Meine liebe kleine Frau! O.U.
den 31.Juli 1940
Heute habe ich Deinen lieben Brief vom 26.
erhalten, für den ich Dir wieder herzlich danke. Man spannt immer, wenn die
Post kommt, ob man auch mit betroffen wird. Man kann ja nicht jedes Mal dabei
sein, aber man wird mit der Zeit anspruchsvoll. Ich bin ja mit Deiner
Schreiberei auch in jeder Beziehung zufrieden und kann ja auch nicht klagen.
Was die Briefmarken anbelangt, so kaufe
diese nur, soweit Du es mit dem Gelde machen kannst. Mit den Lindenblüten seid
Ihr ja wieder fleißig gewesen und wenn Ihr noch einmal gegangen seid, so habt
Ihr ja schon sicher ein ganz schön Teil geholt. Die Geburtstagskarte erhielt
ich von Frl. Hierholzer. Wo sie meine Adresse her erfahren hatte, weiß ich
selbst nicht, jedenfalls war ich selbst ganz erstaunt. Ich habe ihr schon
darauf schreiben wollen. Erst einen Brief, jetzt habe ich mich aber zu einer Karte entschlossen, doch habe ich
noch keine da. Ich werde mir erst welche besorgen lassen.
Was nun die Erdbeeren betrifft, so kann
man diese Mitte August bis in den September hinein umsetzen. Vor allem nur immer
die kräftigen Setzlinge. Du kannst ja noch einmal im Kalender nachsehen, ob da
vielleicht auch noch die Umsetzzeit vermerkt ist. Ich denke, Du wirst sie am
besten oberhalb der neu angelegten Beete setzen. Es wird ratsam sein, wenn man
wieder genau soviel Reihen anlegt wie im letzten Jahr. Die alten Erdbeeren bei
den Johannisbeeren kann man auch jetzt mit wegmachen. Deine
landwirtschaftlichen Erfolge sind ja ganz erfreulich. Ja, das macht Spaß, wenn
man es vorher die ganze Zeit gehegt und gepflegt hat.
Heute habe ich wieder ein Päckchen, von
dem ich gestern schon geschrieben habe, an Dich fertig gemacht und mit
abgesandt. Ich will nur hoffen, daß alles richtig ankommt, denn es hat ja
schließlich einige Mark gekostet, die man nicht gerne auf diese Weise verlieren
will. Auch hierbei möchte ich nur wünschen, daß alles Deinem Geschmack
entspricht. Probiere nur einmal diese Sachen an, damit ich weiß, ob alles paßt.
Wenn Du hier wärst, könnte man Kleider oder ähnliche Sachen für billiges Geld
kaufen. So gibt es Sommerkostüme schon ab 15 RM bis 30 RM. So etwas kann man
aber nicht so kaufen, weil man ja dann nicht weiß, ob alles sitzt und paßt. Ich
habe mich deshalb mehr auf den Kauf von Stoff verlegt, den Du dann selbst
verarbeiten kannst, oder auch machen lassen kannst. Soll ich Dir noch so einen
Kragen kaufen oder so etwas ähnliches? Wenn Du irgendwelche Wünsche oder
Vorschläge hast und ich kann sie Dir einigermaßen erfüllen, so will ich diese
gerne berücksichtigen. Die Größenmaße sind aber in allem hier erforderlich. Ich
habe bis jetzt meist nach Augenmaß gekauft.
Gestern war ich wieder im Theater beim
Bunten Abend des Weimarer Nationaltheaters. Das war wieder eine ganz große
Sache. Im ersten Teil wurden Stücke aus Wagnerschen Opern (Fliegender
Holländer- Ouvertüre-, Lohengrin, Feuerzauber aus den Nibelungen und aus dem
Freischütz von C.M. v. Weber) durch das Orchester und teils auch gesangliche
Darbietungen vorgetragen. Im zweiten Teil kamen dann etwas leichtere Sachen zur
Darbietung. Außerdem kamen dann noch die Solotänzer und die -rinnen (ist das
nicht etwa schön) sowie das Staatsballett mit ihren Vorführungen an die Reihe.
Es war auch dies ein schöner Abend. Schade ist nur, daß Du bei diesen Sachen nicht mit dabei sein kannst, denn Du hättest
sicher auch Deine Freude daran.
Heute habe ich auf meinem Schreibtisch
einen Strauß Blumen bekommen. Es hat geheißen, wir sollten jetzt immer welche
bekommen. Wir wollen einmal sehen, ob es wahr ist. Jedenfalls macht dies einen
sehr freundlichen Eindruck.
Ich werde heute noch an Siegfried
schreiben, weil ich diesen Abend nicht ausgehe. Ich bleibe gleich im Amt um die
Sachen alle fertig zu machen.
