Freitag, 19. Mai 2017

Brief 253 vom 17.5.1942


Mein liebes gutes Mädel !                                                     17.5.42                   

Mein Wunsch, den ich in der letzten Woche ausgesprochen hatte und von dem ich glaubte, daß er wahrscheinlich doch nicht in Erfüllung gehen würde, nachdem ich mir im Laufe der Woche nochmals ausgerechnet hatte, daß die Zeit normalerweise dazu nicht langen würde, ist nun in Erfüllung gegangen. Ich erhielt heute den ersten Brief und zwar den, den Du an meine vermutlich neue Feldpostnummer gesandt hast.
Du wirst Dir vorstellen können, wie ich mich freute, von Dir wieder einmal eine Nachricht in Händen zu haben, nachdem ich jetzt seit genau 5 Wochen keine Post mehr von Dir bekommen hatte.
Bei dieser Dienststelle wußte man ja, wo ich stecke, von dort ist auch Dein Brief prompt weitergeleitet worden. Froh bin ich, daß ich jetzt weiß, daß alles daheim gesund ist, obwohl Dein Brief nun doch auch schon vor 15 Tagen geschrieben war. Aber immerhin man weiß doch wieder etwas davon, was daheim los ist.
Wenn Du schreibst, Nachricht hättest Du noch keine von mir bekommen, so meinst Du doch sicher, noch keine Nachricht von hier. Daß Du laufend Deine Post erledigt hast, konnte ich mir vorstellen, wenn dann der erste Brief von Dir eintrifft, werde ich ja viel zu lesen bekommen. Ich bin aber auch froh mit dem, was ich heute erhalten habe. Unerfreulich war, daß Du die von mir in Frankreich fertiggemachten Päckchen noch nicht erhalten hast. Die Feldpostnummer ist schon richtig, denn es ist ja die gleiche, die ich hatte. 
Daß Du von den Entschlüssen Deines Vaters nicht ganz erbaut bist, kann ich mir gut denken.  Ich habe dir ja auch in dem einen Brief geschrieben, was ich ihm zu seiner Stellungnahme in diesem Fall gesagt habe. Daß er damit rechnen muß, daß wir dann auch den Weg gehen, den wir für richtig halten, wenn er seinen eigenen Empfindungen nachgibt, weiß er. Er behauptet ja, daß Deine Mutter ihm noch in der Woche vor ihrem Tode gesagt habe, daß sie ihm das freistelle, sich nach ihrem Tode wieder zu verheiraten. Er behauptet ja sogar, mit Dir darüber gesprochen zu haben.
Daß Du darüber erstaunt warst, daß ich 2 Tage in Leipzig war, wundert mich etwas. Mein Fahrschein ging ja von Marburg nach Krakau. Daß ich da schlecht über Konstanz fahren kann, wird Dir wohl erklärlich sein, denn da hätte ich mit Anständen auf der Bahn rechnen müssen. Wenn ich aber unterwegs irgendwo Halt mache, das schert meist keinen Menschen. Ich habe mir darum auch gedacht, hierher käme ich immer noch zeitig genug.  Daß das der Fall war, hatte ich Dir ja schon mitgeteilt.
Wenn es mir nicht darum gewesen wäre, daß ich verpflegungsmäßig zur Last gelegen hätte, wäre ich vielleicht auch noch einen Tag länger geblieben. Das hätte hier nichts ausgemacht, denn ich wurde hier und auch unterwegs nicht kontrolliert, wie lange ich mich aufgehalten habe.
Diese kurze Unterbrechung war wohl ganz nett, aber wenn man so viel unterwegs ist, hat man auch nicht die richtige Ruhe bekommen.
Daß Du im Garten alles so schön geschafft hast, freut mich sehr und es ist mir eine Beruhigung für Euch,  daß Ihr wenigstens diesen kleinen Rückhalt habt. Daß es mir nicht gar so schlecht geht, hast du ja aus meinen früheren Briefen entnommen. Daß man Stimmungen unterworfen ist, hängt nun einmal wieder mit der Änderung zusammen. Man findet auch nicht immer gleich die passenden Kameraden, die man gern hätte. 
Heute zum Muttertag habe ich fest an Dich gedacht. Ich hoffe, daß die Blumen, die ich bestellt hatte, auch noch rechtzeitig an Dich gelangt sind. Sie sollten Dir ein lieber Gruß sein von mir, obwohl ich nicht da bin.
Heute sende ich Dir und den Kindern recht viele herzliche Grüße und Küsse,
Dein Ernst.

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