieben. Das hat sich also schon wieder erledigt mit der Bearbeitung der Steuersache, aber während dieses einen Monats habe ich es zur Zufriedenheit erledigt, das genügt mir.
Was Deine Frage wegen des Wetters betrifft, so kann ich sie nur dahin beantworten, daß es von einigen heißen Tagen abgesehen ziemlich normal ist. Seit gestern regnet es, und damit ist die Hitze schon wieder weg. Wir haben einige Tage wohl ziemlich schwitzen müssen. Aber man gewöhnt sich an alles, selbst in der für diese Jahreszeit dicken Uniform.
Bis meine Post bei Euch eintrifft, hat sich ja immer verschiedenes geändert, sobald der Regen vorbei ist, wird es gleich wieder recht warm sein. Das Wetter ist so richtig zum Wachsen geeignet. Die Sachen schießen nur so aus dem Boden. Ich habe jetzt beobachtet, wie jemand vor wenigen Tagen ein Stück Feld fertiggemacht hat. Schon nach kurzer Zeit kamen da die Bohnen heraus. Was dann aber herausgekommen ist, das schießt nur so in die Höhe.
Bis zum Abgang Deines Briefes hast Du noch keine neue Anschrift von Kurt gehabt.
Daß das Pfingstwetter bei Euch auch so unfreundlich war wie hier, ist weniger schön. Wenn Du aber etwas zu lesen bekommen hattest, dann ging es ja noch. Dein Vater hat also die beiden Bücher, die ich in Leipzig gelesen hatte, auch noch mit zurückgesandt. Nun wäre also soweit alles angekommen, was ich dort drüben gehabt hatte.  Hoffentlich sind sie noch in Ordnung, denn ich hatte sie ihm noch ganz sauber übergeben. Für das Buch werde ich mich auch bei Siegfried noch bedanken. Daß Erna Dir noch schreiben will, ist ja recht.
Doch nun sind wir wieder bei dem leidigen Thema, Deines Vaters Heiratsangelegenheit. Du bist also nochmals darauf eingegangen, und ich sehe wieder, daß sich unsere Ansichten genau decken. Ich habe genau das gleiche empfunden, als ich den Brief Deines Vaters las. Aber noch krasser kommt alles zum Ausdruck in dem Brief vom 25.5., den er an Dich gerichtet hat. Mir gegenüber hat er ja auch geäußert, und das habe ich Dir auch in meinem ersten Schreiben an Dich, als ich mit ihm darüber gesprochen hatte, erwähnt, daß er nicht vor Ende des Krieges heiraten würde, weil er Siegfried die Gewißheit lassen wollte, daß seine Sachen in Ordnung gehen. Aber aus allem lese ich immer wieder heraus, dieses Fräulein hat schon so einen großen Einfluß auf ihn gewonnen, daß Erna ganz und gar an die Wand gedrückt wird. Daß sie sich mehr und mehr von ihm abwendet, halte ich für ganz selbstverständlich. Ich versuche, die Dinge ohne Voreingenommenheit zu betrachten, komme aber immer wieder zum gleichen Schluß, daß Dein Vater die Ursache  der Entfremdung bei sich suchen muß. Ich kenne zwar Erna zu wenig, um mir über sie ein endgültiges Urteil machen zu können, ich denke aber, daß meine Einschätzung  richtig ist. 
Die Widersprüche Deinem Vater auseinander zu setzen, hat wirklich keinen Wert denn ich sehe auch, daß es hier besser ist, wenn der Klügere nachgibt. Wenn Dein Vater die Absicht hat, nach Konstanz zu kommen und Dir es recht ist, soll es mir auch gleich sein, aber das kommt nur in Frage, wenn er ohne diese Fräulein kommt. 
