Meine liebe gute Frau! Lille, den 10.Juli 1940
Einen Teil meiner Post wirst Du ja inzwischen schon erhalten haben.
Wie ich Dir gestern schon schrieb, wollte
ich ja heute ins Bad gehen oder ins Kino. Nun ist aus beidem nichts geworden. Ich
habe zwar dienstlich das Bad besichtigt und habe mir die eigentliche Ausnutzung
dieser Besichtigung für die nächsten Tage vorgesehen.
Den Dienst kann man so im Allgemeinen
aushalten. Ich habe bis jetzt die Ausstellung von Passierscheinen bezw. die
Genehmigung von Weiterreisen von hier nach auswärts zu bearbeiten. Die
Unterschriftbefugnis ist mir für einen gewissen Teil auch übertragen worden, so
daß ich bis jetzt ziemlich selbständig arbeiten kann.
Es sind dabei verschiedene Franzosen zur
Vorbearbeitung dieser Sachen beigegeben. Ich muß nun sehen, wie sich alles hier
weiter entwickelt.
Ich hatte Dir ja schon in Konstanz gesagt,
daß man mir dort die Schönheit dieser Stadt gepriesen hat. Als ich nun hierher
kam, war ich ja sichtlich enttäuscht. Diese Stadt zeigt noch ziemlich Spuren
des Weltkrieges auf und man gewinnt teilweise den Eindruck, als ob die
Bevölkerung oder die sonst zuständige Stelle kein Interesse an dem Wiederaufbau
hat. Es kann ja auch sein, daß einige Leute mit diesem Boden spekulieren wollen,
jedenfalls erscheint alles sehr ungepflegt.
Stellenweise sind mitten im bewohnten und
bebauten Gebiet halb abgerissene Häuser oder die stehengebliebenen Reste sind
durch Balken abgestützt. Da nun dies alles sehr verrußt ist, sieht man ohne
weiteres, daß dieser Zustand schon ziemlich lange besteht. Bretterzäune sperren
teilweise auch diese Stellen ab. Wie gesagt, es sieht alles sehr verwahrlost
aus.
Am Denkmal für die gefallenen Soldaten aus
dem Weltkrieg hat man den Rest einer zerschossenen Kirche stehen lassen. Man
wollte damit die Deutschen wahrscheinlich für ihre Barbarei für immer festnageln. Wir sind ja auch hier
dabei, sämtliche Denkmäler, die einen für uns beleidigenden oder herabsetzenden
Inhalt ihrer Inschriften haben, zu überprüfen. Was dann damit geschieht, wird
man ja dann sehen.
Von der Dienerin meines Hauswirts habe ich
ja neulich auch schon geschrieben. Gestern habe ich wieder feststellen müssen,
daß dieses Fräulein, denn ich nehme an, daß es noch eins ist, sehr um mein Wohl
und Wehe besorgt ist. Mein Zimmer konnte bis jetzt noch nicht abgedunkelt werden.
Weil nun nach Eintritt der Dunkelheit hier auf alle Fenster von der Feldgendarmerie
geschossen wird, hat sie jetzt alles mit Papier abgedichtet, damit ich mich
auch abends, wenn ich heimkomme, ungehindert bewegen kann.
Da wir uns nun durch unsere verschiedenen
Sprachen nur sehr schlecht verständigen können, hatte ich sie falsch
verstanden, denn sie hatte mir das gleich an der Haustüre mitgeteilt, daß sie
die Veränderung vorgenommen hatte. Ich hatte nun verstanden, daß sie jetzt
Klosettpapier hingetan hätte. Es hat sich ja dann herausgestellt, daß es Papier
für Fenster war.
Im Großen und Ganzen verkehre, oder besser
gesagt, esse ich in den gleichen Lokalen und dort wissen sie meistens schon,
was ich haben will. Es ist eben nicht so einfach, wenn man für sein eigenes
Essen sich selbst umtun muß.
Wie ich Dir ja auch schon schrieb, haben
wir von der Oberfeldkommandantur, der wir ja angehören, in einem der größten
Hotels gemeinsames Mittagessen. Meistens bewegen sich ja in diesem erlauchten
Kreise nur Offiziere und es ist also für die Beamten das Kasino. Da nun ein
General mit dabei ist, so geht dort alles nach Etikette, doch an das habe ich
mich genau so gewöhnt wie an das Essen aus dem Kochgeschirr beim Kommis. Man
sieht daraus wieder, daß der Mensch sich an alles gewöhnt.
Gestern habe ich Dir ja schon geschrieben,
daß ich Dir einige nette Sachen gekauft habe. Heute habe ich wieder einiges
dazu gekauft, doch mache ich mir Gedanken, wie ich das Dir nun übermitteln
kann, da Feldpostpäckchen nur bis 250
Gr. gehen. Ich hoffe aber, daß sich im Laufe der Zeit eine Gelegenheit geben
wird.
Ich möchte Dir heute wiederum noch einmal
mitteilen, daß ich hier wirklich vollauf und genügend zu essen habe und ich
bitte Dich, schickt mir von dem wenigen was Ihr habt, nichts hierher. Ich kann
mir bei meinem jetzigen Einkommen immer wieder etwas dazu kaufen.
Sei nun wiederum herzlich gegrüßt und
geküßt von Deinem oft an Dich denkenden Ernst.
Gib den Kindern wieder einen recht
herzlichen Kuß und sage ihnen, daß ich sie herzlich grüßen lasse.
Richte auch Vater viele Grüße von mir aus.
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