Meine liebe Annie ! 4.5.42
Gestern Abend habe ich mich einmal an unsere
Familienforschung gemacht, um diese Sache wieder in Schwung zu bringen, solange
ich jetzt Zeit dazu habe. Von Deinem Vater erhielt ich die Adresse eines
unserer Verwandten, an den ich gestern auch geschrieben habe. Ich müßte aber
von Dir einmal eine Abschrift über die Dinge erhalten, die aus Deiner Familie
schon vorhanden sind, damit ich entsprechend weiterarbeiten kann, wenn ich von
diesem Herrn Nachricht bekommen sollte. Erna zeigte mir noch verschiedene
Sachen anläßlich meines Besuches in Leipzig, die mir Dein Vater versprochen
hat. Unter anderem alte Schulzeugnisse aus dem Jahre 1810 usw., außerdem eine
alte Zeichnung von irgendeinem der Michel. Wenn Du es siehst, wirst Du sicher
auch Deine Freude daran haben. Dein Vater sagte mir, daß dieser Hugo Michel,
der Tierarzt in Nixdorf bei Seveniz (oder Sebeniz) ist, ziemlich den Stamm
Michel hat zurückverfolgen können. Dein Vater und auch Siegfried haben
anscheinend nicht das Interesse daran wie wir, jedenfalls nicht über das
hinaus, was sie unbedingt wissen müssen. Darum wird bei uns das alles auch am
besten aufgehoben sein, was noch in Leipzig an Unterlagen vorhanden ist. Ich
habe gestern außerdem noch nach Zerbst und nach Köthen geschrieben, damit
einmal die Lücken, die noch verschiedentlich bestehen, ausgefüllt werden. Was
ich in der Hauptlinie von mir weiter unternehmen kann, weiß ich noch nicht.
Sieh doch bitte nach, wenn Du Zeit dazu hast, was ich da aus Groß Rosenburg
usw. für Nachricht bekommen hatte und was zu tun für Möglichkeiten nach Deiner
Ansicht bestehen. Soviel ich in Erinnerung habe, war dort nichts mehr zu
machen. Evtl. müßte ich doch noch einmal in Groß Rosenburg nachfragen, ob das der
letzte „Rosch“ ist, der dort aufzustöbern ist oder ob aufgrund noch älterer
Unterlagen festgestellt werden kann, wo die Familie hergewandert kam.
Gestern hatten wir wieder bis Mittag Dienst. Nach dem Mittagessen habe ich mich erst eine Weile umgelegt, dann bin ich in das Soldatenheim zum Kaffeetrinken gegangen. Anschließend war ich, wie ich Dir ja schon mitgeteilt hatte, zu einer Veranstaltung. Kameraden haben einen Bunten Nachmittag veranstaltet. Verschiedentlich wurden ganz nette Sachen geboten, vor allem wenn man berücksichtigt, mit welch einfachen Mitteln mitunter gearbeitet werden muß. Nach Ende der Vorstellung bin ich wieder zum Soldatenheim zum Abendessen gegangen. Meine eigentliche Abendportion habe ich mir aufgehoben, so daß ich immer eine kleine Reserve habe. Von meiner Marschverpflegung aus Krakau habe ich immer noch Käse da. Außerdem hatte ich ein Paket mit Dauerbrot erhalten. Da wir hier reichlich mit Brot versehen sind, habe ich es gestern noch verpackt und schicke es Euch mit zu. Es ist nicht viel, aber es ist schade, wenn ich es so mit verbrauche und das mir zugeteilte Brot trocken werden lasse oder verschenke. Heute Abend steigt nun unsere Reise. Wie lange sie dauert ist noch nicht bestimmt. Ob ich unterwegs Gelegenheit zum Schreiben habe, kann ich Euch noch nicht sagen. Ich hoffe, daß alles unterwegs klappt. Ich werde Dir dann wieder umgehend schreiben, sobald es mir möglich ist. Für heute sende ich Dir und unseren beiden Stromern recht herzliche Grüße und jedem ebenso herzliche Küsse. Dein Ernst.
