Meine liebe Annie! Köln, den 1.Juli 1940
Heute früh habe ich so regelrecht
verschlafen. Bis ich fertig war mit anziehen, war es bereits 1/2 11 Uhr.
Ja, das kam wieder daher, daß wir wieder
von 1/2 1 bis 3/4 3 Uhr im Keller waren.
Ich merke nun auch schon, daß das zum Programm
des Tages bezw. der Nacht gehört. Man
gewöhnt sich ja schließlich an alles. Doch eines habe ich leider schon wieder
verlernt, und das ist der Kommiszwang. Wahrscheinlich waren die 6 Wochen doch
zu wenig für mich, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Es kann ja
aber alles noch wieder anders kommen.
Wir haben uns heute erkundigt, was wir eigentlich für Gebührnisse
bekommen, doch nach allem, was man hört, sollen die nicht sehr hoch sein. Bei
dem teuren Hotelleben kann man sich weiter nichts wünschen, als so bald wie
möglich hier fortzukommen. Die eigentlichen Hotelkosten übernimmt das OKH
(Oberkommando des Heeres). Aber schon das Frühstück kostet 1,50 RM. Mittagessen
im Durchschnitt fast ebenso und mit dem Abendbrot kommt man kaum billiger weg.
Ein Transport kommt noch im Laufe dieser
Woche hier weg, und wenn alles klappt, kann es sein, daß auch ich diese Woche
mit fortkomme. Meine Uniform soll morgen fertig werden, denn davon hängt die
ganze weitere Angelegenheit ab. Wir werden mit Omnibussen von hier an unseren
Bestimmungsort gebracht.
Ich wäre jedenfalls froh, wenn es soweit
ist, damit man sich dann einmal einrichten kann und auch einmal genau erfährt,
was einem zur Verfügung steht. Das Arbeitsgebiet selbst wird wahrscheinlich
sehr umfangreich sein. Eines ist mir aber immer noch rätselhaft, wie ich dazu
ausersehen wurde, mit bei dieser Aktion beteiligt zu sein. Gestern Abend im
Luftschutzkeller, wir waren übrigens ja wieder unten (ich stelle fest, daß ich
das ja schon geschrieben habe) habe ich wieder von einem Herrn aus der
Leipziger Gegend gehört, daß auch er schon vorher so eine halbe Mitteilung von
höherer Stelle erhalten hat. Na, lassen wir das Rätsel so lange ungelöst, bis
es sich etwa einmal von selbst löst.
Von Deinem Kuchen habe ich gestern Nacht
wieder ein Stückchen gegessen und ich habe immer noch etwas Vorrat; ebenso von
den Pralinen. Man muß eben immer sparsam damit umgehen.
Sei Du, sowie auch die Kinder vielmals
herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
An Rieck habe ich heute geschrieben.
Meine liebe gute Frau! Köln,
den 2.Juli 1940
Heute früh erhielt ich schon Deinen lieben
Brief von gestern ausgehändigt. Das geht ja eigentlich ganz schnell. Dir danke
ich, daß Du mir so schnell meinen Wunsch erfüllt hast. Ich habe die Bilder
schon eingeordnet.
Nun sieht die Sache ganz anders aus.
Meinen Dank kann ich leider nicht persönlich dafür aussprechen, doch das werde
ich zu gegebner Zeit nachholen.
Nach den beigefügten Durchschlägen zu
rechnen, hast Du Dich mit Deinen Schreiben aber gewaltig angestrengt. Ich danke
Dir für die Übersendung der Durchschrift. Aus Deinem Brief hatte ich entnommen,
daß Euch der Abschied auch diesmal wieder nicht leicht gefallen ist. Ja, das
glaube ich Euch gerne und ich kann Euch sagen, ich bliebe auch lieber bei Euch
als irgendwo in der Welt Verwaltungsmensch zu spielen. Es ist nun aber einmal
Krieg und den ergangenen Befehlen muß man sich einmal fügen.
Nach dem, was ich hier schon gehört habe,
kann sich diese Angelegenheit ziemlich lange hinausziehen, und wir müßten uns
u.U. auf eine längere Trennung gefaßt machen. Doch lassen wir hier lieber die
Tatsache als die Vermutung sprechen. Sobald man mit diesen Herren beieinander
sitzt, so wird das Thema Frankreich nach jedem Sachgebiet hin beleuchtet und
ich mache bis jetzt meistens nur den stillen Zuhörer, weil ich hierbei wieder
vieles lernen kann. Außerdem ist es so, daß ich bei der Verteilung der Arbeitsgebiete
den kleinsten Rang bekommen habe, wenn er immerhin auch dem Feldwebelsrang
entspricht.
Wenn es tatsächlich länger dauern sollte,
braucht es ja schließlich nicht immer bei dem bleiben, vorausgesetzt, daß die
Arbeit richtig bewertet wird. Doch auch dies werden wir der Zeit überlassen.
Meine Uniform, es ist genau so eine wie
ich schon gehabt habe, macht sich ganz nett, sie hat nur andere Schulterstücke
und andere Spiegel und den Unterschied, daß sie nachträglich dem Träger entsprechend
abgeändert wurde.
Das teure Leben hier macht mir schon
einige Sorgen und zwar hauptsächlich deshalb, weil ich noch nicht weiß, was mir
zusteht. Heute habe ich mir einen Vorschuß von 50,-RM geben lassen, der dann
bei der neuen Dienststelle mit verrechnet wird. Ich lege Dir einmal je eine
Rechnung über Mittags- und Abendessen bei, da wirst Du staunen. Mit diesem Geld
kannst Du uns alle satt machen und das ist anders. Ich lege Dir weiter noch
einige Marken bei, die Du entsprechend mit verwenden kannst.
Wie ich heute wieder gehört habe, kommen
wir kaum vor Montag hier fort. Du kannst also nach wie vor Deine Post hierher
richten, bis ich Dir wieder Bescheid gebe. Etwa hier noch ankommende Post werde
ich dann nachsenden lassen. Gestern waren wir wieder über 1 Stunde im Keller.
Die Gemeinheit ist nur die, daß man immer aus dem schönsten Schlaf geweckt
wird. Denen da drüben werden demnächst die Augen schon noch übergehen. Heute
Abend gehe ich noch ins Kino, denn ich möchte mich auch noch einmal
informieren, was eigentlich läuft. Seid Ihr alle herzlich gegrüßt und geküßt
und nimm auch Du einen besonders herzlichen und kräftigen Kuß entgegen von
Deinem Ernst.
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