Meine
liebe Frau ! O.U.
den 4.5.41
Heute
bin ich nun schon wieder eine Woche in Frankreich. Wenige Tage braucht es nur
noch, dann ist es auch schon ein Jahr her, seit ich zum Heer einberufen wurde.
Die Zeit vergeht, man glaubt es kaum und man meint es sei alles erst kürzlich
gewesen. Die Stimmung, die mich gegenwärtig beherrscht ist fast die gleiche,
wie sie seinerzeit war, als ich die ersten Wochen in der Kaserne zubrachte. Ich
weiß zwar nicht, wie ich es begründen soll, aber ich habe so das Gefühl, als ob
es damals ebenso gewesen sei. Ich gebe zu, ich habe manche Erleichterungen, die
ich damals bestimmt nicht hatte - dies fällt mir jetzt wohl immer ein, wenn ich
unseren Wachtposten vor der Kommandantur sehe, wie er so bei jedem Wetter
draußen stehen muß - doch es sind hier so bestimmte Verhältnisse, die einem
direkt gegen den Strich gehen. Ich werde mich gegen Unbilliges, was von mir
verlangt wird, zu wehren wissen, doch überall werde ich wohl kaum durchdrücken.
Wie
ich Dir gestern schon schrieb, bin ich heute Offizier vom Dienst. Dies geht von abends 6 bis zum anderen Abend
6 Uhr. Dies ist nur dann von Bedeutung, wenn irgendetwas Eintritt, damit jemand
da ist, der eine Entscheidung treffen kann. Ich bin nun heute heimgegangen und
habe auf der Dienststelle hinterlassen, wo ich stecke. Es ist also nicht gerade
anstrengend. Heute kam der Spieß und sagte zu mir, daß ich ab morgen auch mit
antreten soll, wenn alles früh antritt. Ich werde ja morgen sehen, wo die mich
hinstellen wollen.
Gestern
Nachmittag war dienstfrei und heute haben wir auch nichts weiter zu tun. Ich
hatte mir, ehe ich hierher kam, noch in der Stadt in der Frontbuchhandlung zwei
Bücher gekauft und zwar von Thoma „Jagerloisl“ und von Ludwig Finkh “Vogt und
Herzog“. Über das Thomabuch habe ich mich gestern hergemacht. Ich habe es bald
ausgelesen. Bei Gelegenheit schicke ich sie Dir mit zu. Am Abend war hier eine
K.d.F.-Veranstaltung, die ich besuchte. Das Programm sende ich Dir wieder mit.
Die Kräfte waren zum Teil etwas blaß. Es kommen eben nicht solche Kräfte hierher
wie wir es von früher her im Allgemeinen gewohnt waren. Es war aber eine Abwechslung,
die man dann doch dankbar entgegennimmt.
Ein Kamerad hat mich dann noch mit in eine Wirtschaft gelotst, wo ich dann
noch einen Kameraden traf, den ich von der früheren Stadt her kannte, der bei
der Luftwaffe hier tätig ist. Wir haben uns beide gefreut. Obwohl wir früher
nicht viel zusammen gesprochen haben, so berührte es mich doch eigenartig, wenn
sich auf einmal so gegenseitige Interessen herausstellen.
Heute
früh bin ich gegen 9 Uhr aufgestanden und dann, nachdem ich mich fertiggemacht
hatte, zum essen gegangen. Ich habe dann einen ausgedehnten Spaziergang durch
die Stadt gemacht. Die Ausdehnung ist zwar nicht sehr weit. Ich glaube aber,
daß ich das meiste und wichtigste gesehen habe.
Dann
war ich beim Mittagessen und habe mich dann anschließend heimbegeben um
verschiedene Briefe zu schreiben. Deine Eltern und Kurt haben von mir Bescheid.
Die anderen Briefe, die ich noch zu schreiben habe, kommen in den nächsten
Tagen dran. Weil die Sonne noch so schön schien, bin ich dann meinen Weg in
entgegen gesetzter Richtung gegangen. Gegen 6 Uhr bin ich zum Essen und habe
mir dann die Reichstagsrede des Führers angehört. Nun sitze ich wieder daheim
und schreibe diesen Brief. Man hat direkt Mühe, hier solch einen freien Tag tot
zuschlagen, vor allem wenn man einmal nicht in die Wirtschaft gehen will. Dies
ist auch deshalb schwieriger, weil es immerhin trotz des Sonnenscheins im
ungeheizten Zimmer auf die Dauer kalt ist.
Ich denke, daß dies mit dem weiteren Fortschreiten der schöneren
Jahreszeit etwas besser wird, so daß man dann in seiner Bude etwas mehr lesen
kann. Außerdem bekomme ich noch einen Radioapparat, dann hat man an solchem Tag
doch etwas mehr Unterhaltung.
5.5.41
Der
Dienstag ist nun auch vollständig vorbei. Heute früh war nun das Antreten, an
dem ich mit teilnehmen muß. Es war insofern nicht so schlimm, als ich bei den
übrigen Feldwebeln stand. Dadurch war
es ganz harmlos.
Bei
meinem gestrigen Rundgang durch die Stadt habe ich eine interessante Entdeckung
gemacht. Doch vorerst möchte ich Dich
auf etwas anderes hinweisen. Letztes Jahr hatten wir mit unserem Wagen eine
Reise hier durch die Gegend gemacht. Ich sandte Dir unter Anderem verschiedene
Postkarten. Dabei befand sich eine von einem Saal aus unserer Stadt. Wenn es möglich ist, werde ich Dir noch
einige Bilder bei Gelegenheit schicken. Ich nehme nun an, daß Du auch weißt,
was ich für eine Karte meine.
