Donnerstag, 23. Juli 2015

Brief 29 vom 17.7.1940


Meine liebe Frau!                                                                        O.U.. den 17.Juli 1940

 Bis heute immer noch keine Post. Du wirst sicher selbst denken, wann hört denn einmal dieser Stoßseufzer auf. Wenn man aber wartet, scheint einem alles länger zu dauern. Ich werde mich aber weiter gedulden.
Wie es scheint, habe ich mit der Urlaubsangelegenheit etwas voreilig geschrieben. Es tut mir leid, daß ich in dieser Beziehung schon wieder eine halbe Absage schreiben muß. Unser Chef ist der Ansicht, daß wir nicht in Urlaub wollten, nachdem wir ja erst kurz hier seien. Wir müssen nun sehen, wie diese ganze Frage behandelt wird. Zu gegebener Zeit werde ich Dir also darüber wieder schreiben.
Von mir selbst könnte ich augenblicklich nichts weiter berichten als das, was ich ja schon in den letzten Tagen geschrieben habe, daß unser Tagwerk so ziemlich festgelegt ist und abgesehen von kleinen Abänderungen, die sich ja immer ergeben, normal abläuft.
Ich könnte Dir heute höchstens über die Belegschaft etwas schreiben. Wir sind hier bei der „Mairie“ zu Deutsch, Bürgermeisterei, elf Männer und eine Dame als Schreibfräulein. Unser Chef ist im Zivilleben Bürgermeister von Würzburg. Wenn ich ihn charakterisieren soll nach dem, was ich bis jetzt von ihm kennengelernt habe, kann ich nur sagen, daß ich bis jetzt nichts zu klagen habe. Zwei weitere Kollegen sind von Baden. Einer in meinem Rang ist aus Mosbach und der andere ist noch so eine Stufe höher, der kommt von Freiburg. Weiter haben wir noch vier Mann, die dem Verwaltungstrupp angehören, die kommen alle von Schlesien. Ein anderer Herr ist aus Pommern und einer aus Kiel. Das wären so bald alle. Verschiedene waren davon in Verwaltungen tätig, andere sind nur aus verwandten Betrieben. Wir bilden hier so eine kleine Gemeinschaft, die nun ihre Stärken und ihre Schwächen hat. Über die Schwächen muß man ja meistens hinwegsehen. Das Schreibfräulein ist eine Elsässerin, die mit einem Franzosen verheiratet ist. Sie weiß allerdings über den Aufenthalt ihres Mannes noch keinen Bescheid, weil er mit gegen  uns gekämpft hatte. Sie wurde unserer Verwaltung von der franz. Bürgermeisterei zur Verfügung gestellt, weil sie deutsch und franz. beherrscht. Dass wir hier dem französischen Bürgermeister vor die Nase gesetzt worden sind um die Arbeiten, die wir für wichtig halten zu überwachen, habe ich Dir ja schon einmal mitgeteilt.
Zu der Karte, die ich meinem gestrigen Brief beigefügt hatte, muß ich noch bemerkten, daß von dem hohen Turm nach jeder Seite hin die Fahnen des Reiches wehen. Als ich hier in den Bahnhof einfuhr konnte ich diese Fahnen schon beobachten und es hatte mich seinerzeit sehr gefreut das zu sehen. Daß das nun gerade unser Dienstgebäude war, konnte ich ja noch nicht wissen, jetzt freut es mich ja um so mehr, vor allem, wenn man bedenkt, wie diese Gesellschaft gegen uns gehetzt hat und nun müssen sie es doch dulden, daß das Hakenkreuz von ihrem Turm weht.
Dir sende ich diesmal wieder viele Grüße und Küsse und bitte Dich, gib jedem unserer Borzels einen kräftigen Kuß. In treuer Verbundenheit denkt vielmals an Dich Dein Ernst.

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