Daß er sich mir gegenüber früher in so scharfer Form und so ablehnend verhalten hat, hat er scheinbar vergessen und ich habe das bisher ganz außer Acht gelassen. Wenn er außerdem noch mitteilt, daß er die Entwicklung der Dinge damals noch nicht überblicken konnte und deshalb diese Entschlüsse habe fassen müssen, wer sagt dann, daß er bei anderer Gelegenheit nicht andere Ansichten bekommt, wenn die Zeit weitergegangen ist. Da wir keinen besonderen Wert auf die Erbschaft legen und daß wir vielleicht deshalb uns so gegen alles wehren würden, haben wir ihm oft genug auseinandergesetzt, daß dafür gar keine Gründe von unserer Seite vorhanden sind. Denn wir sind nicht darauf angewiesen. 
Daß das erste Päckchen gut eingetroffen ist, freut mich, hoffentlich kommt das andere Zeug auch gut an. Herzliche Grüße und viele Küsse sendet Dir und den Kindern Dein Ernst.

Brief 272 vom 6.6.1942


Meine liebe Frau !                                                               6.6.42   
         
Bald bin ich mit der Beantwortung Deiner Briefe durch. Gestern bekam ich Deinen lieben Brief vom 23.. Herzlichen Dank dafür.
Daß Du Dich gewundert hast, daß es hier sogar WC gibt, kann ich mir wohl vorstellen. Wie ich aber bei meinem letzten Besuch feststellen konnte, ist es dort auch bald aus mit der Herrlichkeit, denn die meisten sind unbrauchbar. Nicht etwa, weil deutsche Soldaten diese sonst so praktische Einrichtung benutzen, sondern weil alles durchgerostet ist. Das Erlebnis, das Du da von anderen Soldaten gelesen hast, kann also dort auch eines Tages raue Wirklichkeit werden. Darüber habe ich mich nun nicht mehr gewundert, daß es anderen so unglücklich ergangen ist. 
Waren das die Briefmarken vom Generalgouvernement, die ich Dir gesandt hatte, oder sind die nicht eingetroffen. Die Butter ist hoffentlich nun bei Dir eingetroffen. Gespannt bin ich, in welchem Zustand.
Daß Du in letzter Zeit wieder besonders das Verlangen gehabt hast, Dich auszusprechen, kann ich Dir nachfühlen, denn die Geschichte mit Deinem Vater macht mir ja schon Sorgen.
Die Storchennester muß ich wieder einmal besuchen, denn ich war in den letzten Tagen nicht wieder dort. Vielleicht haben sie schon Junge. Daß die Beschaffung der Zeitungen nicht ganz so einfach ist, weiß ich, denn die Händler bekommen über das Kontingent der Abonnenten hinaus nur noch eine bestimmte Anzahl. Wenn Du mir nun nicht laufend Zeitungen schickst, so habe ich ja schon Verständnis dafür. Ich werde sowieso einen Kameraden in Frankreich bitten, mir ab und zu eine Brüsseler Zeitung und eine französische Zeitung zu senden. Ich bin dann voll mit Lesestoff versehen, wenn ich da auch noch etwas bekomme. Ich will darum auch nicht schimpfen, wenn jetzt von Dir einmal mehr Zeitungen kommen. Ich glaube aber, daß es nicht nötig ist, wenn Du die „Bodenseerundschau“ für den nächsten Monat wieder voll bestellst. Es genügt mir, wenn Du in der Woche ein oder zwei Zeitungen schickst.
Dein Vater hat ja auch etwas tun wollen, wie er es in seinem letzten Brief angedeutet hat. Ich werde ihm schreiben, daß er mir „Das Reich“ senden soll, dann bin ich aber wirklich restlos eingedeckt. 
Wie ich sehe, hast Du schon ganz nette Ersparnisse gemacht. Das macht Dir Freude, wie ich aus Deinem Brief entnehme. Im allgemeinen ist meine Arbeit bis jetzt hier schon anerkannt worden. Durch das Eintreffen eines neuen Inspektors muß ich jetzt wieder die Bearbeitung der Steuersachen abgeben. Ich habe während dieser Zeit gezeigt, daß ich mich vor keiner neuen Aufgaben fürchte und daß ich sie immer zur Zufriedenheit erfüllt habe, ein Zeichen dafür, daß ich es weitermachen muß.
