Freitag, 19. Mai 2017

Brief 254 vom 18.5.1942


Meine liebe Frau !                                                                18.5.42                  
                 
In meiner Freude über Deinen gestrigen Brief hatte ich vergessen, von anderen Dingen zu berichten, was ich zwar heute auch noch gut nachholen kann, denn gar so wichtig ist es auch wieder nicht.  Eigentlich hatte ich ja die Absicht, gestern nicht zu schreiben, aber nachdem Dein lieber Brief so erwartet aber doch noch nicht vermutet eintraf, konnte ich nicht umhin, Dir meinen Dank dafür auszusprechen.
Ich muß Dir zwar wieder einmal von unserem Essen berichten, damit Du Dir keine Gedanken machst, daß wir hier etwa hungern müssen. Also gestern früh gab es wieder zwei kräftige Stückchen Kuchen. Die reichten dann gut bis zum Mittagessen. Zum Mittagessen gab es dann wieder sehr reichlich. Zuvor eine Suppe, in die viele Eier reingeschlagen waren. Als Hauptgang Nudeln, Kartoffeln mit Fleisch und Soße. Außerdem noch Roterübensalat.  Als Nachspeise gab es dann noch Grießbrei mit Fruchtsoße. Da staunst Du. Da kommt Ihr daheim nicht mit. Zum Abendbrot bekam jeder ein Stückchen Frischwurst und seine ihm zustehende Butter.  Damit ich aber zum Frühstück auch etwas habe, hatte ich nur ein Teil von der Abendportion gegessen, denn ich muß Dir verraten, daß ich trotz dieses reichlichen Essens noch am Nachmittag im Soldatenheim zum Kaffeetrinken war. Dort bekommen wir auch noch einmal Kuchen. Dann wird es Dir schon verständlich sein, wenn ich am Abend dann nicht so viel essen konnte. Ich will nun nicht sagen, daß das jeden Tag so reichlich zugeht, aber doch sind wir hier meist gut sattgeworden. Vorgestern bekamen wir zu den Bratkartoffeln gekochte Eier, die leider nicht mehr zu genießen waren, weil sie zu lange gelagert hatten. Das kann wohl einmal vorkommen, ist aber ärgerlich, wenn sowas passiert. Heute Mittag hatten wir Erbsensuppe und anschließend gab es zur Vervollständigung noch Eierkuchen. Ich schreibe dies Dir alles nur, damit Du weißt, daß ich hier nicht notleiden muß und daß für uns hier gesorgt wird. Ich bedauere nur, daß ich Euch davon nichts abgeben kann, denn ich weiß, daß Ihr es jetzt manchmal bitter notwendig habt. 
Einige kleine Bedürfnisse haben sich inzwischen eingestellt und ich bitte Dich, mir diese Sachen mit zugehen zu lassen. Da fehlt mir erstens schwarzer Nähfaden, dann einige Sicherheitsnadeln, bitte nicht zu große und nicht zu viele senden.  Dankbar wäre ich Dir, wenn Du mir meine Badehose und meine Sporthose mitschicken würdest, sonst müßte ich mir hier schon wieder eine anfertigen lassen, und das halte ich nicht für notwendig.  Von meiner Feldbluse, die ich Dir mit zugeschickt hatte, kannst Du mir vielleicht noch die Schulterstücke abmachen und mitsenden.  Ich denke, daß ich vielleicht eine Drillichjacke bekommen werde für den Sommer, dann könnte ich die darauf verwenden. 
Die Wärme hat hier seit einigen Tagen mit solcher Macht eingesetzt, daß man sich noch gar nicht so recht daran gewöhnen kann, vor allem, wo noch vor einigen Tagen das Wetter so kühl war, daß man sich abends mit dem Mantel ins Zimmer setzen mußte und soweit künstliche Mittel in Form von Getränken vorhanden waren, damit nachhelfen mußte.
Hier ist man ja der Natur wirklich näher wie in Frankreich. Denn dort hat man sehr wenig von Frühling gemerkt.  Hier, wo man in dieser „Stadt“ so ziemlich auf dem Dorfe lebt, sieht man die Veränderung eher. Durch das junge Grün erscheint das Bild nicht mehr so hart und wird etwas gefälliger. Mein Spaziergang war gestern wieder in den Kurpark, den ich nun einmal richtig bei Tage gesehen habe. Kameraden haben hier im Fluß schon gebadet.  Wie geht es Dir und den Kindern. Ich denke, daß Ihr alle noch wohlauf seid.
Ich sende Dir und den Kindern wieder recht herzliche Grüße und viele Küsse.
Dein Ernst.

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