Meine
liebe Annie! 26.5.41
Am
gestrigen Sonntag war ich in Lille. Mit unserem Postwagen bin ich am Vormittag
hinübergefahren. Wie ich dann aber feststellen mußte, hatte Graser Dienst. Gegen
½ 4 Uhr war er dann frei. Bis zu seiner Ankunft hatte ich mich in unser altes
Lokal gesetzt. Dort wurde ich entgegen
meinem Eindruck beim letzten Besuch freundlich aufgenommen. Die Leute waren
gerade beim Mittagessen und luden mich gleich mit dazu ein. Nachdem ich noch
nichts gegessen hatte, nahm ich dankend an. Wir haben uns dann noch
unterhalten. Später kam dann Graser und wir sind dann noch beieinander
gesessen. Mit dem Abendzug hatte ich heimfahren wollen.
Es
kamen dann aber von Graser noch Arbeitskameraden, so daß sehr schlecht
wegzukommen war. Ich habe mich dann endlich doch losgerissen, mußte aber am
Bahnhof feststellen, daß der Zug gerade hinausgefahren war. Ich bin dann wieder
mit zurück und entschloß mich, mit dem Frühzug wieder hierher zu fahren. Wir
sind dann noch ganz gut beieinander gesessen und Graser und ich sind dann in
seine Wohnung gegangen, wo ich dann auch Unterkunft gefunden hatte. Mit dem
Frühzug bin ich dann ½ 6 Uhr zurückgefahren, so daß ich rechtzeitig
zum Antreten und Dienst da war.
Deinen
lieben Brief vom 20. habe ich erhalten, ebenso das Päckchen, das noch ausstand.
Ich danke Dir vielmals dafür. Gefreut hat mich Deine Mitteilung, daß Du das
Päckchen mit den Pralinen erhalten hast und daß sie Dir, wie ich annehme,
zusagen. Wenn dann die Kinder auch zufrieden sind mit der Schokolade, ist es ja
auch in Ordnung. Wie ich Dir zwar schon schrieb, war sie teuer, doch
schließlich hat man ja den Kindern eine Freude bereitet.
Für
das mit gesandte Paßbild danke ich Dir. Ich finde, es entspricht nicht ganz der
Natur. Es wirkt verhältnismäßig etwas steif. Da sieht man, daß die
Berufsfotografen nicht viel mehr fertig bringen wie wir, denn wir haben doch
Bilder da, die sehr gut getroffen sind und von denen man sagen kann, daß sie mehr
dem entsprechen, wie das gesandte Bild. Ich freue mich aber trotzdem über das
Bild. Auch Jörgs Fotografie ist ja auch ganz gut gemacht, doch auch nicht ganz
richtig getroffen.
Heute
sende ich Dir den Durchschlag meiner Antwort an den Oberbürgermeister mit. Ich
habe das Schreiben unserem Assessor vorgelegt, und er sagte, daß es in Ordnung
sei. Wahrscheinlich wird er von hier aus etwas dazu schreiben. Er will aber
erst nochmals mit dem Kommandanten vorher sprechen. Die Antwort geht jedenfalls
in den nächsten Tagen heraus. Nun sende
ich Dir recht herzliche Pfingstgrüße. Ich denke doch, daß Ihr, wenn das Wetter
einigermaßen schön ist, ein wenig ins Freie geht. Letztes Jahr war an Pfingsten
unser Ausflug nach Überlingen, Sipplingen auf den Haldenhof. Das war doch ein
schöner Tag. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr wenigstens ein Stück mit dem Schiff
fahren. Verlebt die kurzen Feiertage gesund, denn ich werde ich Gedanken bei
Euch sein. Es ist möglich, daß ich über Pfingsten entweder bei Thomas oder bei
Graser bin. Das ist noch nicht ganz klar, doch das zeigt sich erst in diesen
Tagen. Wenn ich sehe, was die beiden anderen treiben. Nehmt recht viele Grüße und Küsse entgegen und sei Du recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst
Mein
liebes Mädel! 27.5.41
Ich
Danke Dir vielmals für Deinen lieben Brief vom 22.5.41, den ich heute erhielt.
Eigentlich hatte ich die Absicht, ihn Dir auf anderem Weg zu bestätigen. Als
ich heute aus dem Kino nach der Kommandantur
kam, wollte ich Dir telefonieren, das war so gegen ½ 10 Uhr, aber die
Verbindung haben wir nicht ganz durch bekommen. Die Kameraden von der
Telefonzentrale bzw. vom hiesigen
Fernsprechamt sind bis Friedrichshafen gekommen und dann ging es nicht mehr
weiter. Ich hoffe, daß wir aber demnächst die Verbindung mit Nummer 309 in
Konstanz zusammenstellen können. Ich denke, daß Webers Dich dann schon an den
Apparat holen. Nachdem ich diese Feiertage nicht mit Euch verbringen kann,
wollte ich doch wenigstens kurz mit Dir sprechen. Aber auch in diesem Falle
sage ich mir, aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Jetzt
zu Deinem Brief. Heute lege ich Dir nun aber die Abschrift meiner Antwort an
die Stadt bei. Etwas müssen die mir jetzt doch wieder schreiben. Wenn dann
nochmals ein nichtssagender Bescheid kommt, dann habe ich mir noch etwas
aufgespart. Dann werde ich ihnen schreiben, daß ich wohl die Erklärung unterzeichne,
mir aber trotzdem unter Umständen vorbehalte, mich um eine andere Stellung
umzusehen. Ich gebe mich diesmal nicht gleich zufrieden. Es hat zwar nicht des
Anstoßes Deines Vaters bedurft, aber er hat in seinem Schreiben recht. Ich kann
mich nicht auf die Dauer so hinausziehen lassen. Ich denke mir zwar, daß die
Stadt sich wieder ablehnend verhält, doch man kann mir dann nicht sagen, daß
ich nichts unternommen hätte. Wegen des Zeugnisses werde ich mich wohl
zufrieden geben müssen. Wegen des
Gehaltszettels kannst Du wegen mir dann noch warten, bis die nächste Zahlung
erfolgt. Was die Schokolade anbelangt, so haben wir beide uns vorbeiverstanden.
Es stimmt wohl, daß ich einmal nur Milchschokolade gekauft habe, doch die
anderen Male habe ich die andere gekauft, weil mir die Milchschokolade zu teuer
war. Ich habe hier noch zwei kleine Tafeln und die zwei großen, die Du dort
hast, die kostet 5,-RM. Ich schrieb darum
auch, daß Ihr sie vorsichtig verwenden sollt. Die in der weißen Packung soll
wohl Gesundheitsschokolade sein, doch wie ich auf der Rückseite gelesen habe,
handelt es sich um eine alte Verpackung, die mit dem gleichen Inhalt nicht
identisch ist. Ich habe sie probiert, man kann sie aber auch essen.
Zum
Brief Siegfrieds habe ich nicht viel
hinzuzufügen. Das Bild lasse ich wieder mit zugehen, ebenso den Brief. Ich
freue mich auch, wenn die Geschichte mit der Erna wieder eingerenkt ist.
Die
Gartenerfolge spornen ja ohne weiteres an, wenn man gleich in solchen Massen
erntet wie Du. Wegen den Erdbeeren kann man ja einmal zusehen, ob man so von
anderen Gärtnern ein paar Setzlinge bekommt.
Ich grüße und küsse Euch alle Ihr meine Lieben und Dich ganz besonders
Dein Ernst
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