Wegen der Flugfeldpost hatte ich Dir schon geschrieben. In den nächsten Tagen werde ich einmal einen Brief absenden, denn wir bekommen bald wieder neue Marken. Ich hatte nur gedacht, wenn man einmal etwas Eiliges mitzuteilen hat, dann ist das gerade recht.
Daß die Ferien so gekürzt sind, wird den Kindern wohl nicht ganz in den Kram passen, aber ich denke, daß es notwendig ist, nachdem sie den ganzen Winter über nichts gelernt haben. Den Garten hast Du ja gut in Schuß, wie ich aus Deinen Zeilen immer wieder lesen kann. Mit den Setzlingen bist Du offenbar auf dem Laufenden.
Das hat mir gefallen, daß Ihr am Pfingstsamstag einmal ausgegangen seid. Das kannst Du Dir doch schon einmal leisten im Monat. Den Kindern hat das sicherlich zugesagt. Ich bin wohl erstaunt aber gleichzeitig auch erfreut über dich, aber böse bin ich deshalb bestimmt nicht. Daß Du die Übermittlung der üblichen Grüße für die Feste des Jahres unterläßt, wird mir ja langsam zur Gewohnheit . Ich nehme sie als gegeben hin. Ob das wieder anders wird?
Daß der Brief dieses Mannes vom Vater von Alice kam, erfuhr ich durch Erna in Leipzig, doch ich hatte es wirklich vergessen, Dir mitzuteilen. Daß das Dein Vater nicht gewußt hatte, war mir nicht bekannt. Daß Dein Vater mit ihr gleich Schluß macht, entspricht seinem Wesen. Es hat deshalb keinen Zweck, ihm da hineinzureden. Uns kann das nicht kümmern, wir müssen das tun, was wir für richtig halten.
Über den Wiesenstrauß von Jörg wirst Du Dich sicher gefreut haben. Ich weiß, daß ich das auch immer gern getan habe, als ich Junge war, doch bei uns hatte man nicht so die Möglichkeit dazu. Ich wollte doch früher immer einmal Gärtner werden.
Nun bin ich aber wo anders gelandet und fülle meinen Poste auch aus.  Nun bin ich wieder am Ende des Briefes und fast am Rande meiner Weisheit für heute.  Recht herzliche Grüße und viele Küsse sende ich Dir und den Kindern. Dein Ernst.

Brief 271 vom 5.6.1942


Meine liebste Annie !                                                                           5.6.42        
 
Bevor ich mich an die Beantwortung des ganzen gestrigen Postsegens mache, will ich Dir erst einmal kurz von gestern hier berichten. Unser Oberrat hat uns gestern Abend, also den anderen Assistenten und mich, zu sich eingeladen. Ich fand das sehr nett von ihm. Er hat dann eigens zu diesem Besuch seine Flasche Benediktiner geöffnet, die eigentlich erst für einen anderen Zweck gedacht war. Wenn man sonst hier nichts weiter hat als die Arbeit, dann freut man sich, wenn man sich nett unterhalten kann und dabei auch etwas Angenehmes zu trinken bekommt. Wir sind sogar über den Zapfenstreich ausgeblieben, was hier im allgemeinen nicht so einfach ist, wie das in Frankreich der Fall war. 
Heute komme ich erst am Abend dazu, Dir weiter zu schreiben, was bis jetzt immer im Dienst so nebenher möglich war. Ich bin aber gegenwärtig so mit Arbeit zugedeckt, daß mir die Zeit nicht mehr reicht. Man hat mir noch mehr Sachen übertragen, doch jetzt muß ich einmal Halt sagen, sonst wird es zuviel.
Neben der Bearbeitung der Steuern, die mein Vorgänger ausschließlich allein bearbeitet hat, habe ich jetzt noch die Arbeitertransporte nach Deutschland, dann Erfassung der Handwerker und die weitere Behandlung und Durchführung der Verordnungen, dann Überwachung der Druckereien. Es ist viel damit zu tun, aber der Tag geht wenigstens dabei herum.
