Meine liebe Frau! O.U.,
den 4. August 1940
Heute ist nun der Geburtstag unseres
Jungen. Ich gedenke an diesem Tage ganz besonders meiner Lieben daheim. An
diesem Tag habe ich wieder Sonntagsdienst, so daß ich mich gleich ans Schreiben
mache, um so meine Gedanken, die ich Euch widme, los zu werden.
Gestern habe ich Dein liebes Päckchen vom
24.7. erhalten, worin die Hosenträger und das Stückchen Schokolade war. Dein
Brief, der diesem Päckchen beigefügt war,
hat wieder eine ausführliche Schilderung über den Garten enthalten, der
mich ebenfalls sehr gefreut hat. Ich sehe immer wieder daraus, mit wie viel
Liebe Du die Gartenarbeit versiehst und mir von dem Ergebnis Deiner Mühe
mitteilst. Bis jetzt war ja Deine Liebe und Mühe, wie ich aus Deinen Schreiben
entnommen habe, immer reichlich belohnt worden. Ich habe es Dir ja schon letzthin
geschrieben, wie segensreich einem diese Arbeit erscheint, wenn man als
Ergebnis seines Bemühens die reife Frucht in der Hand hält. Ich weiß ja auch,
daß Du letzten Endes Dir diese ganze Mühe nicht allein wegen Dir sondern mir zu
Gefallen tust, damit ich meine Freude daran habe. Ich habe mich aber auch jedes
Mal darüber gefreut, wenn Du mir von Deinen Erfolgen berichtetest. Günstig ist
nun bei dieser ganzen Sache, daß noch ein materieller Nutzen dabei heraus
kommt. Das wird Dir sicher auch die Kasse Deines Haushaltes wieder entlasten. Nun
zu dem Geburtstag unseres Jungen. Ich will hoffen, daß Ihr meinen Brief bis zu
diesem Tag erhalten habt. Ich hätte ihm gerne etwas geschickt, aber es ist ja
nicht so leicht, was Passendes zu finden und vor allem wird dadurch mein
Kontingent an Päckchen wieder geschmälert. Weiterhin ist es so, daß das
Spielzeug hier gar nichts wert ist. Warum soll ich deshalb so unnütze Sachen
schicken. Vor einigen Tagen habe ich ja auch für ihn ein Paar Söckle
mitgeschickt. Ob sie ihm schon passen, kann ich jetzt noch nicht beurteilen.
Gib sie ihm bitte mit. Das weitere Paar
ist für Helga bestimmt, ich nehme an, daß sie ihr nicht zu klein sind.
Ich habe aber auch an sie gedacht. Ich werde in diesen Tagen den Stoff für ein
Kleid für sie wegschicken. Über die anderen Pakete später. Was werde Ihr wohl
heute an dem Geburtstag von Jörg unternehmen. Wenn einem auch sonst die
Gedanken kommen, an solchen Tagen treten sie immer stärker auf und man möchte
gerne dabei sein, wie Ihr alle beieinander seid. Doch unter den gegenwärtigen
Umständen ist dies ja leider nicht möglich. Ich will nur hoffen, daß wir bei
den nächsten Geburtstagen wieder beieinander sind. Ich glaube aber dass die
Zeit fast zu kurz wird. Wir müssen uns eben auf das Warten verlegen Wie auch
das Schicksal in diesem Falle entscheidet, wir wollen es starken Herzens
hinnehmen und uns gegenseitig weiter vertrauen.
Uns sind gestern wieder einige Sachen
gegen Bezahlung ausgeliefert worden, die ich Euch in den nächsten Tagen mit
zugehen lassen werde. So werde ich etwa 1 Pfund Bohnenkaffee absenden, den ich
bitte, mit zu verbrauchen, weil ich hier auch jeden Tag welchen habe. Ich bekomme
wahrscheinlich noch mehr. Außerdem habe ich 1 Pfd. Kakao erhalten, den ich auch
mitsenden werde. Weiterhin haben wir 10 Stück Toilettenseife erhalten. Ich
werde von dieser dem Stoff, den ich auch mit abschicken werde, beifügen.
Gestern habe ich noch für Dich einen Unterrock und ein Paar Höschen gekauft.
