Meine liebe Annie! Lille, den 7.7.1940
Morgen früh geht wieder Post fort und ich
möchte Dir gleich wieder schreiben, wie es mir geht und was ich erlebt habe.
Voraus möchte ich gleich nehmen, daß es mir wirtschaftlich in meinem Leben noch
nie besser gegangen ist wie jetzt hier.
Ich kann schon sagen, daß ich z.Zt. lebe
wie der liebe Gott in Frankreich. Im essen und trinken geht mir aber auch gar nichts
ab und die Kameraden, die ich bis jetzt getroffen habe, waren soweit auch sehr
nett zu mir.
Eines fehlt mir aber trotzdem, und das ist
meine Familie und die Ordnung, die ich damit habe. Die Verhältnisse verlangen
es aber, daß ich mich auf sie umstelle.
Ganz so poplig bin ich ja jetzt nicht mehr
dran, weil ich rein äußerlich nicht mehr der Rekrut oder der einfache Soldat
bin wie die vorhergehenden Wochen, denn allein durch den einen Stern sieht das
nach außen hin schon ganz anders aus; zudem beziehe ich jetzt am Wehrsold in 10
Tagen nicht 10,-RM, sondern 18,-RM. Das Schlafen wird ja von irgendeiner Stelle
übernommen, darum brauche ich mich nicht kümmern und Verpflegungsgeld bekomme
ich tägl. 5,50RM. Ja, da staunst Du.
Aber es ist so, daß ich an dem gemeinsamen
Mittagstisch der Oberfeldkommandantur, zu der wir auch gehören, teilnehmen muß,
und das kostet 1,50 RM pro Mittag.
Heute war ich zum ersten Mal dabei. Es gab
hors d`oeuvre(Vorspeise), Sardellen, Kartoffelsalat und ein paar Radieschen.
Dann gab´s ein halbes Hühnchen mit Gemüse(Erbsen und junge Bohnen) und gekochte
überbackene Kartoffeln. Als Nachtisch ein Stückchen Torte. Außer Verpflegung
franz. Rot- und Weißwein (Beutewein)soviel man will. Ein echt französisches
Essen, aber auch gut. Sonst habe ich hier schon woanders gegessen für zusammen
70 Pfennig einschließlich eine Bouteille Wein (etwa 1/2 l). Daß man hier noch
so billig leben kann kommt ja daher,
weil der Franken nur 5 Pfennig gilt.
Eine Bitte hätte ich heute noch an Dich,
sende mir doch baldmöglichst ein deutsch-französiches Wörterbuch. Ich habe doch
noch so etwas daheim gehabt (Taschenformat) vielleicht findest Du das. Außerdem
hatte ich noch ein gelbes und ein rotes englisches Buch; wenn Du das findest,
kannst du mir das auch mit senden.
Wie ich schon erfahren habe, muß man sich
mit Geduld wappnen, bis man von daheim Post erhält. Hoffentlich ist es
umgekehrt nicht auch so, daß Du solange warten mußt.
Sei Du von mir herzlich gegrüßt und geküßt
von Deinem Ernst. Küsse die Kinder auch vielmals.
Meine liebe Frau! Lille, den 8.Juli 1940
Wie ich Dir schon schrieb, bin ich ja nun
schon einige Tage hier in Lille.
Es drängt mich nun fast dazu, Dir von den
vielen Ereignissen zu berichten, die hier auf mich so eingestürmt sind.
Es ist einfach etwas ganz großes, wenn man
den Apparat sieht, mit dem unsere Wehrmacht läuft und wenn man da mit
eingeschaltet wird. Was man hier allein an Kraftfahrzeugen, geschweige denn an
allem anderen sehen kann, so kann man ermessen, daß unsere Wehrmacht den Feind
nicht hat zur Ruhe kommen lassen brauchen, denn da läuft alles nur so.
Von meiner Fahrt von Köln nach Brüssel und
dann weiter hierher nach Lille habe ich ja schon so einiges berichtet. Bei der
Grenzüberschreitungsstelle hatten wir unser sonst landläufiges Geld in
Wehrmachtsgeld , das ausschließlich hier im besetzten Gebiet neben der landesüblichen
Währung in Zahlung gegeben wird, umgetauscht.
Wir fuhren dann über die Grenze. An
unserem Haltepunkt kamen dann gleich die Einwohner und wollten alles Mögliche
an uns verkaufen.
