Sonntag, 7. Mai 2017

Brief 247 vom 6./7.5.1942


Meine liebste Frau !                             auf Dienstreise, den 6.5.42                                                    

Ein weiterer Reisetag ist nun bald wieder herum, da ich jetzt eine kleine Weile Zeit habe, will ich gleich die Gelegenheit ausnutzen, um Dir wieder vom Tagesablauf zu erzählen.  Heute früh sollten wir um 6,15 Uhr marschbereit sein. Die Nacht hatte ich sehr gut geschlafen, nur der Mond, der zum Fenster herein schien, machte mich einmal munter. Da es hier viel zeitiger Tag wird, kommt man ganz aus den Geleisen. Meine Uhr, die schon seit einer ganzen Weile verstaubt ist und die ich hier nicht in Reparatur geben will, konnte mir deshalb auch nicht anzeigen, wie spät es sei. Als es ein wenig im Bau unruhig wurde, bin ich aufgestanden. Ich habe mich dann reisefertig gemacht, um den Kameraden nicht zu stören, der hier auf der Kommandantur tätig ist.
Ich habe nach langer Zeit wieder einmal eine Falle bauen müssen, was mir auch einigermaßen gelungen ist. Als ich schon ziemlich fertig war, wurde der Kommandant munter und sagte, daß ich noch eine Stunde Zeit hätte. Ich habe mich dann ganz gemütlich fertig gemacht. Wir sind dann mit dem Wagen zum Zuge gefahren. Dort haben wir wie üblich fast eine Stunde auf den Zug warten müssen. Das war auch wieder eine Lokomotive und ein Packwagen. Er hat dann die Strecke abgerollt. Am Bahnhof wurden wir wieder mit dem Kraftwagen abgeholt. Es war ein ziemlich kalter Wind, von dem wir ziemlich durchgefroren waren. Die Sitzung wurde gleich abgehalten, die dann bis gegen Mittag ging. Auffallend war, daß diese Sonderführer, die von allen Soldaten entweder Kartoffelleutnant oder Kartoffelführer genannt werden, auch unsere Mannschaften und Unteroffiziere sich sehr reserviert verhalten haben. Also von Kameradschaft keine Spur.
Nach der Sitzung wurden wir doch noch zum Essen eingeladen. Nachdem man uns vorher sowie in Bezug auf Essen versprochen hatte, waren wir doch eigentlich verwundert. Es gab wohl Suppe und dann etwas Kartoffelbrei mit Fleisch und Soße. Hinterher gab es Kompott. Da es aber im ganzen Hause durch den Sturm überall zog und es nicht geheizt war, waren unsere Wärmereserven bald wieder verschwunden. Bald fuhren wir wieder nach unserem Standort. Wir fuhren mit einem ukrainischen Fahrer. Ich habe nur gestaunt, wie dieser Kerl bei diesen Wegen gefahren ist. Wagenspuren, Dreck, Schlamm, Acker usw. wechselten in bunter Folge. Zeitweise wußte man überhaupt nicht mehr, wo Straße aufhörte und Acker anfing. Schließlich bei einem großen Schlammloch blieb der Wagen stehen. Erst ging es noch ein wenig vorwärts und dann noch ein paar Mal rückwärts, dann war es endgültig aus. Ein paar Bauern, die zufällig mit ihren Pferden in der Nähe waren, mußten anspannen. Wenn man die mageren Pferde sah, bekam man geradezu Angst, daß sie einem auf der Strecke bleiben würden. Mit vereinten Kräften haben wir schließlich den Wagen wieder flott bekommen. Ein anderer blieb dann wieder stecken, so daß wir bis zu einem anderen Wagen eine große Strecke zu Fuß laufen mußten. Der andere Wagen hat uns dann nach hause gebracht. Hier gehören solche Zwischenfälle aber zu einer Reise, sonst ist sie nicht richtig verlaufen. Daß sie zünftig war, kannst Du ja aus dem etwa entnehmen, was ich Dir geschrieben habe.  Heute küsse und grüße ich Dich sowie unsere beiden Kinder recht herzlich.  Dein Ernst.