Mit dem Schuhausbessern hast Du auch immer wieder Deine Arbeit. Die Kinder sind immer fleißig, damit die Sachen kaputtgehen. Aber auch mit dem Garten kommst Du in Bezug auf Arbeit nicht zu kurz. Tomaten hast du nun auch gesetzt; hoffentlich bekommt Ihr dann auch entsprechend eine große Ernte.
Daß Jörg so das Zeug verkitscht zeugt ja davon, daß er ziemlich lebhaft ist, doch es ist schon gut, daß Du ihn dabei etwas überwachst, denn alles soll er nun nicht vertauschen, sonst führt das zu weit. Die Zankangelegenheit wegen der Gardinen ist schon ärgerlich, ebenso mit dem Schwer. Die Brüder sollten sich doch einmal jahrelang hier draußen herumdrücken müssen, dauernd weg von ihrer Familie, dann wollten wir einmal sehen, wie sie ihre Schnauze verreißen würden. Aber ich sage mir, wir haben uns dafür angestrengt, bis wir das erreicht haben, was jetzt daheim ist.  Daß es immer wieder Neider gibt, das kann man nun einmal nicht ändern. Wir für unseren Teil haben uns immer bemüht, anderen das neidlos zu lassen, was sie hatten. Am besten ist es wohl, man hört nicht darauf, denn wenn man diese Leute gerichtlich belangen will, kommt man doch nicht zu dem Ziel, daß sie ihre Schnauze für immer halten, und man hätte nur noch die Kosten und den Ärger dazu. Darum ist es am besten, man läßt die Leute ganz beiseite liegen und sieht sie nicht. Bei dem Geisteszustand und der Primitivität dieser Menschen kann man da nicht viel anderes verlangen, aber machen wir es deshalb umgekehrt wie sie es wollen, freuen wir uns über ihren Ärger, denn das ist uns ein Zeichen dafür, daß wir unsere Sachen in Ordnung haben.
Die Schrift von Helga unter den Briefen ist nicht gerade schön. Schreibt sie denn auf Linien besser und liegt es nur daran, daß sie noch nicht das richtige Größenverhältnis zueinander herausbekommt. Es sieht alles so wacklig aus. Du brauchst ihr es nicht zu sagen, wenn es bei ihren Arbeiten nicht der Fall ist, denn ich weiß, daß sie sich dann grämt. Daß sie aber mit ihren Grüßen mir eine Freude gemacht hat, kannst Du ihnen beiden sagen. 
Für Feuerzeugsteine danke ich Dir recht herzlich. Bis jetzt habe ich sie noch nicht umgewechselt, denn ich will nicht besonders darauf ausgehen. Bis jetzt habe ich gerade noch genug Eier bekommen. Heute Abend habe ich für ein Stückchen Briot vier Eier bekommen, damit leide ich keinen Mangel. Ich werde schon noch Verwendung dafür haben, darauf kannst Du Dich verlassen. 
Die Geschichte mit meiner Beurteilung ist schon eigenartig, doch wenn ich mir das alles nochmals durch den Kopf gehen lasse, so komme ich immer wieder zu dem Ergebnis, daß alles nur persönlicher Haß war, anders kann ich es mir nicht erklären. 
Die Abschriften der Familienforschung „Michel“ habe ich auch erhalten. Ich danke Dir dafür. Ob mir das aber so reicht, weiß ich noch nicht, darüber werde ich in den nächsten Tagen schreiben, teilweise habe ich schon Antworten von den Pfarrämtern erhalten. Wenn Dein Vater die Sachen, die er noch hat, nicht herausgibt, können wir es, so leid es mir darum tun würde, auch nicht ändern.
Für das übersandte Besteck danke ich Dir recht vielmals. Jetzt kann man doch wieder richtig essen. Mit diesem kombinierten Löffel-Gabel-Instrument geht es so zur Not, doch es geht entschieden besser so, da alles nichtrostend ist.  Hast Du schön gemacht, denn man muß sonst so Obacht geben. Das geht manchmal nicht immer so wie man möchte. Wegen der Butterdose hatte ich Dir ja schon geschrieben, daß Du diese nicht mehr kaufen brauchst. 