Du weißt ja, daß ich in dieser Hinsicht
sehr zurückhaltend und sogar berechnend bin. Ich habe mir auf der Fahrt nichts
weiter gekauft, sondern habe mich dann gegen 10 Uhr in den Speisewagen gesetzt,
um mir etwas zukommen zu lassen. Ich habe also dort Kaffee getrunken und dort
konnte ich dann auch erfahren. wann wir in Brüssel sind.
Wir kamen dann über die ersten
Eisenbahnbrücken, die gesprengt waren. Das war noch in Holland. Jede Brücke,
die wir passieren mußten, war dann mehr oder weniger beschädigt.
Überall war aber alles wieder provisorisch
hergerichtet worden, damit die Hauptstrecken wieder befahrbar waren.
Als wir dann ins belgische Gebiet rein
kamen, war die Sache dann schon bedeutend schlimmer. Wie ich Dir schon
berichtete, fuhren wir über Hasselt und dann Löwen, nach Brüssel.
Hasselt wurde ja seinerzeit auch im Heeresbericht
erwähnt, wenn Du Dich noch erinnern kannst. In Löwen waren dann die stärkeren
Beschädigungen so von der Bahn aus festzustellen.
Alles im Einzelnen so genau zu beschreiben
ist ja fast nicht möglich. Im Bild sieht manches noch ganz anders aus, als man
das in der Natur dann selbst sehen kann. Die Bahnhöfe hatten fast alle keine
Fenster mehr, das war ja gleich sehr auffallend, die Dächer waren von vielen
Häusern zerschossen oder allein vom Luftdruck heruntergeschleudert.
Wenn man das alles so niederschreibt, kann
man es ja gar nicht so schildern wie es in Wirklichkeit aussieht. Eines freut
einen aber doch, wenn man sich sagen kann, diese Zerstörungen sind von unserer
Heimat von den einzelnen Fliegerangriffen abgesehen, ferngehalten worden.
In Brüssel kam ich ja etwa gegen 5 Uhr
abends an. Dort ging ich dann gleich zum Quartieramt und besorgte mir eine
Schlafgelegenheit. Sie war fast am entgegen gesetzten Ende. Das eine gute war
aber doch dabei, daß ich mich so durch die Stadt lotsen mußte und gleichzeitig
einen großen Teil kennenlernte.
Der Verkehr ist ja auch dort wieder ganz gewaltig und es stellt schon ein
Erlebnis dar, wenn man sich zum ersten Mal in einem fremden Land in einer so
großen Stadt befindet.
Ich habe mir, das schrieb ich Dir ja
schon, ein Abendbrot geleistet und bin
dann durch die Stadt gebummelt. Die Läden haben nun noch ausgezeichnete
Auslagen und man hätte vieles kaufen können, wenn man nur das nötige Kleingeld
gehabt hätte. Etwas Schokolade zum Verzehr für unterwegs und auch einige
Briefmarken hatte ich mir gekauft.
Ich habe mich dann ins Kino gesetzt,
worüber ich Dir ja auch schon berichtete. Anschließend war es immer noch so hell,
daß ich meinen Bummel noch weiter ausdehnte.
So kam ich auch noch an das Grabmal des unbekannten
Soldaten und auch andere Gebäude habe ich gesehen. Die hereinbrechende Dunkelheit
zwang mich dann tatsächlich zum Heimgehen. Wenn auch die Stadt Brüssel auf mich den Eindruck nicht gemacht
hat, wie eine deutsche Stadt (z.B. Stuttgart), so hat es doch einen besonderen
Reiz, dort sich einmal umgesehen zu haben.
Am anderen Morgen bin ich ja dann wieder
weiter gereist. Interessant war dann noch in der Frühe, dass auf der
Hauptverkehrsstraße der ganze Markthallenverkehr abgewickelt wurde. Da konnte man
alles Gemüse und auch neue Kartoffeln in rauen Mengen kaufen.
Die Weiterfahrt durch den Rest von Belgien
und dann durch Frankreich bot dann das gleiche Bild wie ich schon oben
geschildert habe. Hin und wieder befand sich noch eine Linie von Schützengräben
längs der Bahnlinie, oder vereinzelt auch ein Bunker, der den Eisenbahnverkehr
im Kriegsfalle überwachen sollte.