Ich werde wohl kaum vor nächsten Monat dazu kommen, Dir diese Sachen mit
zugehen zu lassen. Du siehst aber, daß ich immer wieder mit an Dich denke. In
den beiden Stoffpäckchen habe ich Stoff für ein Kleid für Dich und Stoff für
ein Kleid für Helga. Du wirst ja sehen, wie Du mit dem Stoff auskommst. Ich
kann dies nicht beurteilen und ich mußte mich auf die Angaben verlassen, die
ich hier erhielt. Ich würde mich freuen, wenn Dir alles gefallen würde. Du
wirst mir ja dann schreiben, wenn Du die Sachen bekommen hast.
Die letzten zwei Päckchen hast Du
wahrscheinlich schon erhalten. Deine Antwort steht zwar noch aus, ich glaube
aber, daß sie die Post bereits zur Beförderung hat.
Wir haben seit etwa vier Tagen
ausnahmsweise schönes Wetter. Es hat nicht einmal während dieser Zeit geregnet.
Man muß zwar berücksichtigen, daß wir jetzt eigentlich bei uns in Deutschland
mitten in der Erntezeit stehen und meist auch um diese Zeit mit schönem Wetter rechnen. Hier ist das im
Allgemeinen zwar etwas anders, doch seit einigen Tagen war es hier beständig.
Wenn man so den ganzen Tag im Bau sitzt, hat man zwar auch nicht viel vom
schönen Wetter, doch es kommt gleich in der Stimmung zum Ausdruck, wenn es
nicht jeden Tag regnet.
Wie sind eigentlich die Äpfel geworden,
sind noch viel auf dem Baum und werden sie eigentlich groß? Du schreibst, daß
die Zweige schon sehr tief herunterhängen. Wahrscheinlich trägt er dann in
diesem Jahre gut. Sieh nur zu, daß Du im Keller richtig Platz bekommst, damit Du
evtl. ein Teil davon lagern kannst, wenn sie richtig ausreifen und nicht madig
sind. Dahlien habe ich dieser Tage auch auf meinem Tisch gehabt und ich habe an
unsere denken müssen. Zurzeit steht ein Strauß mit Gladiolen und Goldrute da.
Das macht das Zimmer gleich viel freundlicher. Wir können ja über die
Sauberkeit und auch über den Raum hier wirklich nicht klagen. Bei uns sind im
ganzen Haus die Putzfrauen den ganzen Tag tätig. Sie geben sich zwar viel Mühe,
doch sie nehmen sich auch entsprechend Zeit dazu. Ja die Franzosen können sehr viele
Leute mit verhältnismäßig wenig Arbeit beschäftigen. Du fragst in einem Deiner
letzten Briefe, ob das Beutewein ist. Es ist mir nun nicht ganz klar, was Du
damit meinst. Wir bekommen hier beim Mittagessen ohne Bezahlung roten oder
weißen Wein, das ist Beutewein. Den anderen, den ich mir sonst leiste, den muß
ich bezahlen und das ist keiner.
Heute früh war ich wieder beim Baden. Im
Hallenbad war es hier durch unsere Soldaten so überfüllt, daß ich ins Wannenbad
gegangen bin. Man tut es ja hauptsächlich wegen der Sauberkeit. Es ist zwar
auch ganz schön, wenn man einmal schwimmen gehen kann. Heute Nachmittag bin ich
hier nun im Dienst tätig. Am Abend werde ich wahrscheinlich ins Kino gehen. Es
wird der „Opernball“ gegeben.
Nach Kinoschluß werde ich mich wieder
heimbegeben und mich in meine Falle legen. So werde ich den Geburtstag unseres
Jungen begehen. Andere Möglichkeiten werden sich hier kaum ergeben.
In unserer heutigen Zeitung ist heute ein
Artikel über die Thurgauer Zeitung erschienen, den ich Dir mit zugehen lasse.
Ich glaube, daß er Dich sicher auch interessieren wird.
Ja, Du hast nun heute unsere beiden
Schlingel um Dich herum und weißt auch was sie treiben. Sehr oft werden sie
auch etwas anstellen, wie ich aus einem Briefe aus den letzten Tagen lesen
konnte. Wichtig ist ja, daß sie soweit recht sind und daß sie gesund sind.
Beides kann man ja von ihnen sagen. Wenn sie es einmal wieder toll treiben
sollte, so wirst Du schon mit strenger Hand so, wie ich es ja auch meistens
tat, durchgreifen. Auf diese Weise gibt sich dies dann immer am ehesten. Seid
Ihr meine Lieben alle recht herzlich gegrüßt und geküßt, Du mein liebes Mädel
aber besonders herzlich von Deinem Ernst.
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