Donnerstag, 30. Juli 2015

Brief 38 vom 31.7. bzw. 2.8.1940


Meine liebe kleine Frau!                                                      O.U. den 31.Juli 1940          

Heute habe ich Deinen lieben Brief vom 26. erhalten, für den ich Dir wieder herzlich danke. Man spannt immer, wenn die Post kommt, ob man auch mit betroffen wird. Man kann ja nicht jedes Mal dabei sein, aber man wird mit der Zeit anspruchsvoll. Ich bin ja mit Deiner Schreiberei auch in jeder Beziehung zufrieden und kann ja auch nicht klagen.
Was die Briefmarken anbelangt, so kaufe diese nur, soweit Du es mit dem Gelde machen kannst. Mit den Lindenblüten seid Ihr ja wieder fleißig gewesen und wenn Ihr noch einmal gegangen seid, so habt Ihr ja schon sicher ein ganz schön Teil geholt. Die Geburtstagskarte erhielt ich von Frl. Hierholzer. Wo sie meine Adresse her erfahren hatte, weiß ich selbst nicht, jedenfalls war ich selbst ganz erstaunt. Ich habe ihr schon darauf schreiben wollen. Erst einen Brief, jetzt habe ich mich aber  zu einer Karte entschlossen, doch habe ich noch keine da. Ich werde mir erst welche besorgen lassen.
Was nun die Erdbeeren betrifft, so kann man diese Mitte August bis in den September hinein umsetzen. Vor allem nur immer die kräftigen Setzlinge. Du kannst ja noch einmal im Kalender nachsehen, ob da vielleicht auch noch die Umsetzzeit vermerkt ist. Ich denke, Du wirst sie am besten oberhalb der neu angelegten Beete setzen. Es wird ratsam sein, wenn man wieder genau soviel Reihen anlegt wie im letzten Jahr. Die alten Erdbeeren bei den Johannisbeeren kann man auch jetzt mit wegmachen. Deine landwirtschaftlichen Erfolge sind ja ganz erfreulich. Ja, das macht Spaß, wenn man es vorher die ganze Zeit gehegt und gepflegt hat.
Heute habe ich wieder ein Päckchen, von dem ich gestern schon geschrieben habe, an Dich fertig gemacht und mit abgesandt. Ich will nur hoffen, daß alles richtig ankommt, denn es hat ja schließlich einige Mark gekostet, die man nicht gerne auf diese Weise verlieren will. Auch hierbei möchte ich nur wünschen, daß alles Deinem Geschmack entspricht. Probiere nur einmal diese Sachen an, damit ich weiß, ob alles paßt. Wenn Du hier wärst, könnte man Kleider oder ähnliche Sachen für billiges Geld kaufen. So gibt es Sommerkostüme schon ab 15 RM bis 30 RM. So etwas kann man aber nicht so kaufen, weil man ja dann nicht weiß, ob alles sitzt und paßt. Ich habe mich deshalb mehr auf den Kauf von Stoff verlegt, den Du dann selbst verarbeiten kannst, oder auch machen lassen kannst. Soll ich Dir noch so einen Kragen kaufen oder so etwas ähnliches? Wenn Du irgendwelche Wünsche oder Vorschläge hast und ich kann sie Dir einigermaßen erfüllen, so will ich diese gerne berücksichtigen. Die Größenmaße sind aber in allem hier erforderlich. Ich habe bis jetzt meist nach Augenmaß gekauft.
Gestern war ich wieder im Theater beim Bunten Abend des Weimarer Nationaltheaters. Das war wieder eine ganz große Sache. Im ersten Teil wurden Stücke aus Wagnerschen Opern (Fliegender Holländer- Ouvertüre-, Lohengrin, Feuerzauber aus den Nibelungen und aus dem Freischütz von C.M. v. Weber) durch das Orchester und teils auch gesangliche Darbietungen vorgetragen. Im zweiten Teil kamen dann etwas leichtere Sachen zur Darbietung. Außerdem kamen dann noch die Solotänzer und die -rinnen (ist das nicht etwa schön) sowie das Staatsballett mit ihren Vorführungen an die Reihe. Es war auch dies ein schöner Abend. Schade ist nur, daß Du bei diesen Sachen  nicht mit dabei sein kannst, denn Du hättest sicher auch Deine Freude daran.
Heute habe ich auf meinem Schreibtisch einen Strauß Blumen bekommen. Es hat geheißen, wir sollten jetzt immer welche bekommen. Wir wollen einmal sehen, ob es wahr ist. Jedenfalls macht dies einen sehr freundlichen Eindruck.
Ich werde heute noch an Siegfried schreiben, weil ich diesen Abend nicht ausgehe. Ich bleibe gleich im Amt um die Sachen alle fertig zu machen.
Ich lege Dir heute einmal einen Zettel bei von meiner Abendbrotabrechnung. Das erste ist eine große Flasche roter Bordeauxwein. Der nächste Posten ist Kotelett mit Salat, der weitere Betrag ist für Brot in Rechnung gestellt und für 2 fr. habe ich dann Käse gegessen. Die große Flasche Wein reicht mir meistens für 3 Essen, so daß für den heutigen Abend nur 1/3 in Anrechnung käme. So hat alles in allem 1,15 RM gekostet. Ich bin dann aber auch wieder reichlich gesättigt heimgegangen. Es sind dies nun meist nicht die Portionen, wie wir sie daheim gewöhnt sind, doch bei uns in den Wirtschaften wird man ja meistens auch nicht überfüttert und muß dafür auch entsprechend mehr hinlegen. Ich nehme an, daß Dich dies auch einmal interessiert.
Für heute möchte ich nun wieder einmal Schluß machen. Ich habe Dir wieder einiges geschildert und auch beantwortet.  Ich nehme an, daß Du zufrieden bist. Sei Du mit den Kindern herzlich und auch sehr oft gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.