Was man so feststellen konnte, war der
Widerstand dieser Besatzungen nicht gerade von langer Dauer, denn meistens sind
sie, fall sie sich nicht rechtzeitig ergeben haben, ausgeräuchert worden.
Zusammenfassend kann man sagen, daß diese
Dinge unseren Sieg nur um kurze Zeit aufhalten, aber nicht verhindern konnten,
weil bei uns alles bis ins kleinste durchdacht war. Weiter wird man auch hier wieder
in dem Glauben an Deutschlands Größe nur bestätigt.
Gegen Mittag traf ich ja dann hier in
Lille ein. Ich bin dann mit meinem Koffer gleich losgezogen, um mich hier auf
dem Rathaus zu melden. Auffallenderweise war der Bahnhof (in Brüssel ja auch)
vollkommen in Ordnung. Alles ist hier im Aufbau begriffen und keiner hat so
richtig Bescheid gewußt.
Ich habe mich dann bei so verschiedenen
Instanzen durchgefragt und bin dann am Ende doch noch richtig gelandet. Ich
wurde noch unserem Chef vorgestellt und hatte dann noch Gelegenheit, die
einzelnen Herren kennenzulernen, die bis jetzt hier ihren Dienst versehen.
Der Einsatz von deutschen Beamten ist ja
nun nicht gerade überwältigend, aber mit Hilfe des hier bestehenden französischen
Apparates wird ja die ganze anfallende Arbeit geschafft. Wir führen so
gewissermaßen hier die Oberaufsicht und nach unseren Anordnungen, d.h. nach
deutschem Muster, muß dann alles durchgeführt werden.
Mit ziemlich gemischten Gefühlen steht man
der Bevölkerung gegenüber.
Wenn sie auch nach außen hin äußerst entgegen
kommend erscheint, so gewinnt man doch den Eindruck, daß vieles nur Tünche ist.
Die ärmere Bevölkerung denkt vielleicht da etwas anders, doch das kommt daher,
ich denke hierbei an die Mädchen, daß der deutsche Soldat jetzt Geld in der
Hand hat und sich vieles leisten kann, was diese Menschen nicht können. Hier
erweisen sich diese Menschen als sehr zugänglich und stecken in ihrem
Nationalgefühl manchen Pflock zurück.
Wenn das die meisten Soldaten vielleicht
auch nicht von dieser Seite sehen, so ist diese Tatsache doch nicht so ohne
weiteres von der Hand zu weisen.
Ein Teil der gut betuchten Bevölkerung ist
ja noch nicht nach Lille zurück gekehrt und deren Wohnungen sind z.T. durch die
Wehrmacht beschlagnahmt worden. Ich hatte Gelegenheit, mir die eine oder andere
Wohnung anzusehen, aber ich muß feststellen, die behagliche Gemütlichkeit, wie
wir sie bei uns kennen, fehlte hier vollkommen. Das zeigt wieder, wie
verschieden die beiden Völker in ihrer Lebensweise doch sind. Vieles was man
hier bei den Franzosen sieht und was einem neu erscheint, beachtet man, vielleicht
ist das eine oder andere sogar brauchbar um nicht zu sagen besser, aber die
deutsche Art zu leben und zu arbeiten ziehe ich mir denn dann doch vor.
Das Dienstgebäude ist nun ein ganz neuer
Bau und ich werde Dir einmal eine Ansichtskarte demnächst mit zusenden, wie es
aussieht. Im Weltkrieg soll ja das andere zerschossen worden sein und wie ich
gehört habe, auch z.T. mit deutschen Arbeitern diesen Bau erstellt. Alles ist
sehr komfortabel hergerichtet worden. Die Ironie des Schicksals hat es aber
gewollt, daß der deutsche Mensch auch darin arbeiten kann.
Z.Zt. werden uns einige Büros
hergerichtet, damit wir nicht mehr so aufeinander sitzen, wie bisher. Weil unser
Stab nicht gerade so groß ist, sind wir, wie ich bis jetzt feststellen konnte,
ganz gut beieinander.
Ein eigentliches Arbeitsgebiet habe ich ja
bis jetzt noch nicht, denn ich helfe gerade dem Herrn mit, der am meisten
Arbeit daliegen hat. Ich hoffe allerdings, daß das dann in einiger Zeit anders
wird. Es ist ja auch so, hier leiste ich wenigstens positiv zur Zeit mehr, als
wenn ich auf dem Kasernenhof immer rechts und links mache.