Meine liebe Annie !                                  auf Dienstreise, den 7.5.42        

Nach dem heutigen Reisetag muß ich Dir erst noch berichten, was ich gestern Abend getrieben habe. Ich wurde von dem Spieß hier zum ukrainischen Theater eingeladen. Dieser Einladung habe ich gern Folge geleistet. Von Theaterräumen kann ja keine Rede sein, aber die Leute haben sich sehr viel Mühe gegeben. Zuerst gab es ein Theaterstück in ukrainischer Sprache. Vorher wurde eine Kurze Inhaltserklärung in deutscher Sprache gegeben, um den vielen deutschen Zuhörern gerecht zu werden. Anschließend wurden gesangliche, artistische und andere musikalische Darbietungen gebracht. Vorher Vorträge in deutscher Sprache wurden geboten, die durch die Ausdrucksweise teilweise belustigend wirkten. Ich habe mich also ganz nett unterhalten. Damit ich zur heutigen Fahrt wieder frisch bin, habe ich mich bald zu Bett gelegt, denn ich möchte da in keiner Weise auffallen. 
Heute früh ging es wieder mit Kraftwagen in anderer Richtung zu einer Versammlung. Die Straßen waren innerhalb der letzten Nacht gut abgetrocknet. Man muß staunen, wie schnell die Straßen verschlammt sind und wie schnell sie wieder befahren werden können. Ein kräftiger Wind hatte ja auch gut nachgeholfen. Ich mußte heute mich auf den Lastkraftwagen setzen, der offen war. Als wir nach unserer Reise von rund 20 km ankamen, waren wir vor Staub nicht wieder zu erkennen. Bei diesen Landwirtschaftsführern wurden wir besser aufgenommen, wie am vorher vergangenen Tage. Dort bekamen wir wenigstens nach dieser Rumpelei etwas zu essen, nach der Sitzung, die wie die anderen verlief, wurden wir noch zum Mittagessen eingeladen, um dann schon wieder gegen 1 Uhr zurückzufahren. Zuhause kamen wir wieder genau so verstaubt und verdreckt an, aber wenn man Gelegenheit hat, sich wieder zu reinigen, dann geht es schon. Dies ist ja hier in besserem Maße vorhanden, wie bei uns. Denke Dir, hier gibt es sogar fließendes Wasser.
In dem Kommandanturgebäude befinden sich Einrichtungen höchsten Kulturfortschrittes  ein Wasserklosett , diese Errungenschaft der Menschheit habe ich hier wieder einmal ausnutzen dürfen. Das ganze Gebäude hat Dampfheizung. Ja, Dir wird es genau so gehen wie mir es gegangen ist, man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Das war ein Gebäude der russischen Staatsbank, das noch nicht sehr lange steht. In Frankreich habe ich schon Gelegenheit gehabt, lotterige Arbeit zu sehen, hier bei diesem neuen Gebäude war durch den Regen die ganze Decke in der großen Empfangshalle versaut. Ein weiterer Fortschritt zu uns bedeutet, daß hier das Licht sogar fast die ganze Nacht brennt, wo es bei uns doch schon gleich nach 10 Uhr ausgeht. Man kann also immer noch Wunder erleben. Morgen werden wir wieder mit Kraftwagen zurückfahren, wie mir bekannt gegeben worden ist. Ich bin gespannt, welche Hindernisse dabei auftreten werden. Ich bin jedenfalls auf alles gefaßt. 
Als ich Dir kürzlich von den Schriftstücken schrieb, die sich noch bei Deinem Vater befinden, wird Dich etwas ganz besonders interessieren und Dir Freude bereiten. Es ist ein Rezeptbuch Deines Großvaters. Es stehen manche nette Sachen darin, doch die dazu benötigten Mittel sind für den heutigen Vorrat an Eiern beispielsweise unmöglich, aber das macht ja nichts, es kann ja sein, daß auch wieder einmal andere Zeiten kommen. Herzlich grüße und küsse ich Dich.  Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid.
Man hört immer wieder von englischen Fliegerangriffen auf Südwestdeutschland, so daß man immer in Sorge ist, vor allem, wenn man immer solange auf Nachricht waren muß. Ich werde mich aber dreinschicken müssen, denn ich kann leider nichts dazu tun. Gib unseren beiden Stromern jedem einen recht herzlichen Kuß, Du selbst sei aber nochmals recht fest geküßt von Deinem Ernst.

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