Meine liebe Annie!                                                                  O.U. , den 2.8.1940

 Heute erhielt ich zusammen zwei Briefe von Dir. Der eine war vom 19. und der andere vom 27.
Ich glaube, auf dem ersten Brief muß jemand draufgesessen haben. Ich habe ihn ja nun doch bekommen und das freut mich ja. Dein letzter Brief drückt eine Stimmung aus, die sehr wehmütig klingt, die ich an meinem tapferen Mädel in dem starken Maße noch nie bemerkt habe, außer da, wo ich direkt von Euch fort bin.
Du hast wohl recht, daß ich hier ein ziemlich ungebundenes Leben führe, auch hast du recht, wenn Du schreibst, ich habe hier mein Auskommen, aber Deine Befürchtung, daß es mir bei Euch nicht mehr gefallen würde, wenn ich wieder heimkomme, besteht zu Unrecht.
Das ist es ja gerade, daß ich bei Euch m e i n  D a h e i m  habe, was mir hier so fehlt. Um Euch kreisen ja meistens meine Gedanken und ich bemühe mich, dir dies dadurch zu beweisen, daß ich Dir bald jeden Tag schreibe. Gestern bin ich zwar nicht dazugekommen, doch heute möchte ich dies trotz der späten Abendstunde - es ist bereits 11 Uhr - nicht versäumen.
Ich war gestern und heute in unserem KdF-Theater, wo z.Zt. ein Variete -Programm mit Rudi Rauber vom Sender Köln läuft. Neben unserer Arbeit ist dies auch alles, was wir hier haben. Du schreibst, Du hättest wohl die Kinder, doch über alles kannst Du mit ihnen nicht sprechen. Das stimmt, doch über vieles kannst Du mit ihnen reden, während ich hier nur fremde Menschen um mich herum habe.
Liebes Mädel, ich bitte Dich, nur nicht kleinmütig zu werden, Kopf oben behalten und an mich denken, unter welchen Umständen ich hier leben muß.
Mit den Schuhen hast du ja Pech gehabt. Da hättest Du sie bald auch so daheim bekommen. Na, ich werde versuchen, Dich von hier aus mit etwas anderem zu entschädigen.
Ich habe dieser Tage hier einen Befehl in die Hand bekommen, wonach ab sofort durch uns, die wir alle hier drüben sind, monatlich vier Pakete zu 1 Pfd. und wenn man in Urlaub fährt, ein Paket mit 20 Pfd.  a b g a b e f r e i  heimschicken bezw. -bringen darf. Ich möchte hoffen, daß Dir die Schuhe auch so zusagen, doch wenn man das gewußt hätte, so würde ich doch die Schuhe gleich mitgebracht haben.
Das ist ja auch nicht schlecht, wenn meine Kameraden tatsächlich entlassen würden. Ich sitze jedenfalls hier mit der Gewißheit, das Ende des Krieges abwarten zu dürfen. Das glaube ich aber bestimmt, daß ich zwischendrin auch einmal auf Urlaub kann. Doch davon müssen wir heute noch träumen. Schlafe nun gut mein liebes Mädel und sei Du mit unseren beiden Bengels vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Ich sende Dir so nach und nach wieder Deine Briefe mit zurück, die Du mir geschickt hast. Ich bitte Dich, diese mir mit zu den anderen zu legen. Übrigens dem Brief vom 27. hat kein Bild beigelegen. Hast es sicher vergessen. Bei den Zwiebeln muß man das Kraut jetzt umlegen und so weiter wachsen lassen, ebenfalls muß man die Blüten ausknicken.

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