Donnerstag, 6. August 2015

Brief 39 vom 4.8.1940


Meine liebe Frau!                                                                       O.U., den 4. August 1940

Heute ist nun der Geburtstag unseres Jungen. Ich gedenke an diesem Tage ganz besonders meiner Lieben daheim. An diesem Tag habe ich wieder Sonntagsdienst, so daß ich mich gleich ans Schreiben mache, um so meine Gedanken, die ich Euch widme, los zu werden.
Gestern habe ich Dein liebes Päckchen vom 24.7. erhalten, worin die Hosenträger und das Stückchen Schokolade war. Dein Brief, der diesem Päckchen beigefügt war,  hat wieder eine ausführliche Schilderung über den Garten enthalten, der mich ebenfalls sehr gefreut hat. Ich sehe immer wieder daraus, mit wie viel Liebe Du die Gartenarbeit versiehst und mir von dem Ergebnis Deiner Mühe mitteilst. Bis jetzt war ja Deine Liebe und Mühe, wie ich aus Deinen Schreiben entnommen habe, immer reichlich belohnt worden. Ich habe es Dir ja schon letzthin geschrieben, wie segensreich einem diese Arbeit erscheint, wenn man als Ergebnis seines Bemühens die reife Frucht in der Hand hält. Ich weiß ja auch, daß Du letzten Endes Dir diese ganze Mühe nicht allein wegen Dir sondern mir zu Gefallen tust, damit ich meine Freude daran habe. Ich habe mich aber auch jedes Mal darüber gefreut, wenn Du mir von Deinen Erfolgen berichtetest. Günstig ist nun bei dieser ganzen Sache, daß noch ein materieller Nutzen dabei heraus kommt. Das wird Dir sicher auch die Kasse Deines Haushaltes wieder entlasten. Nun zu dem Geburtstag unseres Jungen. Ich will hoffen, daß Ihr meinen Brief bis zu diesem Tag erhalten habt. Ich hätte ihm gerne etwas geschickt, aber es ist ja nicht so leicht, was Passendes zu finden und vor allem wird dadurch mein Kontingent an Päckchen wieder geschmälert. Weiterhin ist es so, daß das Spielzeug hier gar nichts wert ist. Warum soll ich deshalb so unnütze Sachen schicken. Vor einigen Tagen habe ich ja auch für ihn ein Paar Söckle mitgeschickt. Ob sie ihm schon passen, kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Gib sie ihm bitte mit. Das weitere Paar  ist für Helga bestimmt, ich nehme an, daß sie ihr nicht zu klein sind. Ich habe aber auch an sie gedacht. Ich werde in diesen Tagen den Stoff für ein Kleid für sie wegschicken. Über die anderen Pakete später. Was werde Ihr wohl heute an dem Geburtstag von Jörg unternehmen. Wenn einem auch sonst die Gedanken kommen, an solchen Tagen treten sie immer stärker auf und man möchte gerne dabei sein, wie Ihr alle beieinander seid. Doch unter den gegenwärtigen Umständen ist dies ja leider nicht möglich. Ich will nur hoffen, daß wir bei den nächsten Geburtstagen wieder beieinander sind. Ich glaube aber dass die Zeit fast zu kurz wird. Wir müssen uns eben auf das Warten verlegen Wie auch das Schicksal in diesem Falle entscheidet, wir wollen es starken Herzens hinnehmen und uns gegenseitig weiter vertrauen.
Uns sind gestern wieder einige Sachen gegen Bezahlung ausgeliefert worden, die ich Euch in den nächsten Tagen mit zugehen lassen werde. So werde ich etwa 1 Pfund Bohnenkaffee absenden, den ich bitte, mit zu verbrauchen, weil ich hier auch jeden Tag welchen habe. Ich bekomme wahrscheinlich noch mehr. Außerdem habe ich 1 Pfd. Kakao erhalten, den ich auch mitsenden werde. Weiterhin haben wir 10 Stück Toilettenseife erhalten. Ich werde von dieser dem Stoff, den ich auch mit abschicken werde, beifügen. Gestern habe ich noch für Dich einen Unterrock und ein Paar Höschen gekauft. Ich werde wohl kaum vor nächsten Monat dazu kommen, Dir diese Sachen mit zugehen zu lassen. Du siehst aber, daß ich immer wieder mit an Dich denke. In den beiden Stoffpäckchen habe ich Stoff für ein Kleid für Dich und Stoff für ein Kleid für Helga. Du wirst ja sehen, wie Du mit dem Stoff auskommst. Ich kann dies nicht beurteilen und ich mußte mich auf die Angaben verlassen, die ich hier erhielt. Ich würde mich freuen, wenn Dir alles gefallen würde. Du wirst mir ja dann schreiben, wenn Du die Sachen bekommen hast.
