Donnerstag, 16. Juli 2015

Brief 28 vom 15./16.7.1940


Meine liebe Annie!                                                            L., den 15.7. 1940

Es ist also wirklich nicht leicht, wochenlang jeden Tag nur von sich selbst und seinen Eindrücken zu schreiben, ohne dabei einmal aus Mangel an Gelegenheit auf die Gedanken des Partners eingehen zu können. Wie ich Dir schon letzthin schrieb, werde ich mich zu gedulden wissen. Mich freut bei dieser Angelegenheit nur das eine, daß Du wenigstens so ziemlich laufend von mir mit Post versorgt worden bist. Ich habe ja meiner bisherigen Gewohnheit keinen Abbruch getan und habe weiterhin jeden Tag, außer Samstag, geschrieben.
Heute kann ich Dir nun eine Mitteilung machen, die Dich sicher freuen wird. Ich habe heute, allerdings noch inoffiziell, erfahren, daß wir ab 20.7. wieder in Urlaub gehen können. Der Urlaub ist für jeden auf etwa drei Wochen bemessen. Ich bin mir nur noch nicht ganz im Klaren, soll ich, wenn ich ja die Wahl haben sollte, bis zu Deinem Geburtstag warten, oder soll ich, wenn ich für früher eingeteilt werde, früher fahren. Gib mir doch umgehend Deine Ansicht bekannt. Freust Du Dich darüber, wenn ich in absehbarer Zeit heimkommen kann? Außerdem habe ich Dir noch mitzuteilen, daß ich mir hier einen Anzug bauen lasse, zum Preise von 65,-RM. Für die Kosten komme ich selbstverständlich selbst auf. Wie ich ihn heimbringe macht mir zwar einige Gedanken, doch ein Weg wird sich schon finden.
Auf den Inhalt meiner Päckchen, die ich jetzt im Laufe der Zeit absenden werde, möchte ich, soweit ich noch alle in Erinnerung habe, kurz eingehen. Es sind dabei für Dich zwei Trikotgarnituren in blau und rosa, ein Kragen für eine Bluse, verschiedene Taschentücher, ein Schal, eine Kombination in Seide, ebenfalls in blau. Ein Paar Handschuhe. Ich kann ja nicht sagen, ob ich immer das richtige getroffen habe, ich hoffe aber, daß Du alles richtig verwerten wirst. Heute habe ich nun noch Stoff zu je einem Kleid für Dich und Helga gekauft. Hier habe ich noch einen Schal und ein Nachthemd für Dich liegen. Ich habe nur noch den Wunsch, alles richtig heimzubringen und daß alles richtig ist. Ein Paar Strümpfe sind auch noch dabei. Jetzt bin ich auch ziemlich blank nach diesen Käufen.
Heute Abend war ich wieder im Kino. „Das Paradies der Junggesellen“ mit dem bekannten “Das kann doch einen Seemann“ usw. Ich habe mich dabei wieder ganz gut unterhalten für 20 Pfennig. Man vergißt sich dabei und merkt gar nicht mehr, daß man in Frankreich ist.
Fast jeden Tag findet sich in meinem Zimmer etwas Neues ein. Vorgestern kam  ein weiterer Teppich ins Zimmer. Gestern befanden sich zur vorschriftsmäßigen Abdunkelung dicke Vorhänge an den Fenstern. Wenn ich noch eine Weile hier bleiben sollte, wird es sogar wohnlich hier werden. Überlassen wir aber alles der Zukunft.
Hoffentlich seid Ihr alle gesund. Ich grüße und küsse Euch drei recht herzlich und wünsche nur, daß Du auch immer an Deinen Ernst denktst.
Grüße Vater von mir.


Meine liebe Annie!                                                                 L., den 16.7. 1940

Wieder habe ich heute vergebens auf einen Brief von Dir gewartet und doch habe ich wenigstens einen Gruß aus der Heimat erhalten. In unserer Tageszeitung, die wir  hier bekommen, war heute ein Bild vom Konzil vom Stadtgarten aus zu sehen. Es war ja gewissermaßen auch ein Gruß, wenn zwar nicht der, den ich erwartete.
Heute herrschte hier Liller Wetter. Den ganzen Tag trüb, zwischendrin immer einmal wieder Regen. Weiter sind hier noch in der Nacht sehr unangenehm zu vermerken die Schnaken. Man kann abends kaum einschlafen und wenn  man sich nicht ganz fest vermummt, so ist man frühmorgens ganz zerstochen.
Postkarten sind zwar keine schönen aufzutreiben, dafür sind sie sehr billig, das Stck. 2 1/2 Pfg.
Die beigefügte Karte zeigt einen Teil unseres Rathauses, damit du wenigstens annähernd einen Eindruck davon bekommst.
Über Mangel an Arbeit kann ich mich ja nicht beklagen. Vorteilhaft dabei ist nur, daß der Tag schnell herumgeht.
Heute habe ich die zweite Päckchensendung an Dich abgehen lassen. Es sind diesmal zwei größere Kartons. Im Ganzen sind von mir vier Stücke abgesandt. Ich hoffe nun, daß alles richtig ankommt. Die restlichen zwei, die noch zu meinem Kontingent für diesen Monat gehören, werde ich bald abgehen lassen.
Heute früh hatten wir wieder einmal Fliegerbesuch, was man durch heftige Flakabwehr feststellen konnte. Weiter kann ich Dir noch mitteilen, daß wir aus der Beschlagnahmung eine große Tüte Bohnenkaffee erhalten haben. Es ist also immer wieder einmal etwas umsonst zu erhalten.
Dich grüßt und küßt vielmals herzlich Dein Ernst.
Unseren Gören gib einen herzhaften Kuß und sagen ihnen, daß ich sie grüßen lasse. Sie sollen nur brav sein und Dich nicht ärgern.
Meine Hosenträger, die ich übrigens vergessen hatte, kannst Du mir vielleicht einmal mit zusenden, weil meine jetzigen , die ich mir noch in Köln gekauft hatte, den Dienst schon versagen.

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