Sonntag, 26. Juli 2015

Brief 34 vom 25.7.1940


Meine liebe Frau!                                                      O.U., den 25.Juli 1940

Gestern habe ich einmal geschwänzt und habe Dir keinen Brief schreiben können. In meiner Freizeit habe ich mich an den Brief für unseren Jörg gemacht. Am Abend habe ich weitere Post erledigen wollen, doch in bin dann an unserem Theater vorbeigekommen und bin dann sozusagen hineingefallen. Es war sehr unterhaltend, doch daß ich gestern Dir nicht geschrieben habe, hat mich etwas gedrückt. Es wurde im Theater so ein richtiges Volksstück gegeben, das einen wieder für die Zeit der Spieldauer aus der ganzen Umgebung gehoben hat. Man fühlte sich während dieser Zeit immer wieder in Deutschland. Dieser Tage sollen hier durch das Weimarer Staatstheater musikalische Werke aufgeführt werden. U.a. sollen „Die verkaufte Braut“ von Smetana und „Tiefland“ von d`Albert zur Aufführung kommen. Nachdem dies alles kostenlos ist, bin ich ja, nachdem ich mich ja schon immer an derartigen Dingen erfreut habe, direkt dazu gezwungen hineinzugehen. Wir können ja nicht darüber klagen, daß für die geistige Betreuung nichts für uns getan würde. In der Woche immer neues Kinoprogramm mit Wochenschau und dann diese Aufführungen.
Zwischendrin muß man ja wieder einmal zeitig ins Bett gehen, damit man auch wieder arbeiten kann. Dieser Tage habe ich einen Dolmetscher, der Schweizer ist, mit ins Kino genommen, um ihm einmal die Wochenschau zu zeigen und damit auch unseren Führer. Außerdem wurde der Film „D III 88“ gezeigt, den wir uns zusammen auch angesehen hatten. Nach dem, was mir dieser Mann gesagt hat, ist ihm dies früher noch nie gezeigt worden und er betonte noch, daß es ihm gut gefallen hätte. So muß man immer wieder für unsere Sache aufklärend wirken.
Das mit dem Kostüm hast Du ja fein gemacht. Das ist schön, daß Du Dir auch einmal etwas geleistet hast. Ich habe Dir ja auch hier noch Stoff gekauft, doch wie ich schon schrieb, wirst Du damit schon fertig werden. Laß Dich nur einmal darin fotografieren.
Gewitter habe ich hier noch keine erlebt, doch hier geht es keinen Tag ohne Regen in Lille. So ist es aber auch, entweder feiner Regen wie Nebel, dann einmal stärker und ganz starke Regen. Meistens dauern sie nicht lange, aber in allen Nuancen werden sie uns hier vorgesetzt.
Bei meiner Wohnung habe ich große Platanen vor dem Haus. Früh, wenn ich dann aufwache und es windet, dann rauschen die Bäume. Sehr oft kann man nicht unterscheiden, ob es regnet oder nur windet. Wenn ich aber auf Regen tippe, ist es auch meistens so. Ja bei uns trifft sich das Festlandklima mit dem Klima des Atlantik, daher auch die reichlichen Niederschläge. Es ist auch deshalb ohne weiteres  erklärlich, daß die Häuser hier so schwarz und verwittert aussehen. Der Regen und der Rauch von den vielen Fabriken der Umgegend -Nordfrankreich, zählt zu den stärksten Industriegebieten Frankreichs überhaupt - verbinden sich miteinander und lasse alles ziemlich schnell verwittern.
Wegen dem Weintrinken brauchst Du Dir bestimmt keine Sorgen machen. Erstens werde ich gezwungen sein, mir das daheim selbst wieder abzugewöhnen und zweitens kann ich hier schon etwas vertragen, daß ich in der Allgemeinheit nicht auffalle. Zudem weiß ich, wie in allem ja auch Maß zu halten.
Heute habe ich schon Deinen Brief vom 21. erhalten. Auch den Brief des Herrn Naumann. Ja, die Bilder solltest Du schon behalten. Das sollte für Dich eine Überraschung sein, darum habe ich Dir ja auch nichts davon geschrieben. Hast Du auch die Filme dazu erhalten?
Gefreut habe ich mich, als ich gelesen habe, daß Du drei Päckchen erhalten hast. Weitere drei Päckchen sind ja dann noch unterwegs. Wenn Dir alles zugesagt hat, so bin ich sehr zufrieden. Ja weißt Du, wenn ich Geld habe, habe ich schon Geschmack, doch daran hatte es bei uns ja bis jetzt immer gefehlt.
Ich muß sowieso sehen, daß ich noch einiges für Dich kaufe. Für die Kinder könnte ich vielleicht auch dies oder jenes kaufen, doch das ist mir immer schwieriger. Derartige Dinge kann man ja  hier verhältnismäßig billig kaufen. Wenn Du hier wärst, könnte ich dies aber noch viel besser erledigen. Na wir müssen augenblicklich eben so zufrieden sein und hoffen, daß wir bald wieder zusammen sein können. Über die Preise und die Waren habe ich mich hier sehr eingehend unterrichtet und weiß schon, wo ich hinzugehen habe.
Ich habe wieder so zwischendurch den Brief für Dich mit fertig gemacht und nun ist bald Feierabend. Sei Du mein liebes Mädel herzlich und vielmals von mir gegrüßt und geküßt und gib unseren beiden Lausern jedem einen herzhaften Kuß. Denke Du mit einem Schreiben, das mich ja schließlich jetzt nur mit Dir verbindet wieder an Deinen Ernst.

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