Von der Kaufkraft unseres Geldes habe ich
Dir ja auch schon geschrieben und auch davon, was uns so zur Verfügung steht.
Nun brauchst Du nicht etwa zu denken ich verjubele alles. Nein, dem ist nun
nicht so. Ich habe mir jetzt verschiedenes angeschafft. Ich möchte es Dir der
Reihe nach aufzählen, aber lache nicht, wenn Du liest, auf was für Sachen ich
alles gekommen bin.
Erstens ein Paar Schuhe für mich, Preis
5,50RM. Dann ein Paar Socken, später habe ich mir noch ein weiteres Paar
zugelegt. Also solche, die ich für die gekauften Halbschuhe gebrauchen kann.
Taschentücher , das halbe Dutzend für 1 RM, damit Du nicht immer welche waschen
mußt. Heute habe ich mir 2 Schlafanzüge für zusammen 7,50RM und einen Badeanzug
aus Wolle für 3,-RM gekauft. (Hier gibt´s nämlich ein Hallenbad). Ein Paar
Hausschuhe aus Lackleder , etwas ganz vornehmes für 2,8o RM habe ich mir heute
ebenfalls zugelegt. Es sind dies alles Dinge, die ich hier noch tragen kann,
und die ich dann gewiß auch mit heim nehmen kann.
Einige Hemden werde ich mir auch noch
kaufen. Du kennst mich schon gar nicht mehr wieder, wie ich mich auf einmal
aufs Kaufen umgestellt habe, aber warum soll ich diese Gelegenheit nicht
ausnutzen. Es ist in einigen Tagen bald soweit, daß ganz Lille durch die
Soldaten ganz ausgekauft ist, wenn es dann soweit ist, fange ich an mit sparen.
Bald hätte ich es vergessen, eine
Geldtasche für Papiergeld aus sehr feinem Leder, sie hat allerdings 9,-RM
gekostet, ist auch noch in meinen Besitz übergegangen. Wenn Du also wirklich
einmal Geld brauchen solltest, so schreib mir dies nur, dann werde ich Dir umgehend
welches zukommen lassen.
Im übrigen Leben lasse ich mir auch nichts
abgehen. Gestern habe ich Dir ja auch schon geschrieben, wie wir hier zu Mittag
essen, und die übrigen Mahlzeiten kann ich auch nicht gerade als schlecht
bezeichnen, die ich hier einnehme. Was es zu essen zu kaufen gibt, das hole ich
mir.
Heute haben wir wieder eine Sonderzulage
bekommen und zwar eine Literflasche Weißwein, etwas ganz ausgezeichnetes, ja,
das weiß ich ganz genau, daß es so ist, denn ich beflügle während des Schreibens
ab und zu meinen Geist damit, und jeder hat noch 4 Pfd. Würfelzucker erhalten.
Ich würde mich freuen, wenn ich Euch dies
alles zur Verfügung stellen könnte, damit Ihr auch an dem teilhaben könntet,
was ich zur Zeit habe. Beim Abendessen trinke ich ja zumeist auch einen halben
Liter Wein, der hier 21 Pfg. kostet.
Du brauchst nun nicht etwa Angst zu haben,
daß ich mich hier zum Säufer ausbilden will, aber das ist eigentlich das
einzige, was einem über das Getrenntleben von der Familie hinweghilft. Gut ist
es auch, wenn man tagsüber seine Arbeit hat, damit man nicht daran denken muß,
was einem eigentlich hier fehlt, doch es ist ja schließlich so, daß man an dem
Ort seine Pflicht tun muß, wo man
hingestellt ist.
Ich habe schon die letzten Tage gedacht, daß
es vielleicht durch Zufall möglich sein könnte, daß ich einmal mit Siegfried
zusammentreffe, wenn er sowieso zwischen Frankreich und Deutschland verkehrt.
Wenn Du ihm schreibst, kannst du diese vielleicht mit anregen. Ich weiß ja
nicht, ob ihn ein Brief von mir eher erreicht als einer von Dir.
Deine Eltern sowie auch Nanni, denen ich
bereits von Köln aus geschrieben hatte, werde ich dieser Tage auch noch
schreiben. An das Hotel in Köln wird von Dir auch noch ein Brief gegangen sein.