Doch
jetzt zur Stadt selbst. Sie muß früher starkes Kulturzentrum gewesen sein. Das
Rathaus und eine Kirche stellen wirklich wichtige Bauten Dar. Doch leider ist
alles schlecht erhalten. Teilweise sehr verwittert. Die Pfaffen müssen aber
auch hier ein großes Wort früher gesprochen haben. Ich denke, daß dies vor allem während der spanischen Zeit war,
wie ich noch in Erinnerung habe, übten seinerzeit die Grafen und die Pfaffen
eine solche Herrschaft aus, daß sie mit Gewalt
aus dem Land geworfen wurden. Vom Krieg her ist sehr viel zerstört. Vor allem der Bahnhof, von dem nur noch
einige Reste stehen. Die übrigen Gebäude, die sich in der Nähe befanden, sind
ebenfalls durch die Stuka-Bomben vollkommen zerstört. Am Marktplatz ist
dasselbe Bild. Der Schutt wurde von der Luftwaffe für die Flugplätze
weggeräumt. Jetzt sieht man nur noch Eisenteile, Bettstellen, Heizkörper von
Dampfheizungen herumliegen. Einzelne Gebäude haben außer der völligen
Zerstörung stark gelitten. Die Stadt ist durch die letztjährigen Ereignisse
stark mitgenommen. Für heute soll es genug sein.
Wie
geht es Dir und den Kindern. Du wirst Dich wieder sehr im Garten beschäftigt
haben. Ich möchte, wie früher, so auch heute wieder betonen, übernimm Dich
nicht Dabei. Bleibt mir alle recht
gesund und grüßt Vater von mir. Gib unseren Kindern herzliche Grüße und Küsse
und sei Du selbst recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Meine liebe Annie! O.U. , den 5.5.1941
Mit
der ½ 3 Uhr Post ist vorhin mein Brief vom Sonntag abgegangen. Ich werde nun
gleich wieder einen nächsten anfangen. Etwas muß man tun und dann bleibt als
liebste Beschäftigung doch noch das Briefeschreiben an daheim. Über Mittag habe
ich etwas daheim Zeitung gelesen und mich so etwas ausgeruht. Eigentlich wollte
ich am Nachmittag in die frühere Stadt fahren, doch wir bekommen heute
Nachmittag Besuch von auswärts und da ist es besser, wenn ich dann hier bin.
Ich werde dann morgen mit unsrem Postauto fahren. Doch muß ich etwas wegen
meines Wehrsolds regeln, außerdem muß ich in die Zahnstation und will
versuchen, meinen Zahn in Ordnung bringen zu lassen. Weiterhin will ich Graser
noch besuchen, wenn ich Zeit dazu habe. Wenn mir morgen die Zeit nicht reicht,
fahre ich bei Gelegenheit wieder hin. Ein paar Bücher wollte ich mir auch noch
kaufen. Na, ich will mal sehen, was ich alles schaffe. Da ich ja noch keine Nachricht von Dir habe
und auch noch nicht haben kann, will ich meine Beobachtungen über Land und Leute
etwas weiter fortsetzen. Obwohl wir nur 35 km von Lille entfernt sind, ist doch
schon in der Bevölkerungsschichtung eine ganz andere Feststellung zu treffen.
Gut 10 % der Einwohner unseres ganzen Gebiets sind Polen. Interessant ist, daß
im hiesigen Stadtpark, der auch vorhanden ist, an der Benutzungstafel sogar in
polnischer Sprache mit geschrieben ist. Juden sind eigenartigerweise nicht in
großer Zahl vorhanden. Zwei Geschäfte befinden sich noch im Betrieb. Sonst sind
noch Italiener, Spanier und noch andre Völker vertreten. Slowaken, die auch
hier waren, haben sich zum größten Teil in ihre Heimat begeben. Wie ich Dir
schon mitteilte, leben hier die Leute teilweise von der Landwirtschaft, doch
meistenteils sind sie in den Gruben beschäftigt, die sich in ausreichender
Anzahl in der Gegend befinden. Die Leute selbst sind ziemlich ablehnend. Diese
Ablehnung nimmt manchmal sehr ernste Formen an. Unser Spieß war am Sonntag mit
noch einem Kameraden in einer Wirtschaft allein. Nach der Schilderung soll sich
plötzlich ein Teil der Anwesenden gegen die beiden gestellt haben. Trotzdem,
daß sie die Pistolen gezogen hatten, konnten sie nichts machen, weil sich die
anwesenden Frauen dazwischen gestellt hatten. Es kamen dann nach einer Weile
mehrere Soldaten hinzu, die dann mit unseren beiden das Lokal aufgeräumt
hatten. Es klingt zwar etwas nach
Wildwest, doch man merkt daraus, daß man vorsichtig sein muß. Ich sehe deshalb
auch zu, daß ich, was bei dieser Jahreszeit ja möglich ist, noch bei Tageslicht
heimkomme. Wirtschaften sind ja hier in sehr ausreichendem Maße vorhanden. Es
ist erstaunlich, von was die Leute bei dieser Überbesetzung leben. Daß die
Verhältnisse etwas gespannt sind, geht aber schon daraus hervor, daß manche für
Wehrmachtsangehörige geschlossen werden mußten. Wiederum ist es jedem verboten,
in Lokalen zu verkehren, in die deutsche Soldaten gehen. Ich bin nun bald heimgegangen und habe noch
in einem Buch gelesen. Für heute grüße ich Dich vielmals und sende Dir noch
viele Küsse. Unseren beiden Stromern ebenfalls herzliche Grüße und Küsse von
Deinem Ernst.
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