Meine liebe gute Annie! O.U.,
den 26.Juli 1940
Heute erhielt ich Deinen Brief vom 21.,
sowie zwei weitere Päckchen mit Zeitungen, wofür ich Dir wieder herzlich danke.
Ich bedaure nur, daß ich Dir mit meinem
voreiligen Schreiben wegen des Urlaubs Hoffnungen gemacht habe, die nun leider
nicht eintreffen. Du hast ja inzwischen mein weiteres Schreiben erhalten, worin
ich Dir diese Nachricht leider geben mußte. Trösten wir uns und warten weiter,
bis sich die Möglichkeit bietet. Eines kann ich Dir ja versichern, daß ich,
sobald sich diese Möglichkeit bietet, dann zu Euch komme. Halte also weiter den
Kopf steif, es wird schon gut werden.
Als weitere Post ging ein Schreiben Deiner
Eltern ein. Einen Durchschlag von diesem Schreiben wirst Du wahrscheinlich
schon in der Hand haben, weil die Eltern an dem gleichen Tage auch an Dich
geschrieben haben. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Ich werde ihnen
schreiben, daß ich zurzeit keine Wünsche habe, denn es geht mir hier nichts ab,
oder meinst Du ich soll irgendetwas äußern?
Ich wüßte aber eigentlich nicht, was ich
mir wünschen sollte. Ich werde den Brief demnächst dann wieder mit beantworten.
Herrn Naumann, der Dir die Bilder zugehen
ließ, habe ich heute auch geschrieben.
Gestern war ich in „Die verkaufte Braut“.
Heute habe ich vor in „Raub der Sabinerinnen“ zu gehen. Ich habe mich gestern
auch wieder ausgezeichnet unterhalten. Wie ich Dir früher schon einmal
geschrieben habe, ist man während diesen Vorstellung nicht im Ausland oder im
Krieg, sonder man fühlt sich direkt in der Heimat. Dies soll ja auch
schließlich mit diesen Vorstellungen bezweckt werden.
Dienstlich wäre zu berichte, daß ich
wieder in ein anders Zimmer gekommen bin, doch das ist weniger von Bedeutung,
weil dieser Fall öfter eintritt. Bei uns ist hier noch alles im Aufbau
begriffen, so daß man sich vielmals umstellen muß. Mir macht dies auch groß
keine Schwierigkeiten, weil ich mich schließlich in jeder Lage und auch in
jeder Arbeit zurecht finde. Die Arbeit selbst sagt mir bis jetzt immer noch zu.
Ich habe hier jetzt vor allem das Passierscheinwesen und was damit
zusammenhängt. Ein anderer Herr, der hier das Transportwesen und sämtliche
Autofragen, sowie -zulassungen bearbeitet, hat mich schon wiederholt gebeten,
ich soll mich dieser Aufgabe widmen. Mir ist es ja gleich, Hauptsache ist, ich habe meine Arbeit und der Tag geht rum.
Dafür ist allerdings auch gesorgt. Wir sind zwar dabei, den Franzosen einen
Teil der Arbeit zu übergeben, doch ob dadurch eine Entlastung eintritt, wird
sich ja zeigen. So das war einmal ein bißchen dienstlich, soweit es im Briefe
zulässig ist.
Wenn du weiter Päckchen erhältst, so
schreibe mir bitte. Heute ist uns mitgeteilt worden, daß wir ab nächstem Monat
im Monat vier Pakete zu je 1 Pfd. nach hause schicken können. Das bedeutet für
mich schon eine wesentliche Erleichterung, weil ich noch verschiedene Sachen
daliegen habe, die das jetzt zulässige Gewicht überstiegen haben.
Was mich anbetrifft, na so kann ich sagen,
daß ich mich soweit wohl fühle und daß es mir auch gesundheitlich gut geht. Ich
habe mich auch gefreut, als ich in einem Deiner letzten Briefe las, daß Du Dich
auch wohl fühlst, daß Deine Kreuzschmerzen aufgehört haben und daß Ihr alle
gesund seid. Macht nur weiter so.