Ich werde morgen früh eine Karte mit meiner Feldpostnummer an das Hotel
absenden, damit ich diese Briefe noch bekomme, die von Dir noch eingegangen
sind, soweit sie nicht schon an Dich zurückgegangen sind.
Was machen denn unsere beiden Strolche,
sind sie denn auch brav. Ich glaube aber annehmen zu müssen, daß sich seit
früher nicht viel geändert hat. Soweit es in Deinen Kräften steht, nimm sie nur
richtig ran.
Mit dem Garten wirst du auch viel arbeiten
müssen. Auch heute bitte ich Dich wieder, übernimm Dich bei dieser Arbeit nicht.
Gespannt bin ich ja, wann ich hierher
Deinen ersten Brief bekomme. Meine Hoffnung ist ja nur die, daß es nicht
solange dauert, wie bei den Kollegen, die hier sind. Eines freut mich ja heute
noch, daß ich Gelegenheit hatte, zu Euch zu kommen und Euch, wenn auch nur
kurze Zeit, zu sehen.
Wenn ich allerdings gewußt hätte, wie es
in Köln aussieht, wäre ich noch einen Tag länger bei Euch geblieben.
Ärgere Dich aber nicht darüber, denn es
läßt sich ja leider nicht ändern und dann war ja alles so unklar.
Sind wir froh um die Stunden und auch über
die Überraschung, die ich Euch bereiten konnte. Leider ist ja in Kriegszeiten
mit der Freude der Überraschung auch der Trennungsschmerz verbunden.
Ich hoffe, daß Ihr auch diesen, nachdem ja
nun wieder etliche Tage darüber hin sind, überwunden habt. Ich kenne Dich ja
als tapferen Kerl und Du wirst Dich ja auch hier wieder so verhalten haben.
Ein Kollege, dem ich dieser Tage meine
Bilder von Euch zeigte, sagte zu mir, als er Dein Bild sah, man kann ja nicht
sagen, daß Du der Typ des westlichen Menschen darstellen würdest, sondern schon
den der deutschen Frau. Ist das nicht ein Kompliment?
Jedenfalls kann ich Dir sagen, daß ich
mich im Stillen sehr darüber gefreut habe. Auch die Bilder von unseren Kindern
finden überall guten Anklang und mit Stolz betone ich jedes Mal, daß Du sie
gemacht hast.
Gestern war ich hier wieder im Kino und
dabei hatte ich Gelegenheit, die Wochenschau von Dünkirchen mit zu sehen. Für
mich war dies auch wieder ein großes Erlebnis, zudem, wo man jetzt selbst
mitten im Feindesland lebt. Ich hoffe, daß ich während der Zeit meines hiesigen
Aufenthalts Gelegenheit haben werde, auch diesen Schauplatz der Kämpfe mit
ansehen zu können.
Hier ist ja auch noch einiges zu sehen. So
u.a. einige zerschossene Kraftwagen der Engländer, die auf der Strecke
geblieben sind. Außerdem haben die Englänger in einem Kanal, der hier nahe der
Stadt liegt, verschiedene Schlepper versenkt, um die Schiffahrt darauf zu
sperren.
Außerdem sind verschiedene Brücken gesprengt
worden und eine Schleuse ist auch nicht mehr ganz in Ordnung. Auch darüber habe
ich Dir ja schon geschrieben, daß verschiedene Gräber in den Anlagen sind, von
Soldaten, die hier gefallen sind.
Gestern konnten wir nun beobachten, daß zu
einem Grab eines englischen Offiziers die reinste Prozession stattfindet,
während zu den Gräbern der deutschen Soldaten nur die Kameraden gingen. An
einem anderen Platz, wo auch deutsche Soldaten liegen, konnte ich wohl
verschiedene Personen der Bevölkerung sehen, doch Blumen haben sie keine
hingelegt wie bei ihren Bundesgenossen. Ich möchte keinem Haß über´s Grab
hinaus noch das Wort reden, doch als Deutschem fällt einem das auf und berührt
einen auch entsprechend.
Kriegsgefangene Franzosen, heller und dunkler Hautfarbe, habe ich hier
ja auch schon gesehen. Der Eindruck war auch nicht gerade glänzend, wenn ich in
diesem Falle überhaupt so ein Wort anwenden und gebrauchen soll. Mit Uniform
und Strohhüten sind sie im Zuge gelaufen. Mit oder ohne verdreckten Mantel.
