Dienstag, 10. Mai 2016

Brief 121 vom 7./8.5.1941


Meine liebe Frau !                                                                            7.5. 1941  
         
Heute bin ich nun schon eine Woche in diesem Kaff. Es ist wohl Frühling draußen und soweit Obstbäume vorhanden sind, blühen diese. Doch was hat man hier eigentlich von allem. Das Interesse geht einem direkt ab. Es ist das auch darauf zurückzuführen, daß alles hier so einen eintönigen und grauen, unfreundlichen Charakter hat. Man hat einfach nicht die Freude an allem, wie es doch daheim der Fall ist. Außerdem ist es noch so, daß man auch niemanden hat, mit dem man über dieses und jenes sprechen kann.  Größtenteils muß man alles in sich reinschlucken, denn man kann ja nicht mit jedem über alles sprechen. Auch an dies wird man sich gewöhnen müssen. Gestern war hier Kinovorstellung. Es wurde ein ganz ansprechender Film geben. „Kora Terry“ hieß er. Die Wochenschau war auch neu, so daß es eine sehr willkommene Abwechslung war. Ich muß auch hier wieder feststellen, daß das Kino erstens sehr geräumig und gut eingerichtet ist. Auf solche Sachen hat man, wie es mir scheint, großen Wert in Frankreich gelegt.  Wenn die eigenen Filme auch unseren Begriffen nach nichts wert sind,  oder wenigstens zum größten Teil so ist der Besuch, wie ich hier am vergangenen Sonntag feststellen konnte, sehr stark.  Das bringt ja dann auch ziemlich Geld ein, so daß sich der Besitzer schon solche Gebäude leisten kann.  Ich kann ja noch nicht erwarten, daß von Dir Post eingegangen ist, ich würde mich aber doch freuen, wenn ich bald welche erhalten würde. Für heute grüße und küsse ich Euch alle recht herzlich. Dir sende ich aber besondere Grüße und Küsse Dein Ernst
Grüße bitte auch Vater von mir. Was macht eigentlich sein Kopf? Ist es nun besser?


Meine liebe Annie,                                                                          O.U. den 8.5.1941       
  
Heute habe ich es nun wahr gemacht und bin in die Stadt gefahren. Mit dem Auto ist es eine ganz nette Fahrt. Vor allem wenn es ein schöner sonntäglicher Frühlingstag ist wie heute. Die Gegend ist dann nicht ganz so topfeben wie es in der Stadt immer scheinen mag. Man sieht auch einmal einige Wälder. Die Bauern sind auf ihren Äckern tätig. teilweise sah man blühende Bäume. Du weißt ja wie ich für die Natur empfänglich bin. Es tut einem direkt wohl, wenn man aus dem stinkenden Nest herauskommt. In L. hatte ich doch letzte Woche meine Abrechnung nicht mitbekommen und hier wollte man mir das Geld, was mir für die Zeit vom 21. bis 30.4.  zustand, nicht ausbezahlen, weil ich erst am 30. hier eingetroffen bin. Mir ist ja das letzten Endes gleich, wo ich mein Geld her bekomme. Außerdem war mir das eine ganz willkommene Reise.  Meine 21,- RM habe ich mir abgeholt, denn so läßt man ja das Geld nicht schwimmen. Doch war man sehr verwundert, als ich so unversehens erschien, das machte aber nichts aus. Dann bin ich in die Buchhandlung gegangen und habe dort 13 ½ RM in Bücher angelegt. Zwei Lönsbücher, ein weiteres von Finkh und dann von Stoberlein „ ........um Deutschland“. Die anderen schreibe ich Dir dann noch auf bzw. ich sende sie Dir dann zu, wenn ich sie ausgelesen habe. Eines ist ja schon fertig und zwar das von Thoma. Für uns wird auf die normalen Preise ein Rabatt von 25% gewährt. Das kann man ja schließlich mit in Anspruch nehmen.  Später habe ich dann noch meinen Freund Graser besucht, der auch ganz überrascht war, als ich auf seinem Büro erschien. Er sagte mir dann, daß jetzt der Kampf in seiner Dienststelle genauso wieder losgeht wie seinerzeit bei uns mit dem Stadtkommandant. Entweder Oberfeldkommandantur oder seine Dienststelle. Nun hat er Bedenken, was mit ihm werden wird. Vorerst bin ich ja  von derartigen Dingen nicht berührt, denn ich bin ja jetzt untergebracht. Wie gut das ist, habe ich Dir ja schon geschrieben.  Ich weiß nicht mehr genau, ob ich Dir schon mitgeteilt habe, daß unser Kommandant gestern wieder zurückgekommen ist. Doch jetzt fällt es mir ein, daß ich dies in meinem letzten Brief geschrieben habe.  Vorhin war ich im Kino. Es wurde der Film „Jugend“ gespielt, der mir sehr gut gefallen hat. Einige Zivilisten waren wohl anwesend, doch etwa 90% der Anwesenden waren Soldaten.  An die Verpflegung gewöhnt man sich hier nun auch. Sie ist zwar einfach, doch wichtig ist, wie ich letztes Jahr, als ich beim Kommis war auch immer geschrieben habe, daß man den Magen voll hat. Außerdem hat man die Gelegenheit, sich immer noch etwas  zu kaufen, wenn man Hunger hat. Schokolade habe ich für Euch beschafft. Auch für die Kinder Milchschokolade. Sie müssen sie aber mit Verstand essen, denn die war sehr teuer. Auch solche andere, wie ich früher schon ein paar Mal gesandt habe, werde ich noch kaufen können. Ich lasse sie Euch dann in den nächsten Tagen mit zugehen.  Morgen werden wir wieder einmal geimpft. Es ist zwar nicht angenehm, doch beim Kommis werden derartige Dinge von Zeit zu Zeit immer einmal vorgenommen.  Zum Schluß sende ich Dir recht viele herzliche Grüße und Küsse Dein recht oft an Euch denkender Ernst

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