Ich grüße und küsse Euch drei heute
wiederum vielmals und herzlich, Du aber sei wieder besonders gegrüßt und geküßt
von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U., den 27.Juli 1940
Die Tage vergehen und ehe man sich
umsieht, ist wieder eine Woche um. Wie im Fluge vergehen die Tage, Wochen und,
wenn ich an den Einberufungstag zurückdenke, die Monate. Wir haben bei unserer
Arbeitszeit und dem Arbeitsanfall immerhin ein Tempo zu entwickeln, daß man gar
nicht merkt, wie schnell die Zeit vergeht. Dies kommt bei uns auch vor allem
daher, weil wir einen Tag wie den andern arbeiten. Samstags wurde bei uns
daheim bis zum Mittag gearbeitet und der Sonntag war frei. Diese Einrichtungen
gelten im Allgemeinen hier nicht. Sonntag früh geht man auch noch einmal aufs
Büro um zu sehen, ob Post da ist, vorausgesetzt, daß man nicht zum
Bereitschaftsdienst eingesetzt ist. Vom Samstag selbst braucht man ja gar nicht
zu reden. Na, wir gehören zum Kommis und müssen uns damit abfinden. Ich habe ja
hier auch keinen Anlaß zur Klage, da uns in vieler Hinsicht Vergünstigungen
eingeräumt sind, die andere vielleicht nicht haben.
Seit einigen Tagen ist der Kamerad krank,
mit dem ich sonst immer ausgegangen bin, nun habe ich mich während dieser Tage
an das Theater gehalten. Ich habe mich wieder einmal richtig auslachen können.
Es ist ein Stück, was so um die Jahrhundertwende spielt und ausgerechnet muß
auch ein Sachse darin auftreten, der mit seinem Dialekt und seinem sächsischen
Gemüt von einem Extrem ins andere bringt. Für heute Abend habe ich mich eines anderen
besonnen und möchte die verschiedenen Briefe, die ich hier noch vorliegen habe,
beantworten. Ich muß einmal sehen, was ich davon heute los bekomme.
Post ist von Dir heute noch keine
eingegangen, doch ich will nicht undankbar
sein, denn ich kann wohl sagen, daß Du im Schreiben, sowie im Päckchen senden
sehr fleißig gewesen bist. Bei uns wird die Post früh am Nachmittag geholt, so
kann es ja sein, daß am Nachmittag für mich wieder etwas dabei ist.
Letzthin habe ich Dir eine unserer
Zeitungen zugehen lassen. Ich schilderte Dir doch von dem Bild von Konstanz was
darin abgedruckt war. Ich hatte nun so gedacht, Du bringst das dem Verkehrsamt
in Konstanz und sagst ruhig, daß ich bei der Stadtverwaltung angestellt bin und
daß ich der Ansicht bin, daß sich diese Stelle vielleicht dafür interessiert. Du
kannst ja sehen, ob die Zeitung ankommt und ob Du Lust hast, dies zu tun.
Ich bedauere nur außerordentlich, daß ich
Dir wegen des Urlaubs so eine Enttäuschung bereiten mußte. Ich denke aber, daß
Du Verständnis dafür haben wirst und den Kopf trotzdem oben behältst. Die
Zeitungen habe ich schon z.T. ausgelesen und werde sie, nachdem sie die
Kameraden gelesen haben, an die Leute hier im Hause weitergeben. So kann man
mit diesen Sachen immer noch propagandistisch wirken. Ich danke Dir nochmals
für die Zusendung.
Ja ich würde mich freuen, wenn ich
Siegfried einmal hier begrüßen könnte. Hier ist ein Kriegslazarett eingerichtet
worden, das wahrscheinlich demnächst wieder Kranke an die Heimat abgeben muß.
Es ist hier allerdings fraglich, ob ausgerechnet der Zug in Frage kommt, bei
dem Siegfried ist. Am besten wird es sein, man überläßt dies alles dem Zufall.
Nachdem ich hier so mitten im Getriebe
sitze, so hört und sieht man vieles und man kommt auch mit vielen Menschen
zusammen, die einem über dies und jenes Auskunft geben können. So auch mit
dieser Erkundigung wegen dem Lazarett.
Ich möchte den Brief heute noch mitgehen
lassen, damit die Kette nicht abreißt. Sei du liebe Annie wieder herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem oft an dich denkenden Ernst.
Unseren beiden Rangen wieder die herzlichsten
Grüße und Küsse. Grüße auch wieder Vater von mir, damit er nicht denkt, ich
hätte ihn etwa vergessen.
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