Mein liebes, gutes Mädel ! auf Dienstreise, den 5.5.42
Gestern Abend sind wir nun von unserem Standort weggefahren. Genau mit dem gleichen Zug, mit dem ich meine endlose Reise vor über einer Woche beendet hatte. Nur mit dem Unterschied, daß wir diesmal zu einem offenen Waggon einen Packwagen hatten. Bis zur Umsteigestation ging dann die Reise ganz gut vonstatten. Gegen 11 Uhr kamen wir dort an. Am Zuge wurden wir gleich vom Ortskommandanten empfangen, der sich nun mit seinem Vorgesetzten große Mühe gab, um nicht ein Mißfallen zu erwecken. Wir wurden dann gleich zu bereitstehenden Wagen begleitet, die uns dann in die Nähe unseres Quartiers brachten. Wegen des schlechten Straßenzustands konnten die Wagen nicht direkt vorfahren, sonst wären die Wagen im Dreck stecken geblieben. Die Leute wurden dann noch herausgetrommelt, obwohl sie wußten, daß in dieser Nacht noch jemand zur Übernachtung kommt. Ich bekam mit der Ordonanz, zu Deutsch, dem Burschen des Obersten, ein Zimmer angewiesen, weil ich darauf bestand, daß wir zusammen wohnen und nicht gerne habe, daß man so die Dienstgrade hervorhebt, wenn es nicht notwendig ist. Das Lager war etwas hart aber, was mir die Hauptsache war, es gab kein Ungeziefer.
Man staunt, wie wenig ein Mensch braucht, schon in Bezug auf Wohnkultur, um leben zu können. Was mich belustigte: Die Leute hatten ein Stücken von einer Schokoladenpackung, auf der einige Kühe und ein paar Berge darauf waren, die man in Friedenszeiten auf jeder billigen Schokoladepackung sieht, in einen Bilderrahmen gesteckt und aufgestellt. Heute früh mußten wir unser Frühstück schon früher aufhören, weil der Zug früher abging wie angesagt war. Das ist hier so üblich, da man nie weiß, wann die Züge abgehen. Man kann also geradezu von Glück reden, wenn es hier pünktlich weitergeht, doch damit rechnet man schon gar nicht mehr. Auch hier sind wir vom Ortskommandanten abgeholt worden. Wir wurden mit Kraftwagen zur Kommandantur geführt, wo wir auch unser Quartier haben. Die Unterkunft ist hier besser wie bei uns. Die Soldaten und Unteroffiziere sind sehr nett zu mir und es macht eben viel aus, wenn man mit einem hohen Tier reist, man sollte es nicht glauben.
Vorhin war nun die Versammlung für den hiesigen Kreis. Unser Oberst hat an die Bevölkerung eine Rede gehalten, die ich in Stenogramm aufgenommen habe, ebenso die Wünsche, die die Bevölkerung d.h. die Vorsteher der Gemeinden, des Gesundheitswesens usw. hatten. Das ist hier im Wesentlichen meine Tätigkeit.
Im Übrigen muß ich für sämtliche schriftliche Arbeiten und Formalitäten da sein, die sich nun einmal bei solchen Gelegenheiten ergeben. Die Leute machen teilweise einen gemischten Eindruck, aber schließlich muß man mit ihnen zusammenarbeiten. Interessant war noch, daß die Ukrainer ebenfalls jemand da hatten, der alles im Stenogramm aufgenommen hat. Über meine gesamten Eindrücke werde ich Dir nach Abschluß dieser Reise gesammelt berichten. Mir bleibt sonst zum Schreiben nicht viel übrig. Morgen geht es wieder weiter.
Wahrscheinlich kommen wir wieder an diesen Ort zurück. Wo wir hinfahren, ist noch nicht ganz fest, fest steht nur, daß es um 7 Uhr weitergeht mit einer Lokomotive oder mit einer Draisine. Für heute grüße und küsse ich Dich und die Kinder vielmals. Dein Ernst.
Gestern hatten wir wieder bis Mittag Dienst. Nach dem Mittagessen habe ich mich erst eine Weile umgelegt, dann bin ich in das Soldatenheim zum Kaffeetrinken gegangen. Anschließend war ich, wie ich Dir ja schon mitgeteilt hatte, zu einer Veranstaltung. Kameraden haben einen Bunten Nachmittag veranstaltet. Verschiedentlich wurden ganz nette Sachen geboten, vor allem wenn man berücksichtigt, mit welch einfachen Mitteln mitunter gearbeitet werden muß. Nach Ende der Vorstellung bin ich wieder zum Soldatenheim zum Abendessen gegangen. Meine eigentliche Abendportion habe ich mir aufgehoben, so daß ich immer eine kleine Reserve habe. Von meiner Marschverpflegung aus Krakau habe ich immer noch Käse da. Außerdem hatte ich ein Paket mit Dauerbrot erhalten. Da wir hier reichlich mit Brot versehen sind, habe ich es gestern noch verpackt und schicke es Euch mit zu. Es ist nicht viel, aber es ist schade, wenn ich es so mit verbrauche und das mir zugeteilte Brot trocken werden lasse oder verschenke. Heute Abend steigt nun unsere Reise. Wie lange sie dauert ist noch nicht bestimmt. Ob ich unterwegs Gelegenheit zum Schreiben habe, kann ich Euch noch nicht sagen. Ich hoffe, daß alles unterwegs klappt. Ich werde Dir dann wieder umgehend schreiben, sobald es mir möglich ist. Für heute sende ich Dir und unseren beiden Stromern recht herzliche Grüße und jedem ebenso herzliche Küsse. Dein Ernst.