Ich lege Dir heute einmal einen Zettel bei
von meiner Abendbrotabrechnung. Das erste ist eine große Flasche roter Bordeauxwein.
Der nächste Posten ist Kotelett mit Salat, der weitere Betrag ist für Brot in
Rechnung gestellt und für 2 fr. habe ich dann Käse gegessen. Die große Flasche
Wein reicht mir meistens für 3 Essen, so daß für den heutigen Abend nur 1/3 in
Anrechnung käme. So hat alles in allem 1,15 RM gekostet. Ich bin dann aber auch
wieder reichlich gesättigt heimgegangen. Es sind dies nun meist nicht die Portionen,
wie wir sie daheim gewöhnt sind, doch bei uns in den Wirtschaften wird man ja
meistens auch nicht überfüttert und muß dafür auch entsprechend mehr hinlegen.
Ich nehme an, daß Dich dies auch einmal interessiert.
Für heute möchte ich nun wieder einmal
Schluß machen. Ich habe Dir wieder einiges geschildert und auch
beantwortet. Ich nehme an, daß Du
zufrieden bist. Sei Du mit den Kindern herzlich und auch sehr oft gegrüßt und
geküßt von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U. , den 2.8.1940
Heute erhielt ich zusammen zwei Briefe von Dir. Der eine war vom
19. und der andere vom 27.
Ich glaube, auf dem ersten Brief muß
jemand draufgesessen haben. Ich habe ihn ja nun doch bekommen und das freut
mich ja. Dein letzter Brief drückt eine Stimmung aus, die sehr wehmütig klingt,
die ich an meinem tapferen Mädel in dem starken Maße noch nie bemerkt habe,
außer da, wo ich direkt von Euch fort bin.
Du hast wohl recht, daß ich hier ein
ziemlich ungebundenes Leben führe, auch hast du recht, wenn Du schreibst, ich
habe hier mein Auskommen, aber Deine Befürchtung, daß es mir bei Euch nicht
mehr gefallen würde, wenn ich wieder heimkomme, besteht zu Unrecht.
Das ist es ja gerade, daß ich bei Euch m e
i n D a h e i m habe, was mir hier so fehlt. Um Euch kreisen
ja meistens meine Gedanken und ich bemühe mich, dir dies dadurch zu beweisen,
daß ich Dir bald jeden Tag schreibe. Gestern bin ich zwar nicht dazugekommen,
doch heute möchte ich dies trotz der späten Abendstunde - es ist bereits 11 Uhr
- nicht versäumen.
Ich war gestern und heute in unserem
KdF-Theater, wo z.Zt. ein Variete -Programm mit Rudi Rauber vom Sender Köln
läuft. Neben unserer Arbeit ist dies auch alles, was wir hier haben. Du
schreibst, Du hättest wohl die Kinder, doch über alles kannst Du mit ihnen
nicht sprechen. Das stimmt, doch über vieles kannst Du mit ihnen reden, während
ich hier nur fremde Menschen um mich herum habe.
Liebes Mädel, ich bitte Dich, nur nicht
kleinmütig zu werden, Kopf oben behalten und an mich denken, unter welchen
Umständen ich hier leben muß.
Mit den Schuhen hast du ja Pech gehabt. Da
hättest Du sie bald auch so daheim bekommen. Na, ich werde versuchen, Dich von
hier aus mit etwas anderem zu entschädigen.
Ich habe dieser Tage hier einen Befehl in
die Hand bekommen, wonach ab sofort durch uns, die wir alle hier drüben sind, monatlich
vier Pakete zu 1 Pfd. und wenn man in Urlaub fährt, ein Paket mit 20 Pfd. a b g a b e f r e i heimschicken bezw. -bringen darf. Ich möchte
hoffen, daß Dir die Schuhe auch so zusagen, doch wenn man das gewußt hätte, so
würde ich doch die Schuhe gleich mitgebracht haben.
Das ist ja auch nicht schlecht, wenn meine
Kameraden tatsächlich entlassen würden. Ich sitze jedenfalls hier mit der
Gewißheit, das Ende des Krieges abwarten zu dürfen. Das glaube ich aber
bestimmt, daß ich zwischendrin auch einmal auf Urlaub kann. Doch davon müssen
wir heute noch träumen. Schlafe nun gut mein liebes Mädel und sei Du mit unseren
beiden Bengels vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Ich sende Dir so nach und nach wieder
Deine Briefe mit zurück, die Du mir geschickt hast. Ich bitte Dich, diese mir
mit zu den anderen zu legen. Übrigens dem Brief vom 27. hat kein Bild beigelegen.
Hast es sicher vergessen. Bei den Zwiebeln muß man das Kraut jetzt umlegen und
so weiter wachsen lassen, ebenfalls muß man die Blüten ausknicken.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen