Meine liebe Annie! L., den 15.7.
1940
Es ist also wirklich nicht leicht,
wochenlang jeden Tag nur von sich selbst und seinen Eindrücken zu schreiben,
ohne dabei einmal aus Mangel an Gelegenheit auf die Gedanken des Partners
eingehen zu können. Wie ich Dir schon letzthin schrieb, werde ich mich zu
gedulden wissen. Mich freut bei dieser Angelegenheit nur das eine, daß Du
wenigstens so ziemlich laufend von mir mit Post versorgt worden bist. Ich habe
ja meiner bisherigen Gewohnheit keinen Abbruch getan und habe weiterhin jeden
Tag, außer Samstag, geschrieben.
Heute kann ich Dir nun eine Mitteilung
machen, die Dich sicher freuen wird. Ich habe heute, allerdings noch
inoffiziell, erfahren, daß wir ab 20.7. wieder in Urlaub gehen können. Der Urlaub
ist für jeden auf etwa drei Wochen bemessen. Ich bin mir nur noch nicht ganz im
Klaren, soll ich, wenn ich ja die Wahl haben sollte, bis zu Deinem Geburtstag
warten, oder soll ich, wenn ich für früher eingeteilt werde, früher fahren. Gib
mir doch umgehend Deine Ansicht bekannt. Freust Du Dich darüber, wenn ich in
absehbarer Zeit heimkommen kann? Außerdem habe ich Dir noch mitzuteilen, daß
ich mir hier einen Anzug bauen lasse, zum Preise von 65,-RM. Für die Kosten
komme ich selbstverständlich selbst auf. Wie ich ihn heimbringe macht mir zwar
einige Gedanken, doch ein Weg wird sich schon finden.
Auf den Inhalt meiner Päckchen, die ich
jetzt im Laufe der Zeit absenden werde, möchte ich, soweit ich noch alle in
Erinnerung habe, kurz eingehen. Es sind dabei für Dich zwei Trikotgarnituren in
blau und rosa, ein Kragen für eine Bluse, verschiedene Taschentücher, ein
Schal, eine Kombination in Seide, ebenfalls in blau. Ein Paar Handschuhe. Ich
kann ja nicht sagen, ob ich immer das richtige getroffen habe, ich hoffe aber,
daß Du alles richtig verwerten wirst. Heute habe ich nun noch Stoff zu je einem
Kleid für Dich und Helga gekauft. Hier habe ich noch einen Schal und ein
Nachthemd für Dich liegen. Ich habe nur noch den Wunsch, alles richtig heimzubringen
und daß alles richtig ist. Ein Paar Strümpfe sind auch noch dabei. Jetzt bin
ich auch ziemlich blank nach diesen Käufen.
Heute Abend war ich wieder im Kino. „Das
Paradies der Junggesellen“ mit dem bekannten “Das kann doch einen Seemann“ usw.
Ich habe mich dabei wieder ganz gut unterhalten für 20 Pfennig. Man vergißt
sich dabei und merkt gar nicht mehr, daß man in Frankreich ist.
Fast jeden Tag findet sich in meinem
Zimmer etwas Neues ein. Vorgestern kam
ein weiterer Teppich ins Zimmer. Gestern befanden sich zur vorschriftsmäßigen
Abdunkelung dicke Vorhänge an den Fenstern. Wenn ich noch eine Weile hier
bleiben sollte, wird es sogar wohnlich hier werden. Überlassen wir aber alles
der Zukunft.
Hoffentlich seid Ihr alle gesund. Ich
grüße und küsse Euch drei recht herzlich und wünsche nur, daß Du auch immer an
Deinen Ernst denktst.
Grüße Vater von mir.
Meine liebe Annie! L., den 16.7. 1940
Wieder habe ich heute vergebens auf einen
Brief von Dir gewartet und doch habe ich wenigstens einen Gruß aus der Heimat
erhalten. In unserer Tageszeitung, die wir hier bekommen, war heute ein Bild vom Konzil vom Stadtgarten aus
zu sehen. Es war ja gewissermaßen auch ein Gruß, wenn zwar nicht der, den ich
erwartete.
Heute herrschte hier Liller Wetter. Den
ganzen Tag trüb, zwischendrin immer einmal wieder Regen. Weiter sind hier noch
in der Nacht sehr unangenehm zu vermerken die Schnaken. Man kann abends kaum
einschlafen und wenn man sich nicht
ganz fest vermummt, so ist man frühmorgens ganz zerstochen.
Postkarten sind zwar keine schönen
aufzutreiben, dafür sind sie sehr billig, das Stck. 2 1/2 Pfg.
Die beigefügte Karte zeigt einen Teil unseres
Rathauses, damit du wenigstens annähernd einen Eindruck davon bekommst.
Über Mangel an Arbeit kann ich mich ja
nicht beklagen. Vorteilhaft dabei ist nur, daß der Tag schnell herumgeht.
Heute habe ich die zweite Päckchensendung
an Dich abgehen lassen. Es sind diesmal zwei größere Kartons. Im Ganzen sind
von mir vier Stücke abgesandt. Ich hoffe nun, daß alles richtig ankommt. Die
restlichen zwei, die noch zu meinem Kontingent für diesen Monat gehören, werde
ich bald abgehen lassen.
Heute früh hatten wir wieder einmal
Fliegerbesuch, was man durch heftige Flakabwehr feststellen konnte. Weiter kann
ich Dir noch mitteilen, daß wir aus der Beschlagnahmung eine große Tüte
Bohnenkaffee erhalten haben. Es ist also immer wieder einmal etwas umsonst zu
erhalten.
Dich grüßt und küßt vielmals herzlich Dein
Ernst.
Unseren Gören gib einen herzhaften Kuß und
sagen ihnen, daß ich sie grüßen lasse. Sie sollen nur brav sein und Dich nicht
ärgern.
Meine Hosenträger, die ich übrigens
vergessen hatte, kannst Du mir vielleicht einmal mit zusenden, weil meine
jetzigen , die ich mir noch in Köln gekauft hatte, den Dienst schon versagen.
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