Bewaffnet zum Teil mit Spazierstöcken. Jedenfalls ganz bunt durcheinander
gewürfelt. Du wirst ja die verschiedenen Bilder aus den Wochenschauen noch in
bester Erinnerung haben.
Die Bevölkerung versucht mit den
Gefangenen Fühlung aufzunehmen, um zu erfahren, welchen Truppenteilen sie
angehören. Es ist ja z.T. verständlich, daß sich diese Leute darum kümmern,
denn mancher hat doch auch Verwandte dabei, die im Kriege gegen uns gestanden
sind und nun gefangen sind oder verwundet, wenn nicht gar gefallen.
Von deutscher Seite aus kann man aber auch
beobachten, daß die Gefangenen nicht gerade hart angefaßt werden und daß sie,
obwohl wir uns ja in ihrem Lande befinden, ziemliche Freiheiten genießen.
Dies zeigt wieder einmal richtig unser
deutsches Wesen, das in dem Feind auch den tapferen Kämpfer erkennt.
Verwundete, die aus der Schlacht von Dünkirchen kommen und in die verschiedenen
Lazarette verbracht wurden, konnte ich hier auch schon sehen. Es handelt sich
ja in diesen Fällen meistens um solche Menschen, deren Hauptbehandlung ja schon
abgeschlossen ist und die zur weiteren Genesung weiter transportiert werden.
Vom Amt selber könnte ich noch als
Besonderheit berichten, daß hier an jeder Ecke und fast vor jedem Dienstzimmer
ein Polizist der Stadtpolizei steht. Sie begegnen uns wohl mit besonderer
Achtung, mehr oder weniger wohl auch darum, weil sie müssen. Viel zu tun haben
diese Kerle ja gerade nicht, aber das viele Publikum gibt ihnen schon
Gelegenheit, sich den Tag über zu unterhalten und somit auch den Tag rumzubringen.
Wenn man etwas von ihnen verlangt, sind sie sehr dienstbeflissen und sie tun
auch alles. Ich habe aber sonst den Eindruck, als wenn es so richtige
Radfahrernaturen sind. Du weißt ja, was man darunter bei uns im Reich versteht.
Es kann ja sein, daß ich mich in dieser
Beziehung täusche, die Zukunft wird es ja zeigen, ob meine Annahme in dieser
Richtung stimmt. Einen Personalaufwand, wie man ihn hier treibt, kennt man
jedenfalls bei uns nicht und es hat schon bei uns immer geheißen, wir seien ein
Beamtenstaat. Die Überzeugung will bei mir auch nicht Platz greifen, daß diese
Herrschaften hier schneller schaffen wie wir.
Über alles und auch sonst über meine
Eindrücke, die ich bis jetzt hier gewonnen habe, habe ich Dir nun in meinem
heutigen Brief berichtet. Ich nehme an, daß Dich verschiedenes interessiert
hat. Vieles wäre noch zu erzählen, doch vielleicht kann ich dies ein andermal
tun.
Ich glaube, daß Ihr alle gesund seid und
daß auch sonst alles bei Euch in Ordnung ist. Heute hoffe ich, daß Du mit meinem
ausführlichen Schreiben zufrieden bist. Eines möchte ich aber gleich sagen,
jeden Tag kannst Du von mir solche Briefe nicht erwarten, denn es ist nun schon
23 Uhr vorbei und es wird Zeit, daß ich mich langsam auf den Heimweg begebe.
Ein Kamerad ist auch gerade dabei, seiner
Frau zu schreiben, somit bin ich wenigstens nicht allein. Die Flasche Wein ist
ja nur z.T. alle geworden, aber dem Inhalt des Briefes hat dies doch gewiß
keinen Abbruch getan. Hoffentlich kann ich gut nach diesem kräftigen Schluck schlafen.
Sei Du nun recht herzlich gegrüßt. Viele
Küsse übersende ich Dir gleichfalls und hoffe, daß es Euch allen gut geht. Dich
grüße ich aber besonders und bitte Dich, den Kindern einen recht herzlichen Kuß
zu geben.
Ich bin auch in der Ferne in Treue Dein
Ernst.
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