Wegen der Radioröhren für unseren Apparat muß ich Dir mitteilen, daß ich diese nicht mehr kaufen konnte. Ich glaubte, ich hätte das schon getan. Du kannst aber einmal, soweit das möglich ist, die Nummern und Bestimmungen, die auf diese Röhren aufgedruckt sind, feststellen. Ich werde dann versuchen, mir diese beschaffen zu lassen. Besser ist es schon, wenn noch Ersatzröhren vorhanden sind. Du mußt eben zusehen, wie sich das machen läßt.
Eines bitte ich Dich heute nochmals. Bei den Zeitungssendungen brauchst Du nicht soviel Kleberei zu machen, denn ich zerreiße mir dadurch meist immer die Zeitungen. Daß Du mir gleich für einen Monat die Zeitung bestellt hast, ist wirklich nett, aber mir genügt es schon, wenn ich ab und zu eine von Konstanz bekomme. Es muß nicht sein, daß ich sie laufend erhalte.
Für die anderen Zeitungssendungen ebenfalls herzlichen Dank. Da habe ich wieder etwas zu tun. Für die gesandten Postkarten danke ich Dir ebenfalls. Sie prangen schon über meinem Bett. Da habe ich sie immer vor mir, wenn ich bei uns in der Unterkunft bin.
Daß Ihr an Deinem Ehrentag etwas besser gelebt habt, das kann ich nur verstehen. Wenn Ihr dauernd Eure Lebensweise besser gestalten würdet, hätte ich auch nichts dagegen, wenn es Euch nur die Karten erlauben würden. Daß Du Deine Freude immer an der eigenen Ernte hast, ist auch mir immer wieder eine Freude. Vor allem, wenn ich bedenke, daß wir den Garten noch vor dem Kriege uns zugelegt hatten. Der Ertrag aus dem kleinen Garten hinter dem Haus ist eben doch nicht so groß, daß man den großen Bedarf selbst decken kann. Durch die Erweiterung hast Du doch wieder ein schönes Stück gewonnen, denn dort wird es sicher gut wachsen.  Freie Zeit gönnst Du Dir aber so gut wie gar nicht. Wenn Du nicht im Garten zu tun hast, dann springst Du mit den Kindern in den Wald, um noch Zapfen zu suchen oder Tee zu holen. Ich weiß wohl, daß das unseren früheren Gepflogenheiten entspricht, ich will aber nicht haben, daß Du Dich kaputt machst. Ich will Dich immer und immer wieder mahnen, das Du für uns da bist und Dich auch entsprechend halten mußt, daß Du uns gesund bleibst. Wenn Du aber Freude an den Waldgängen hast, dann mache sie bitte weiter, ich will Dir nur nichts in den Weg legen.
Daß Ihr die Beobachtung im Wald machen konntet, ist ja auch interessant für die Kinder gewesen. Wenn man diese Sachen in der Natur sieht, prägt sich das viel besser ein, wie wenn sie ihr Wissen aus Schulbüchern allein sammeln müssen.
Für die mitgesandten Grüße aus dem Wald danke ich Euch recht herzlich. Der Waldmeister duftet jetzt noch ganz stark.  Warm muß es doch einmal werden. Man meint aber immer, es muß erst eine längere Übergangszeit kommen. Wenn aber der Winter solange angehalten hat, dann hält die Übergangszeit nicht in der Ausdehnung an. Hier ist das ja ganz besonders krass. Hier war es noch längere Zeit kalt und dann war auf einmal der Frühling da, der aber gleich eine Wärme mitbrachte, die schon stark an den Sommer gemahnt.