Mein liebes, gutes Mädel ! auf Dienstreise, den 5.5.42
Gestern Abend sind wir nun von unserem Standort weggefahren. Genau mit dem gleichen Zug, mit dem ich meine endlose Reise vor über einer Woche beendet hatte. Nur mit dem Unterschied, daß wir diesmal zu einem offenen Waggon einen Packwagen hatten. Bis zur Umsteigestation ging dann die Reise ganz gut vonstatten. Gegen 11 Uhr kamen wir dort an. Am Zuge wurden wir gleich vom Ortskommandanten empfangen, der sich nun mit seinem Vorgesetzten große Mühe gab, um nicht ein Mißfallen zu erwecken. Wir wurden dann gleich zu bereitstehenden Wagen begleitet, die uns dann in die Nähe unseres Quartiers brachten. Wegen des schlechten Straßenzustands konnten die Wagen nicht direkt vorfahren, sonst wären die Wagen im Dreck stecken geblieben. Die Leute wurden dann noch herausgetrommelt, obwohl sie wußten, daß in dieser Nacht noch jemand zur Übernachtung kommt. Ich bekam mit der Ordonanz, zu Deutsch, dem Burschen des Obersten, ein Zimmer angewiesen, weil ich darauf bestand, daß wir zusammen wohnen und nicht gerne habe, daß man so die Dienstgrade hervorhebt, wenn es nicht notwendig ist. Das Lager war etwas hart aber, was mir die Hauptsache war, es gab kein Ungeziefer.
Man staunt, wie wenig ein Mensch braucht, schon in Bezug auf Wohnkultur, um leben zu können. Was mich belustigte: Die Leute hatten ein Stücken von einer Schokoladenpackung, auf der einige Kühe und ein paar Berge darauf waren, die man in Friedenszeiten auf jeder billigen Schokoladepackung sieht, in einen Bilderrahmen gesteckt und aufgestellt. Heute früh mußten wir unser Frühstück schon früher aufhören, weil der Zug früher abging wie angesagt war. Das ist hier so üblich, da man nie weiß, wann die Züge abgehen. Man kann also geradezu von Glück reden, wenn es hier pünktlich weitergeht, doch damit rechnet man schon gar nicht mehr. Auch hier sind wir vom Ortskommandanten abgeholt worden. Wir wurden mit Kraftwagen zur Kommandantur geführt, wo wir auch unser Quartier haben. Die Unterkunft ist hier besser wie bei uns. Die Soldaten und Unteroffiziere sind sehr nett zu mir und es macht eben viel aus, wenn man mit einem hohen Tier reist, man sollte es nicht glauben.
Vorhin war nun die Versammlung für den hiesigen Kreis. Unser Oberst hat an die Bevölkerung eine Rede gehalten, die ich in Stenogramm aufgenommen habe, ebenso die Wünsche, die die Bevölkerung d.h. die Vorsteher der Gemeinden, des Gesundheitswesens usw. hatten. Das ist hier im Wesentlichen meine Tätigkeit.
Im Übrigen muß ich für sämtliche schriftliche Arbeiten und Formalitäten da sein, die sich nun einmal bei solchen Gelegenheiten ergeben. Die Leute machen teilweise einen gemischten Eindruck, aber schließlich muß man mit ihnen zusammenarbeiten. Interessant war noch, daß die Ukrainer ebenfalls jemand da hatten, der alles im Stenogramm aufgenommen hat. Über meine gesamten Eindrücke werde ich Dir nach Abschluß dieser Reise gesammelt berichten. Mir bleibt sonst zum Schreiben nicht viel übrig. Morgen geht es wieder weiter.
Wahrscheinlich kommen wir wieder an diesen Ort zurück. Wo wir hinfahren, ist noch nicht ganz fest, fest steht nur, daß es um 7 Uhr weitergeht mit einer Lokomotive oder mit einer Draisine. Für heute grüße und küsse ich Dich und die Kinder vielmals. Dein Ernst.
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