Meine liebe Annie! Lille, den 11.Juli 1940
Nachdem ich nun auch gestern um 9 Uhr,
also anschließend nach dem Essen heimgekommen bin, ist heute dieser Fall schon
wieder eingetreten. Meine „bonne“ fragt schon immer, ob sie die Türe schließen
kann. Sie erwartet also doch normalerweise, daß man um diese Zeit noch gut
ausgehen kann. Da ich nun aber noch die Aufgabe habe, Dir zu schreiben, so habe
ich es doch vorgezogen, heimzugehen. Du siehst ja dabei wieder, welch
erzieherischen Einfluß Du auch noch in der Ferne auf mich ausübst. Ich tröste
mich aber trotzdem noch mit einem Schluck Cherry Brandy, den ich mir zugelegt
habe, damit ich daheim an solchen Abenden nicht ganz trocken sitzen muß. Ich
habe Dir ja schon einmal geschrieben, aus welchem Grunde man hier diese
Getränke zu sich nimmt. Bei unseren Verhältnissen daheim werde ich dann diese
Mätzchen wieder ganz von selbst bleiben lassen.
Einer Sache bin ich jetzt so ziemlich auf
die Spur gekommen. Mein Einsatz hier ist mit aller Wahrscheinlichkeit darauf
zurückzuführen, daß ich mich seinerzeit nach Polen gemeldet hatte. Es ist zwar
etwas anderes daraus geworden, doch vielleicht habe ich noch das Glück, nachdem
wir Soldaten ja doch nicht heimkönnen, mit nach England dann zu kommen.
Bei der Stärke des Reichs und der
Schlagkraft unserer Wehrmacht fängt man auf einmal anders zu denken an. Man
weiß nur noch eins, daß wir über England siegen werden und daß dieser Sieg
nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Heute beim Mittagessen ist uns wieder ganz
Besonderes serviert worden. Die Vorspeisen, bestehend aus Pilzen und
Kartoffelbrei wurde in Muscheln wie wir sie als Aschenbecher kennen,
aufgetragen. Ja, für Abwechslung wird gesorgt.
Eine weitere Kleinigkeit habe ich Dir
heute wieder gekauft; ich glaube aber, ich muß diese Andeutungen ganz weglassen,
sonst wirst Du in Deiner Neugier ja ganz ungenießbar. Wie gesagt, Sorge macht
nur die Übersendung. Doch da wird auch noch ein Weg und ein Rat zu finden sein.
Post habe ich ja immer noch nicht von Dir erhalten, doch das kann ja auch noch
nicht möglich sein.
An Nanni werde ich auch noch schreiben,
damit ich einmal meine Schreibverpflichtung wieder erledige. An den Kamerad
Gloger werde ich auch demnächst schreiben. Hast Du inzwischen die Schuhe schon
erhalten und wenn ja, ist es das richtige? Du wirst mir ja zu gegebener Zeit
berichten.
Nimm Du liebes Mädel wieder viele
herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst.
Küsse unsere beiden Strolche in meinem Auftrag
herzlich. Vater grüße bitte von mir. –
Meine liebe Frau! L., den 12.7.1940
Seit meinem kurzen Besuch bei Euch sind
nun wieder 14 Tage verstrichen und annähernd 2 Monate, seit ich überhaupt einziehen
mußte.
Wie lange mir nun die Zeit erscheint,
dabei gehen doch im sonstigen Alltag diese Tage nur so dahin, ohne daß man groß Notiz davon nimmt.
Seit diesen 14 Tagen habe ich nur einmal
Post von Dir erhalten. Obwohl ich genau weiß, daß Du nicht daran schuldig bist,
weil es durch die Änderung, die nun
einmal eingetreten ist, sich ergibt, so würde ich mich doch wieder freuen, wenn
ich wüßte, wie alles bei Euch daheim steht.
Ich stelle mir wohl vieles vor, was Ihr
wohl macht oder wie es sonst gehen wird, aber dabei fehlt mir doch die
Gewißheit über alles, die ich dann aus Deinen Briefen herauslese.
In dieser Beziehung bist Du ja entschieden
besser dran, denn den größten Teil meiner Briefe wirst Du wohl schon haben.
Der Dienst geht nun tagaus tagein seinen
üblichen Gang mit den verschiedenen Abwechslungen. Eine Unterbrechung unseres
Tagesprogramms ist nur dadurch eingetreten, daß wir heute Abend eine
Theatervorstellung hatten, wie Du aus den beigefügten Eintrittskarten ersehen
kannst. Es war nun nicht gerade überragend, aber immerhin haben wir uns heute
Abend billig unterhalten. Durch diese Vorstellung ist es schon 1/2 12 Uhr
geworden und ich bin heute auch nicht eher zum Briefschreiben gekommen. Du
wirst daher für heute entschuldigen, daß ich schon Schluß mache.
Wahrscheinlich werde ich am Sonntag Dienst
haben, wobei ich wahrscheinlich wieder etwas länger schreiben werde, vorausgesetzt,
daß ich sonst nicht daran gehindert werde.
Gute Nacht liebes Mädel, küsse unsere
beiden Stromer herzlich von mir und sie sollen nur ja brav bleiben. Du selbst
sei aber vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
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