Daß die Kinder jetzt barfuß laufen, ist ja auch eine gewisse Entlastung für Dich, denn jetzt brauchen sie dann nicht so viele Schuhe und die Reparaturen fallen dann auch nicht so in dem Maße an. Daß sich Jörg so selbständig betätigt und sich Verschiedenes selbst baut, macht mir Spaß, das regt ihn doch immer wieder an. Wenn er aber bei den Soldatenspielen so viel schießen muß, dann werden seine Zündplättchen bald alle sein. 
Als ich die Antwort auf meinen Bericht von der Dienstreise erhielt, war ich schon wieder auf Dienstreise in den gleichen Ort. Man merkt dann erst, wie lange eigentlich die Post braucht, bis sie hin und her befördert ist.
Daß Kurt aus dem Lazarett entlassen wird, ist ja nach seinen Äußerungen über den Zeitpunkt der Genesung, an der Zeit gewesen. Ich hoffe und wünsche es ihm von Herzen, daß er nun einige Wochen sich erholen darf und nach Konstanz kommen kann.  Daß die Wunde aber immer noch nicht zu ist, bedauere ich sehr, denn ich denke mir, daß er teilweise hat ziemlich viel mitmachen müssen. Nur daß er es nicht schreibt. 
Heute habe ich wieder genügend geschrieben. Ich mußte aber einmal mehr schreiben, damit ich mit der Beantwortung nachkomme. Jetzt habe ich wieder einige Wünsche. Kannst Du mir vielleicht bei Gelegenheit eine Kerze mitsenden, denn man kann sie einmal brauchen, wenn das Licht ausgeht. Ich weiß nicht genau, habe ich schon um Rasierklingen gebeten. Wenn nicht , dann kaufe doch einmal welche, aber nicht zu teure.
Herzlich grüße und küsse ich Dich und bitte Dich , den anderen ebenfalls herzliche Grüße zu bestellen. Viele Küsse sendet Dir außerdem nochmals Dein Ernst.

Sonntag, 4. Juni 2017

Brief 270 vom 4.6.1942


Mein liebes, gutes Mädel !                                                     4.6.42         
   
Heute wurde ich mit reichlich Post überschüttet, worüber ich sehr erfreut war. Päckchen, Zeitungen und Briefe von Dir, dann ein Brief Deines Vaters, ein Brief und eine Karte in der Familienforschungssache und eine Postkarte von Alice.
Es trafen ein Deine Briefe vom 18., vom 19. und der mit den Blumen vom 20./21. und vom 22.5.
Wenn ich mich auch über alle freuen könnte, so macht mir eines doch Sorge und das ist die Sache mit Deinem Vater. Ich hatte erst die Absicht, nichts mehr von allem zu schreiben, doch durch die Art und Weise, wie Dein Vater das leidige Thema behandelt, tut er, wie wenn wir die Schuldigen wären. Ich billige in jeder Beziehung das, was Du geschrieben hast, denn wenn ich diesen Brief nochmals überlese, kann ich bei Ausschaltung einer Voreingenommenheit Dir gegenüber nichts feststellen, was irgendwie beleidigend sein könnte. Dein Schreiben ist offen und sachlich und entbehrt jeder Spitze ihm gegenüber.
Ich kann auch nicht verstehen, daß uns Dein Vater dieses Fräulein aufzwingen will.  Auch die Art, wie er am Rande uns gewissermaßen droht, daß er mit allen Schluß machen will, ist nicht dazu angebracht, die ganze Angelegenheit zu vereinfachen.
Auf sein Schreiben an mich  werde ich ihm in dieser Angelegenheit nochmals antworten und ihn bitten, daß er mit dieser Stellungnahme die ganze Sache für abgeschlossen betrachtet, denn ich habe den Eindruck, und das nach öfterem, wiederholtem Überlegen, daß dieses Fräulein ihm den Kopf schon so voll gemacht hat und ihm jetzt alles mögliche verspricht. Wie die Dinge jetzt  liegen, scheint ja alles schon soweit entschieden zu sein.
