Montag, 30. Mai 2016

Brief 133 vom 30./31.5.1941


Meine liebe Frau!                                                                                     30.5.41   

Wie die vergangenen Tage, so auch heute habe ich von Dir keine Post erhalten. Dagegen ging ein Brief von Nannie ein, den ich Dir demnächst mit zusenden werde. Sie schreibt unter anderem, daß sie nach Pfingsten auf etwa vier Wochen nach Konstanz kommen will. Sie würde sich freuen, wenn sie die Kinder einmal wiedersieht und will Dich auch mit aufsuchen. Bei dieser Gelegenheit, schreibt sie, will sie auch die „Anredeangelegenheit“ klären. Gesundheitlich geht es ihr so, daß sie wenigstens jetzt wieder reisen kann, was im Winter nicht der Fall war.  Wie Du aus dem anliegenden Durchschlag siehst, habe ich heute auch an Deine Eltern geschrieben. Ich glaube, daß sie sich nun etwa ein Bild über die ganze Angelegenheit meines Berufs machen können. Übrigens schreibt mir Nannie auch, daß ich ja nicht unbedingt in Konstanz bleiben müßte um weiter zu kommen.  Heute war ich bei Zahnarzt. Der hat mir eine weitere Vorlage reingemacht. Er denkt immer, daß ich Schmerzen haben müßte, wenn er den ganzen Zahn hinauffährt, aber ich spüre nichts und habe bis jetzt auch keine Schwierigkeiten. Nächste Woche soll ich wieder hinkommen.
Gestern habe ich mir einen neuen Schlafanzug gekauft. Für den habe ich 10,-RM bezahlt. Er ist aber, wie mir scheint, in der Qualität besser wie die anderen. Auch die Farbe ist ganz nett. Ich wollte eigentlich zwei Stück kaufen, aber weil diese Sachen bewirtschaftet sind, kann man nicht mehr so kaufen wie man will. Bei Gelegenheit werde ich zusehen, daß ich noch einen bekomme. Mein Bestand an Socken hat sich inzwischen sehr gelichtet, so daß ich mit davon verschiedene wieder beschaffen muß.  Mein Besuch in Lille für die Feiertage steht nun fest. Ich habe heute um Urlaub gefragt und ihn auch erhalten. Am Dienstag früh werde ich wieder hier sein. Am Montag werde ich ins Theater gehen. Karten werden besorgt. Soviel ich weiß, wird „Waffenschmied“ gegeben. Ist dies doch auch wieder einmal eine willkommene  Abwechslung. Ich werde dir darüber dann schreiben.  Ich grüße und küsse Euch alle Ihr Lieben recht herzlich. Ich bitte Dich, an Vater ebenfalls herzliche Grüße auszurichten. Du selbst nimm nochmals viele Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

Meine liebe Annie !                                                                               31.5.41

Heute Nachmittag, am Samstag vor Pfingsten, sitze ich nun in meiner Bude und will Dir noch einen Gruß senden, denn ich werde, wie ich Dir schon mitteilte, über die Feiertage mit meinen beiden früheren Kumpanen zusammentreffen. Ich überlege mir gerade noch, ob ich erst zu Thomas mit dem Zug hinüberfahre oder ob ich erst morgen mit unsrem Postauto bzw. mit dem Zug direkt fahre. Doch erst will ich Dir noch schreiben, damit die Kette meiner Briefe nicht abreißt. Ich hoffe, daß Du besser versorgt wirst wie ich. Zwar ich kann noch nicht sagen, ob heute wieder einmal etwas eintrifft.
Vorhin habe ich auf zwei Clubsesseln meinen üblichen Mittagsschlaf gehalten. Vorher lese ich aber immer noch entweder in der Zeitung oder in einem Buch. Ich habe ja mein Radioapparat, so daß ich zu allem noch Radio hören kann, was ich jetzt auch tu. Wie ich dir schon berichtete, ist ein weiterer Verwaltungsbeamter bei uns eingetroffen.
Mit seinem Eintreffen hat sich nun die Frage erhoben, evtl. ein Haus zu nehmen, wo wir zusammen wohnen und, da wir jetzt andere Verpflegung bekommen, dann auch gemeinsam essen. Ich fühle mich gegenwärtig aber noch so ganz wohl, denn mit dem Zusammenwohnen ergeben sich so manche andere Begleiterscheinungen, die ich bei den anderen Kameraden hier auch sehe. Da kommen welche ziemlich spät nach hause und daheim geht es dann weiter, womöglich fangen die dann noch an mit Nachtwandeln. Hier habe ich bis jetzt meine Ruhe und ich bin für mich allein und kann einmal ein Buch lesen. Ich befürchte, daß durch das Zusammenleben dies auf gewisse Schwierigkeiten stößt. Ich nehme zwar an, daß ein Verhältnis, wie wir es in Lille hatten, nicht zusammenkommt. Ich entziehe mich hier den Kameraden in keiner Weise, denn ich will möglichst mit allen in einem erträglichen Verhältnis stehen, und soweit ich dies von mir aus beurteilen kann, ist dies auch der Fall.  Wie geht es Dir und den Kindern. Ihr seid doch hoffentlich alle gesund. Was werdet ihr wohl über die Feiertage machen. Ich glaube, daß Ihr ein wenig aus der Wohnung geht. Vielleicht hast du meine Päckchen schon alle bekommen. Ändern könnte ich es ja nicht, wenn sie nicht rechtzeitig eingetroffen sind. Ich würde mich aber freuen, wenn sie rechtzeitig angekommen wären.
Du mußt selbst sehen, ob Du bzw. Ihr beide, diese Schuhe bei jedem Wetter anziehen könnt.  So, jetzt habe ich erst noch ein Päckchen mit Schokolade fertiggemacht, das ich nach den Feiertagen absenden will. Die kleine Tafel ist Milchschokolade. Ich habe dann meinen ganzen Vorrat ab gesandt, damit Du weißt, daß ich weiter keine da habe. Ich fragte dieser Tage in dem Geschäft nach, mußte aber hören, daß gegenwärtig keine mehr zu bekommen sei. Ich glaube aber, daß Du jetzt für die nächste Zeit auskommen wirst.  Wie schmecken denn die Pralinen? In den nächsten Tagen bekomme ich einige Fotos, die ich Dir dann zusenden werde. Sie sind auf der Vimy-Höhe gemacht worden, von wo Du in einem der letzten Briefe auch einige erhalten hast.  Ich werde an Euch in diesen Tagen denken. Was ich eigentlich sonst auch tue, aber an diesen Feiertagen besonders. Ich sende Dir viele herzliche Grüße und Küsse und bitte Dich, unseren beiden Stromern einige davon abzugeben.
Im Geiste und in Gedanken bin ich bei Euch Dein Ernst.

Deine beiden Briefe vom 23. und 24. habe ich heute erhalten, ebenso den Brief von unserer Helga mit Deinem Zusatz vom 21., über den ich mich sehr gefreut habe. Ich werde alle nach den Feiertagen dann beantworten. Nochmals viele Grüße und Küsse sendet Dir Dein Ernst

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