Die letzten zwei Päckchen hast Du wahrscheinlich schon erhalten. Deine Antwort steht zwar noch aus, ich glaube aber, daß sie die Post bereits zur Beförderung hat.
Wir haben seit etwa vier Tagen ausnahmsweise schönes Wetter. Es hat nicht einmal während dieser Zeit geregnet. Man muß zwar berücksichtigen, daß wir jetzt eigentlich bei uns in Deutschland mitten in der Erntezeit stehen und meist auch um diese Zeit  mit schönem Wetter rechnen. Hier ist das im Allgemeinen zwar etwas anders, doch seit einigen Tagen war es hier beständig. Wenn man so den ganzen Tag im Bau sitzt, hat man zwar auch nicht viel vom schönen Wetter, doch es kommt gleich in der Stimmung zum Ausdruck, wenn es nicht jeden Tag regnet.
Wie sind eigentlich die Äpfel geworden, sind noch viel auf dem Baum und werden sie eigentlich groß? Du schreibst, daß die Zweige schon sehr tief herunterhängen. Wahrscheinlich trägt er dann in diesem Jahre gut. Sieh nur zu, daß Du im Keller richtig Platz bekommst, damit Du evtl. ein Teil davon lagern kannst, wenn sie richtig ausreifen und nicht madig sind. Dahlien habe ich dieser Tage auch auf meinem Tisch gehabt und ich habe an unsere denken müssen. Zurzeit steht ein Strauß mit Gladiolen und Goldrute da. Das macht das Zimmer gleich viel freundlicher. Wir können ja über die Sauberkeit und auch über den Raum hier wirklich nicht klagen. Bei uns sind im ganzen Haus die Putzfrauen den ganzen Tag tätig. Sie geben sich zwar viel Mühe, doch sie nehmen sich auch entsprechend Zeit dazu. Ja die Franzosen können sehr viele Leute mit verhältnismäßig wenig Arbeit beschäftigen. Du fragst in einem Deiner letzten Briefe, ob das Beutewein ist. Es ist mir nun nicht ganz klar, was Du damit meinst. Wir bekommen hier beim Mittagessen ohne Bezahlung roten oder weißen Wein, das ist Beutewein. Den anderen, den ich mir sonst leiste, den muß ich bezahlen und das ist keiner.
Heute früh war ich wieder beim Baden. Im Hallenbad war es hier durch unsere Soldaten so überfüllt, daß ich ins Wannenbad gegangen bin. Man tut es ja hauptsächlich wegen der Sauberkeit. Es ist zwar auch ganz schön, wenn man einmal schwimmen gehen kann. Heute Nachmittag bin ich hier nun im Dienst tätig. Am Abend werde ich wahrscheinlich ins Kino gehen. Es wird der „Opernball“ gegeben.
Nach Kinoschluß werde ich mich wieder heimbegeben und mich in meine Falle legen. So werde ich den Geburtstag unseres Jungen begehen. Andere Möglichkeiten werden sich hier kaum ergeben.
In unserer heutigen Zeitung ist heute ein Artikel über die Thurgauer Zeitung erschienen, den ich Dir mit zugehen lasse. Ich glaube, daß er Dich sicher auch interessieren wird.
Ja, Du hast nun heute unsere beiden Schlingel um Dich herum und weißt auch was sie treiben. Sehr oft werden sie auch etwas anstellen, wie ich aus einem Briefe aus den letzten Tagen lesen konnte. Wichtig ist ja, daß sie soweit recht sind und daß sie gesund sind. Beides kann man ja von ihnen sagen. Wenn sie es einmal wieder toll treiben sollte, so wirst Du schon mit strenger Hand so, wie ich es ja auch meistens tat, durchgreifen. Auf diese Weise gibt sich dies dann immer am ehesten. Seid Ihr meine Lieben alle recht herzlich gegrüßt und geküßt, Du mein liebes Mädel aber besonders herzlich von Deinem Ernst.

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