Ich bitte Dich aber, lasse den Dingen ihren Lauf, denn auch Siegfried hat sich entsprechend eingerichtet, wie ich aus seinem Schreiben lese. Wer von beiden die Schuld trägt, daß das Verhältnis zwischen Deinem Vater und Erna nicht mehr so ist, wollen und können wir nicht nachprüfen. Das ist auch nicht unsere Sache, ich kann mir aber denken, daß Erna sich auch schon Gedanken gemacht hat, wie es wird, wenn dieses Fräulein einmal in die Wohnung einrückt. Daß sie durch das Verhalten Deines Vaters gleichgültig werden kann, kann ich mir vorstellen.  Doch die Beweggründe dafür zu suchen, liegt ja nicht bei uns.
Daß es nicht schön ist, ihn von Fall zu Fall warten zu lassen, kann ich wohl verstehen, doch ich habe das Gefühl, als wenn das Fräulein da auch noch etwas nachhilft. Wie dem auch sei, ich dulde nicht, daß Dein Vater Dich durch seine Briefe in Gewissenskonflikte bringt. Du brauchst keine Angst zu haben, daß ich ihm etwa scharf schreibe, im Gegenteil, ich werde mich bemühen und rücksichtsvoll wie nur irgend möglich zu schreiben; wenn auch die Briefe Deines Vaters, alle, die ich bis jetzt in dieser Beziehung bekommen habe, nicht gerade von Rücksichtnahme auf den Empfänger strotzen. Hoffen wir, daß es möglich ist, diese Geschichte zu einem ordentlichen Abschluß zu bringen. 
Heute sende ich die Päckchen 4 und 5 an Euch ab. In dem einen sind 4 Tafeln Schokolade, die wir hier empfangen haben und die ich für Euch aufgehoben habe. Dann hatte ich auf meiner Dienstfahrt für Marschverpflegung 2 Käse bekommen, die habe ich ebenfalls mit eingepackt, weiterhin bekamen wir hier Fisch, den ich gleichfalls für Euch gedacht hatte. Für Vater sind einige Stumpen und Zigarren dabei. Den Zwiebelsamen habe ich auch gleich mitgesandt. Das ist alles. Hoffentlich kommt alles gut an, daß Ihr Eure Freude daran habt und auch mit verwerten könnt.
Nun wieder zu den letzten Briefen. Über die Möglichkeit, sich etwas auf der Messe zu kaufen, haben sich die Kinder sicher wieder gefreut und sie werden es auch mit Stolz getan haben. Dazu hat ja Vater auch noch verholfen. Der Messebetrieb ist ja jetzt nicht so groß, aber das geht nun einmal nicht im Kriege. Du fragst, warum ich jetzt die Feldflasche und die anderen Ausrüstungsgegenstände hier brauche und in Frankreich nicht.
Ja weißt Du Mädel, hier sind die Verhältnisse etwas anders. Man hat hier ja nichts zur Verfügung. In Frankreich gab es ein Bett und das dazu nötige Zeug. Es gab ordentliche Waschgelegenheiten, Eßgeschirr usw. usw.
Das fehlt hier alles. Hier muß man sich schon etwas militärisch einrichten.  Man muß hier ein Eßgeschirr und Besteck mitbringen bzw. verabfolgen lassen. Zeltbahn und Decken muß man haben, sonst läuft man Gefahr, eines Tages auf nacktem Boden schlafen zu müssen. Man weiß ja nicht, in welche Situation man kommen kann. Darum brauchst Du nicht gleich Angst zu bekommen. Aber es ist besser, man hat das, als wenn man im Bedarfsfalle ein langes Gesicht machen müßte. Es gibt hier nun auch einmal Überängstliche, die so übertreiben oder die sich hier wichtig machen wollen. Das ist aber alles sinnlos.
Auf die anderen Briefe gehe ich in den kommenden Tagen wieder ein. Herzlich grüße ich Dich und die Kinder. Halte Dich weiter gut und mache Dir keine Sorgen mehr in der Geschichte wegen Deines Vaters, denn es hat doch wenig Wert. Nimm aber recht viele herzliche Küsse entgegen von Deinem immer an Dich denkenden Ernst.