Meine liebe Frau! O.U., den 25.Juli 1940
Gestern habe ich einmal geschwänzt und
habe Dir keinen Brief schreiben können. In meiner Freizeit habe ich mich an den
Brief für unseren Jörg gemacht. Am Abend habe ich weitere Post erledigen wollen,
doch in bin dann an unserem Theater vorbeigekommen und bin dann sozusagen
hineingefallen. Es war sehr unterhaltend, doch daß ich gestern Dir nicht
geschrieben habe, hat mich etwas gedrückt. Es wurde im Theater so ein richtiges
Volksstück gegeben, das einen wieder für die Zeit der Spieldauer aus der ganzen
Umgebung gehoben hat. Man fühlte sich während dieser Zeit immer wieder in
Deutschland. Dieser Tage sollen hier durch das Weimarer Staatstheater
musikalische Werke aufgeführt werden. U.a. sollen „Die verkaufte Braut“ von
Smetana und „Tiefland“ von d`Albert zur Aufführung kommen. Nachdem dies alles
kostenlos ist, bin ich ja, nachdem ich mich ja schon immer an derartigen Dingen
erfreut habe, direkt dazu gezwungen hineinzugehen. Wir können ja nicht darüber
klagen, daß für die geistige Betreuung nichts für uns getan würde. In der Woche
immer neues Kinoprogramm mit Wochenschau und dann diese Aufführungen.
Zwischendrin muß man ja wieder einmal
zeitig ins Bett gehen, damit man auch wieder arbeiten kann. Dieser Tage habe
ich einen Dolmetscher, der Schweizer ist, mit ins Kino genommen, um ihm einmal
die Wochenschau zu zeigen und damit auch unseren Führer. Außerdem wurde der
Film „D III 88“ gezeigt, den wir uns zusammen auch angesehen hatten. Nach dem,
was mir dieser Mann gesagt hat, ist ihm dies früher noch nie gezeigt worden und
er betonte noch, daß es ihm gut gefallen hätte. So muß man immer wieder für
unsere Sache aufklärend wirken.
Das mit dem Kostüm hast Du ja fein
gemacht. Das ist schön, daß Du Dir auch einmal etwas geleistet hast. Ich habe
Dir ja auch hier noch Stoff gekauft, doch wie ich schon schrieb, wirst Du damit
schon fertig werden. Laß Dich nur einmal darin fotografieren.
Gewitter habe ich hier noch keine erlebt,
doch hier geht es keinen Tag ohne Regen in Lille. So ist es aber auch, entweder
feiner Regen wie Nebel, dann einmal stärker und ganz starke Regen. Meistens
dauern sie nicht lange, aber in allen Nuancen werden sie uns hier vorgesetzt.
Bei meiner Wohnung habe ich große Platanen
vor dem Haus. Früh, wenn ich dann aufwache und es windet, dann rauschen die
Bäume. Sehr oft kann man nicht unterscheiden, ob es regnet oder nur windet.
Wenn ich aber auf Regen tippe, ist es auch meistens so. Ja bei uns trifft sich
das Festlandklima mit dem Klima des Atlantik, daher auch die reichlichen Niederschläge.
Es ist auch deshalb ohne weiteres
erklärlich, daß die Häuser hier so schwarz und verwittert aussehen. Der
Regen und der Rauch von den vielen Fabriken der Umgegend -Nordfrankreich, zählt
zu den stärksten Industriegebieten Frankreichs überhaupt - verbinden sich
miteinander und lasse alles ziemlich schnell verwittern.
Wegen dem Weintrinken brauchst Du Dir bestimmt
keine Sorgen machen. Erstens werde ich gezwungen sein, mir das daheim selbst
wieder abzugewöhnen und zweitens kann ich hier schon etwas vertragen, daß ich
in der Allgemeinheit nicht auffalle. Zudem weiß ich, wie in allem ja auch Maß
zu halten.
Heute habe ich schon Deinen Brief vom 21.
erhalten. Auch den Brief des Herrn Naumann. Ja, die Bilder solltest Du schon
behalten. Das sollte für Dich eine Überraschung sein, darum habe ich Dir ja
auch nichts davon geschrieben. Hast Du auch die Filme dazu erhalten?
Gefreut habe ich mich, als ich gelesen
habe, daß Du drei Päckchen erhalten hast. Weitere drei Päckchen sind ja dann
noch unterwegs. Wenn Dir alles zugesagt hat, so bin ich sehr zufrieden. Ja
weißt Du, wenn ich Geld habe, habe ich schon Geschmack, doch daran hatte es bei
uns ja bis jetzt immer gefehlt.
Ich muß sowieso sehen, daß ich noch
einiges für Dich kaufe. Für die Kinder könnte ich vielleicht auch dies oder
jenes kaufen, doch das ist mir immer schwieriger. Derartige Dinge kann man
ja hier verhältnismäßig billig kaufen.
Wenn Du hier wärst, könnte ich dies aber noch viel besser erledigen. Na wir
müssen augenblicklich eben so zufrieden sein und hoffen, daß wir bald wieder
zusammen sein können. Über die Preise und die Waren habe ich mich hier sehr
eingehend unterrichtet und weiß schon, wo ich hinzugehen habe.
Ich habe wieder so zwischendurch den Brief
für Dich mit fertig gemacht und nun ist bald Feierabend. Sei Du mein liebes
Mädel herzlich und vielmals von mir gegrüßt und geküßt und gib unseren beiden
Lausern jedem einen herzhaften Kuß. Denke Du mit einem Schreiben, das mich ja
schließlich jetzt nur mit Dir verbindet wieder an Deinen Ernst.
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