Donnerstag, 23. Juli 2015

Brief 32 vom 21.7.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U. , den 21.Juli 1940

 Dein Einzelpäckchen habe ich nun auch schon erhalten. Du hast ja wieder eine feine Nase gehabt, als Du mir gleich das Wörterbuch mitgesandt hast. Ich habe ja diesen Wunsch in einem späteren Briefe geäußert, aber ich sehe, Du kannst Deine Gewohnheiten nicht lassen, mir Wünsche zu erfüllen, bevor ich sie ausgesprochen habe. Herzlichen Dank dafür.
Ebenfalls das Gebäck, was ich gestern Abend und heute früh z.T. gegessen habe. Das war wieder ein Stück Heimat. Ich muß aus allen Deinen Briefen immer wieder erkenne, daß Du Dich des Gartens in ganz besonderer Weise annimmst. Ich muß aber auch immer wieder lesen, daß Du Dich darüber freust, mir von Deinen Erfolgen mitteilen zu können. Es ist ja auch schön, wenn man sieht, wie durch die Mühe und die Arbeit und auch mit etwas Glück beim Wetter alles so schön heranwächst. Die Stachelbeeren haben sich ja fast wieder übertragen. Mit diesen sind wir eigentlich noch nie schlecht gefahren. Bei den Johannisbeeren merkt man, daß sie größer werden. Wegen den Erdbeeren weißt Du ja jetzt Bescheid, wenn aber noch etwas unklar sein sollte, schreibe mir nur, ich werde dann umgehend antworten.
Das Gequatsche von Resi war ja wieder typisch. Lassen wir sie. Ich muß erst einmal sehen, ob ich ihnen schreibe. Wahrscheinlich wird Fritz auch als Verwaltungsmensch nach dem Elsaß kommen. Na, dann braucht er ja nicht mehr zum Kommis. Da wird er aber froh sein.
Wenn einer der Herren schreiben sollte, die ich in Köln kennengelernt hatte, so kannst Du ihnen ja, je nachdem sie Dir schreiben, auf einer Karte meine Adresse mitteilen. Evtl. auch in einem kurzen Brief. Den kannst Du ja dann mit Maschine schreiben.
Wenn Du Kuster wieder sehen solltest, so kannst Du ihm ja sagen, ich hätte ihm schon geschrieben, doch durch diesen Wechsel ist es mir noch nicht möglich gewesen. Du kannst ihn vielleicht auch mit der Beschaffung der Briefmarke für mich beauftragen. Ich nehme an, daß er dies  schon übernehmen wird.
Helga habe ich heute besonders geschrieben. In den kommenden Tagen werde ich auch an Jörg zu seinem Geburtstag einen Brief schreiben. Ich würde ihm gerne etwas geschickt haben, doch leider ist mein Kontingent an Päckchen schon erreicht. Kaufe ihm nur etwas, was ihm Spaß macht. Wenn es etwas teurer sein sollte, so schreibe mir, denn dann werde ich etwas dazu geben.
Pralinen oder Schokolade brauchst Du mir nicht hierher zu senden, denn bei uns kann man hier ja alles kaufen. Was es nicht im freien Handel zu erlangen gibt, kann ich in der Kantine kaufen. Mir fehlt es hier an nichts. Nicht einmal am Geld. Doch darüber habe ich Dir ja schon berichtet.
Gestern habe ich auch die letzten zwei Päckchen für diesen Monat an Dich abgeschickt. Hoffentlich sagt Dir alles zu.
Für meine Wäsche habe ich hier auch schon jemand aufgetrieben, der sie mir wäscht. Es ist einer der Dolmetscher, der hier im Hause tätig ist, dessen Frau will sie mir in Ordnung halten. Ja, das sind so richtige Junggesellensorgen, die man da hat.
Heute früh habe ich einmal wieder alles in Ordnung gebracht, habe allerdings auch etwas länger wie sonst geschlafen. Nun bin ich am Vormittag aufs Amt gegangen, um gleich meine Briefschulden, die ich so habe, langsam zu erledigen. Ich sehe aber, daß es nur zu den Briefen an Euch langt. Den Eltern habe ich ja meine Adresse schon mitgeteilt und habe auch den Wunsch geäußert, sie Siegfried zu übermitteln, damit wir uns hier evtl. einmal treffen können, wenn ihn sein Weg hier vorüberführen sollte. Bis jetzt habe ich zwar noch keine Antwort von Leipzig, doch in den nächsten Tagen wird sicher etwas eintreffen.
Ihr alle seid wieder von mir herzlich gegrüßt und geküßt, Du aber nimm ebenfalls wieder besonders herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.

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