Freitag, 3. Juli 2015

Brief 22 vom 3.7.1940


Meine liebe Annie!                                                    Köln, den 3.Juli 1940

Jetzt habe ich meine Uniform beieinander und heute Nachmittag werde ich mich bei dem Hauptmann Uhlhorn vorstellen, damit ich für den nächsten Transport mit vorgemerkt werde. Wir werden ja höchstwahrscheinlich mit Omnibussen dorthin befördert werden, es sei denn, daß die Eisenbahnverbindung bis dahin wieder in Ordnung ist.
Ich werde heute Nachmittag versuchen, die Genehmigung zum Kauf von ein paar schwarzen Schuhen zu erhalten. Es wäre mir dann recht, wenn Du mir zu diesem Zwecke noch 10 RM irgendwie zusenden würdest. Am besten wird es sein, wenn Du dies durch Postanweisung  machst. Die Schuhe, die ich gefaßt habe, sind etwas schwer und es wäre dann für mich eine Erleichterung, wenn ich tatsächlich ein Paar bekommen würde.
Mit größter Pünktlichkeit haben wir wieder um 1/2 1 Uhr in den Keller gemußt, diesmal wieder bis 1/4 3 Uhr. Man würde direkt aus der Gewohnheit kommen, wenn um diese Zeit kein Alarm wäre.
Gestern war ich hier im Kino und habe mir die Wochenschau auch angesehen, das war ja ganz gewaltig, was man da wieder zu sehen bekam. Außerdem lief noch ein anderer Film „Zwei Welten“, der mich ausgezeichnet unterhalten hat. Sollte der einmal bei Euch laufen, so möchte ich ihn Dir wirklich empfehlen.
Meine Erkältung kommt nun, wie bei mir üblich, endlich durch einen Schnupfen heraus. Die Taschentücher und die sonstige Wäsche lasse ich Dir dann sicher noch zugehen. Du kannst mir dies ja später gewaschen wieder zugehen lassen.
An Nanni werde ich heute auch noch kurz schreiben, daß sie weiß, was jetzt los ist. Ebenfalls werde ich der Kompanie in Hradisch Mitteilung geben, daß sie alle Post zu Dir senden soll. Du kannst sie mir ja dann, sofern es wichtig ist, wieder zuschicken.
Post habe ich von Dir noch nicht erhalten, doch es kann ja sein, daß bei der Nachmittagspost von Dir etwas dabei ist.
Sei Du herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Grüße und küsse die Kinder herzlich und richte auch Vater freundliche Grüße aus.


 Meine liebe Frau!                                                  Köln, den 3.Juli 1940

 Nun ist es soweit, daß ich hier abrücken kann.
Heute Nachmittag bei meiner Vorstellung erhielt ich die Mitteilung, daß ich morgen zu meinem Geburtstage früh 7.25 Uhr nach Brüssel abfahren muß. Dort muß ich dann sehen, wie ich nach Lille weiterkomme. Es wird ja nicht so einfach sein, aber ich werde es schon schaffen.
Ich habe hier zwei Herren kennen gelernt, die sich etwa nach meiner Anschrift in Lille erkundigen werden. Der eine ist ein Dr. Schwenker aus Berlin, der beim Reichswirtschaftsministerium tätig ist und ein Johannes Neumann aus Wurzen. Mit dem ersteren bin ich am Sonntag in Bonn gewesen und mit dem letzteren bin ich die vergangenen Tage ebenfalls zusammen gewesen. Gib Ihnen meine neue Anschrift auf Verlangen dann bekannt, denn es liegt mir daran.
Meine Sachen, die ich anhatte, habe ich zu einem Paket zusammengepackt und lasse sie morgen mit zur Post geben. Den Anzug habe ich vorerst einmal da behalten, vielleicht kann ich ihn noch brauchen.
Meinen Antrag auf Bewilligung von 10,- RM ziehe ich hiermit zurück, weil für mich keine Schuhe genehmigt wurden. Solltest Du das Geld noch nicht abgeschickt haben, so lass es bitte bleiben.
Ich muß nun einmal sehen, wie dort alles wird und was ich dort an Geld bekomme. Je nach dem werde ich mir das eine oder andere dann dort kaufen.
Sofern Dein Vater mir die Briefmarke vom Deutschen Derby in Hamburg 1940 noch nicht geschickt haben sollte, so bitte ich Dich, mir eine, womöglich ein Randstück, besorgen zu wollen. Ebenfalls wird Kurt von seinem Geld auch eine haben wollen.
Da ich heute früh schon geschrieben habe, und auch am Nachmittag keine Post von Dir eingegangen ist, habe ich Dir das wichtigste wieder mitgeteilt. Eingetroffen ist jedenfalls, wie ich zuerst vermutet hatte, daß ich am Donnerstag reise. Ich möchte es als ein gutes Vorzeichen deuten, daß ich gerade an meinem Geburtstag diese Fahrt antrete. Du siehst also, der Aberglaube stirbt nicht aus.
Seid Ihr alle herzlich gegrüßt und geküßt und Du ganz besonders von Deinem Ernst.
Grüße auch Vater von mir. Als Besonderheit wäre noch zu melden, daß es nach den schönen Tagen zum ersten Male geregnet hat. Heute hatte ich ja die Uniform an und so brauchte ich keinen Regenmantel. Ja, wie sich alles gibt. Gute Nacht. Sobald Du von Gloper etwas erhältst, schreibe bitte, damit ich danke. 

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