Donnerstag, 2. Juli 2015

Brief 21 vom 1. und 2.7.1940


Meine liebe Annie!                                                                  Köln, den 1.Juli 1940

Heute früh habe ich so regelrecht verschlafen. Bis ich fertig war mit anziehen, war es bereits 1/2 11 Uhr.
Ja, das kam wieder daher, daß wir wieder von 1/2 1 bis 3/4 3 Uhr im Keller waren.
Ich merke nun auch schon, daß das zum Programm des Tages bezw. der  Nacht gehört. Man gewöhnt sich ja schließlich an alles. Doch eines habe ich leider schon wieder verlernt, und das ist der Kommiszwang. Wahrscheinlich waren die 6 Wochen doch zu wenig für mich, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Es kann ja aber alles noch wieder anders kommen.
 Wir haben uns heute erkundigt, was wir eigentlich für Gebührnisse bekommen, doch nach allem, was man hört, sollen die nicht sehr hoch sein. Bei dem teuren Hotelleben kann man sich weiter nichts wünschen, als so bald wie möglich hier fortzukommen. Die eigentlichen Hotelkosten übernimmt das OKH (Oberkommando des Heeres). Aber schon das Frühstück kostet 1,50 RM. Mittagessen im Durchschnitt fast ebenso und mit dem Abendbrot kommt man kaum billiger weg.
Ein Transport kommt noch im Laufe dieser Woche hier weg, und wenn alles klappt, kann es sein, daß auch ich diese Woche mit fortkomme. Meine Uniform soll morgen fertig werden, denn davon hängt die ganze weitere Angelegenheit ab. Wir werden mit Omnibussen von hier an unseren Bestimmungsort gebracht.
Ich wäre jedenfalls froh, wenn es soweit ist, damit man sich dann einmal einrichten kann und auch einmal genau erfährt, was einem zur Verfügung steht. Das Arbeitsgebiet selbst wird wahrscheinlich sehr umfangreich sein. Eines ist mir aber immer noch rätselhaft, wie ich dazu ausersehen wurde, mit bei dieser Aktion beteiligt zu sein. Gestern Abend im Luftschutzkeller, wir waren übrigens ja wieder unten (ich stelle fest, daß ich das ja schon geschrieben habe) habe ich wieder von einem Herrn aus der Leipziger Gegend gehört, daß auch er schon vorher so eine halbe Mitteilung von höherer Stelle erhalten hat. Na, lassen wir das Rätsel so lange ungelöst, bis es sich etwa einmal von selbst löst.
Von Deinem Kuchen habe ich gestern Nacht wieder ein Stückchen gegessen und ich habe immer noch etwas Vorrat; ebenso von den Pralinen. Man muß eben immer sparsam damit umgehen.
Sei Du, sowie auch die Kinder vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
An Rieck habe ich heute geschrieben.

Meine liebe gute Frau!                                                      Köln, den 2.Juli 1940 

Heute früh erhielt ich schon Deinen lieben Brief von gestern ausgehändigt. Das geht ja eigentlich ganz schnell. Dir danke ich, daß Du mir so schnell meinen Wunsch erfüllt hast. Ich habe die Bilder schon eingeordnet.
Nun sieht die Sache ganz anders aus. Meinen Dank kann ich leider nicht persönlich dafür aussprechen, doch das werde ich zu gegebner Zeit nachholen.
Nach den beigefügten Durchschlägen zu rechnen, hast Du Dich mit Deinen Schreiben aber gewaltig angestrengt. Ich danke Dir für die Übersendung der Durchschrift. Aus Deinem Brief hatte ich entnommen, daß Euch der Abschied auch diesmal wieder nicht leicht gefallen ist. Ja, das glaube ich Euch gerne und ich kann Euch sagen, ich bliebe auch lieber bei Euch als irgendwo in der Welt Verwaltungsmensch zu spielen. Es ist nun aber einmal Krieg und den ergangenen Befehlen muß man sich einmal fügen.
Nach dem, was ich hier schon gehört habe, kann sich diese Angelegenheit ziemlich lange hinausziehen, und wir müßten uns u.U. auf eine längere Trennung gefaßt machen. Doch lassen wir hier lieber die Tatsache als die Vermutung sprechen. Sobald man mit diesen Herren beieinander sitzt, so wird das Thema Frankreich nach jedem Sachgebiet hin beleuchtet und ich mache bis jetzt meistens nur den stillen Zuhörer, weil ich hierbei wieder vieles lernen kann. Außerdem ist es so, daß ich bei der Verteilung der Arbeitsgebiete den kleinsten Rang bekommen habe, wenn er immerhin auch dem Feldwebelsrang entspricht.
Wenn es tatsächlich länger dauern sollte, braucht es ja schließlich nicht immer bei dem bleiben, vorausgesetzt, daß die Arbeit richtig bewertet wird. Doch auch dies werden wir der Zeit überlassen.
Meine Uniform, es ist genau so eine wie ich schon gehabt habe, macht sich ganz nett, sie hat nur andere Schulterstücke und andere Spiegel und den Unterschied, daß sie nachträglich dem Träger entsprechend abgeändert wurde.
Das teure Leben hier macht mir schon einige Sorgen und zwar hauptsächlich deshalb, weil ich noch nicht weiß, was mir zusteht. Heute habe ich mir einen Vorschuß von 50,-RM geben lassen, der dann bei der neuen Dienststelle mit verrechnet wird. Ich lege Dir einmal je eine Rechnung über Mittags- und Abendessen bei, da wirst Du staunen. Mit diesem Geld kannst Du uns alle satt machen und das ist anders. Ich lege Dir weiter noch einige Marken bei, die Du entsprechend mit verwenden kannst.
Wie ich heute wieder gehört habe, kommen wir kaum vor Montag hier fort. Du kannst also nach wie vor Deine Post hierher richten, bis ich Dir wieder Bescheid gebe. Etwa hier noch ankommende Post werde ich dann nachsenden lassen. Gestern waren wir wieder über 1 Stunde im Keller. Die Gemeinheit ist nur die, daß man immer aus dem schönsten Schlaf geweckt wird. Denen da drüben werden demnächst die Augen schon noch übergehen. Heute Abend gehe ich noch ins Kino, denn ich möchte mich auch noch einmal informieren, was eigentlich läuft. Seid Ihr alle herzlich gegrüßt und geküßt und nimm auch Du einen besonders herzlichen und kräftigen Kuß entgegen von Deinem Ernst.

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