Montag, 2. Mai 2016

Brief 119 vom 2.5.1941


Liebes Mädel!                                                                                                      2.5.41      

Grade hatte ich geschrieben, da war er auch schon hier erschienen und hat mich gleich mit eingepackt. Nach dem ersten trübseligen Eindruck, den ich hier bekommen hatte, war das eine Erholung. Heute bin ich etwas gefaßter und ich nehme an, daß ich mich schon durchsetzen werde. Wir sind mit unsrem alten Wagen, den wir früher hatten und den sich der Tommi mitgenommen hat, hinübergefahren. Wir haben uns wieder einmal richtig ausgesprochen und auch sonst gut unterhalten. Er ist dort schön untergebracht mit noch einem Kameraden  hat er ein Haus zusammen. Sein Kamerad ist gegenwärtig in Urlaub, so daß ich dessen Bett benutzen konnte.  Ich Habe mich dann am 1. Mai in seinem Ort umgesehen, auch auf seinem Büro habe ich mich umgesehen. Zum Mittagessen hat er mich mit dem Kommandanten bekannt gemacht. Es war wirklich ein sehr netter Kreis und gutes Essen hat es zur Feier des Tages auch gegeben. Die Stadt, die ich im letzten Jahr schon einmal besuchte, kenne ich schon.
Gegen 4 Uhr mußte ich dann wieder wegfahren, damit ich meinen Anschlußzug bekam. Ich muß noch nachtragen, daß ich Thomas nicht nochmals wegen Zurückführung in Anspruch nehmen wollte, so daß ich den Zug benutzen mußte. Normalerweise ist ja die Fahrt auch nicht so schlimm, nur in gegenwärtiger Zeit ist es insoweit schlimmer, als die Bevölkerung schlecht mit Kartoffeln versorgt ist und in dieser Beziehung genau dieselben Verhältnisse  wie sie bei uns nach dem Weltkrieg geherrscht haben , sind. Ich kam bei Regenwetter wieder hier an und habe mich  unverzüglich auf mein Zimmer begeben. Das Zimmer hatte ich mir besorgt. Es ist zwar nicht überragend, aber unter den gegenwärtigen Verhältnissen nimmt man es so hin. Es ist noch so eine Art Nebengemach dabei, in dem ein eingebauter Schrank und eine Waschgelegenheit mit fließendem Wasser ist. Der stellvertretende Kommandant stand auf dem Standpunkt, daß es zu weit von der Dienststelle entfernt sei und daß ich mir eines mehr in der Nähe beschaffen soll. Nach Rücksprache mit unserem Kriegsverwaltungsrat (dem Chef der Militärverwaltungsabteilung) soll ich mich aber nicht weiter darum kümmern und soll die Dinge an mich herankommen lassen. Es ist ein großes Haus, wahrscheinlich eine Witwe mit ihrer verheirateten Tochter, die zwei kleine Mädchen hat im Alter von etwa 3 - 6 Jahren. Es war gestern zwar etwas kalt, doch ich werde mich schon einrichten. Eines habe ich aber festgestellt, daß man wenn man da etwas braucht, seine kümmerlichen Französischkenntnisse noch  ziemlich ausbauen muß.
Als Wichtigstes will ich Dir aber meine neue Feldpostnummer mitteilen. Sie lautet 38293. Ich weiß ja nicht, wie lange die Post von hier aus läuft. Ich werde ja dann sehen, wann ich wieder von Dir Post bekomme. Über die übrigen Verhältnisse gebe ich Dir dann bei Gelegenheit ausführlich Bescheid. Ich möchte nur, daß dieser Brief bei der Post, die immer ½ 3 Uhr weggeht, mit weg gesandt werden kann.
Ich grüße Dich für heute recht herzlich und sende Dir viele Küsse und bitte Dich, unseren Kindern jedem einen herzlichen Kuß zu vermitteln. Es grüßt und küßt Dich nochmals Dein Ernst


Meine liebe Frau!                                                                                                2.5.41

