Meine liebe Annie! L.
den 18.7. 1940
In Bezug auf die Post könnte ich fast
vergleichsweise singen „Ich steh im Regen und warte auf Dich“. Ich will nun
nicht hoffen, daß Du auch so lange warten mußt. Bei mir macht ja das nicht so
viel aus, denn ich habe ja beim Kommis Disziplin gelernt. Ich habe ja, wie man
unter jetzigen Verhältnissen das verstehen muß, meine Ordnung. Früher haben wir
immer uns gewünscht einmal auswärts essen zu können. Jetzt muß ich dies jeden
Tag tun. Mittags ist ja bei mir von Amtswegen festgelegt. Zum Abend habe ich
auch so eine Art Stammlokal ausfindig gemacht, wo sich Preis und Gegenleistung
einigermaßen vereinbaren lassen. Mit dem Frühstück habe ich noch so meine
Schwierigkeiten, weil die entsprechenden Lokale, die mir einigermaßen zusagen,
zu weit aus dem Weg liegen und die übrigen bieten mir nicht das, was ich wünsche.
Man kann sich so nach und nach in das Innenleben eines Junggesellen einfühlen.
Was für mich aber von großer Bedeutung ist, ich weiß erst wieder wie schön es
ist, die Füße unter den Tisch zu stellen und sich das Essen vorsetzen zu
lassen. Ich werde mich in dieser Beziehung weiter so durchschlängeln. Ich
denke, daß es wieder einmal eine Zeit geben wird, wo wir wieder zusammen sein
können. Warten wir also weiter ab und überlassen wir alles andere wieder der
Zukunft. Was unsere Urlaubsfrage anbelangt, so kann ich bis jetzt noch keine
weitere Auskunft geben, da ich noch nichts wieder gehört habe.
Heute habe ich wieder etwas ganz
fabelhaftes für Dich gesehen. Es handelt sich dabei um einen Pelzmantel. Er ist
sehr billig, doch ist mir nur die Hauptsorge, wie ich diese Sachen heim bekomme.
Gekauft habe ich ihn zwar noch nicht, aber vielleicht werde ich es noch tun.
Jedenfalls war ich ganz begeistert darüber, was ich da gesehen habe. Man könnte
hier vieles kaufen, weil man hier so vielseitig angeregt wird. Es ist nur gut,
daß auch unserem Wehrsold eine Grenze gesetzt ist. Ich habe bei dieser Kauferei
eigentlich nur den einen Wunsch, Dir dabei eine Freude zu machen. Da wir aber
soweit voneinander getrennt wind, kann man dies ja nur so durchführen, daß man
im Rahmen des Päckchenkontingents solche kleine Aufmerksamkeiten schickt.
Auf unserer Suche nach geeigneten
Speiselokalen sind wir wieder auf ein neues gestoßen. Da kann man sich ungehindert
richtig satt essen. Es geht dort nicht kleinlich zu. Die Inhaberin ist durch
ihre Heirat Deutsche geworden. Sie verpflegt deutsche Soldaten, die wie wir ja
auch, in freier Verpflegung stehen. Die
meisten sagen zu dieser Frau, die wahrscheinlich Witwe ist, Mutti. Daraus kann
man doch ersehen, wie die Frau für die Männer sorgt. Wenn man die Sorgfalt, mit
der man doch daheim sonst umgeben ist,
hier nur, wie oben geschildert, im Abglanz verspürt, so ist man ja schon ganz
zufrieden. Vor allem auch deshalb, weil die Leute deutsch sprechen und die
ganze Aufmachung mehr unseren Gewohnheiten entspricht. Doch genug davon.
Wie geht es Euch dreien, was mach Vater?
Kurt und die Eltern werden sicher wieder
geschrieben haben. Siegfried sicherlich auch. Kommst Du so mit der Gartenarbeit
mit? Laß lieber etwas liegen und überarbeite Dich nicht so. Wenn es möglich
ist, so nutzt bitte die Badezeit aus, der Winter ist immer so lang. Ihr habt
Euch dann wenigstens dadurch etwas gekräftigt.
Nachdem ich nun schon einmal hier oben
sitze, will ich versuchen, einmal an das Meer zu kommen. Boulogne, Calais oder
Dünkirchen würde ich dabei als Ziel ins Auge fassen. Sehen muß ich dann erst,
welcher Wunsch dabei in Erfüllung geht. Sei Du diesmal wieder vielmals herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Herzliche Küsse von mir gib unseren
Kindern, sage ihnen aber gleichzeitig, sie sollen brav sein.
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