Eigentlich hätte ich viel zu berichten. Man weiß nur nicht, was etwa wichtig oder interessant ist. Aber fange ich einmal bei der Wohnung an. Ich wohne etwa 8 - 10 Minuten von der Dienststelle entfernt. Dort habe ich ein großes Zimmer mit einem kleinen Nebengemach, in dem die Waschgelegenheit sich befindet. Es ist fließendes Wasser. Zwar steht daran warm und kalt, ich habe aber bis jetzt nur das letztere verspürt. In diesem kleinen Zimmer ist noch ein eingebauter Schrank, in dem ich meine Sachen unterbringen kann. Es hat den Anschein, daß noch vor einem Jahr ein Engländer drin gewohnt hat. Das Bett ist zwar nicht gleich als solches erkennbar, denn es hat keine Bettlade wie wir es im Allgemeinen gewohnt sind. Es ist aber so, daß ich drin bequem Platz habe.  Obwohl es teilweise noch ziemlich frisch ist, hat man die Dampfheizung nicht mehr in Betrieb. Am ersten Tag hatte man mir das Bett noch nicht bezogen. Als ich es anforderte, sagten die Leute, daß nichts da sei. Da es unsicher war, ob ich dieses Zimmer behalten kann, legte ich für die eine Nacht, die ich vielleicht dort verbringen würde, keinen besonderen Wert darauf. So nach einer halben Stunde kam dann die Frau und brachte mir Wäsche. Da ein Dienstmädchen  im Hause ist, dachte ich, die würde dann kommen und das Bett wenigstens fertig machen. Ich wartete aber vergebens. Ich habe mich dann so in die Falle gelegt und mir so ein Leintuch unter den Kopf gelegt, was dann auch gegangen ist.  Als ich dann über Mittag in meine Behausung kam, war noch nichts gemacht. Ich habe dann jemand vom Quartieramt hingeschickt, die dann noch regeln sollen, was zu machen ist. Am Abend war immerhin das Bett gemacht, doch an das Schuheputzen hat sich noch niemand gewagt. Du ersiehst Daraus, mit welchen Scherereien man rechnen muß, wenn man einmal eine Handreichung haben will. Ich gebe aber immer noch nicht die Hoffnung auf, daß es mir gelingt, das zu erreichen, was ich brauche, um wenigstens einigermaßen wohnen und leben zu können. Gegen 7 Uhr stehe ich auf und gehe dann in die Kantine zum Frühstück. Um 8 Uhr fängt dann der Dienst hier an.  Das Frühstück ist zwar nicht überragend aber es reicht bis zum Mittagessen, das dann ½ 1 Uhr stattfindet. Der Nachmittagsdienst erstreckt sich dann bis 6 / ½ 7 Uhr. Die Kantine befindet sich im gleichen Haus. Du siehst nun, was wir für eine Dienstzeit haben. Am Samstagmittag, also heute ist dann dienstfrei.  Wie mir vorhin mitgeteilt wurde, soll ich morgen von 6 Uhr Abends bis zum Montagabend 6 Uhr Offizier vom Dienst machen. Was ich da für Funktionen zu erfüllen habe, das wird sich dann schon noch zeigen. Bis jetzt soll ich mich erst einmal etwas in dem Laden hier umsehen. Dann kümmere ich mich weiterhin um den Publikumsverkehr, der hier zu einem großen Teil aus polnischen Arbeitern besteht. Bei dem kleinen Kreis der Gefolgschaft sind die Gebiete ziemlich zusammengedrängt. Was dann auf mich entfällt werde ich noch abwarten. Es besteht hier ein gewisser Zwiespalt zwischen dem Kommandostab und unserem Militärverwaltungsstab, der durch meine Versetzung nach hier insofern eine ganz interessante Blüte getrieben hat, als hier beschäftigte Schreibkräfte den Soldaten über einzelne Offiziere einen gewissen Einfluß ausüben um zu erreichen, daß ich hier den bei uns entstehenden Schriftverkehr schreiben soll, vor allem weil in meinem Wehrpass steht, daß ich Stenografie und Maschine schreibe. Ich habe dem Hauptmann gleich gesagt, daß das wohl nicht der Zweck meiner Kommandierung hierher sei. Der Chef unserer Verwaltungsabteilung steht mit mir auf dem gleichen Standpunkt, so daß durch diese Weiber ein gewisser Kleinkrieg besteht. Ich bin gespannt, welchen Ausgang das noch nehmen wird.
Ich hoffe, daß Du nun inzwischen von mir Bescheid erhalten hast. Heute bin ich ja nun wieder eine Woche von Euch fort, was hat sich alles in dieser kurzen Zeit ereignet. Ich hoffe, daß Ihr alle gesund seid und grüße und küsse Euch alle recht herzlich. Meine neue Adresse habe ich Dir ja gestern mitgeteilt, so daß Du die Verbindung nach hier nun übernehmen kannst. Die sende ich nochmals viele Grüße und Küsse Dein Ernst

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