Mein
liebes Mädel 12.5.1941
Vor
einem Jahr ging es stark auf meine Einberufung hin. Ich kann mich noch sehr gut
an diese Tage erinnern. Es waren doch Tage der Spannung. Der Feldzug gegen
Frankreich hatte inzwischen begonnen und etwas Neues, Ungewisses lag vor einem.
Wir haben aber alles gefaßt hingenommen und haben auch gewußt, warum dies alles
nötig wurde. Ich habe früher ja schon festgestellt, was sich in dieser
Zeitspanne ereignet hat. Wenn es noch länger gehen sollte, werden wir dies mit
genau der gleichen Fassung auf uns nehmen, wie wir dies vor einem Jahr getan
haben.
Gestern
am Sonntag haben wird ab 2 Uhr den Geburtstag unseres Kriegsverwaltungsrats
gefeiert. Es ist dabei ziemlich viel
Wein, Bier und Cognac geflossen, doch ich habe mich noch rechtzeitig
zurückziehen können. Bei dieser Gelegenheit habe ich aber unseren
Kriegsverwaltungsrat als einen Pfundskerl kennen gelernt. Ich hatte Dir doch
schon kürzlich geschrieben, wie er mich in Bezug auf meine Prüfung beim
hiesigen Kommandanten herausgestrichen hat. Gestern hat er mir gesagt, wie er
wegen mir bei unserer vorgesetzten Stelle, der OFK (Oberfeldkommandantur)
vorgesprochen und angeregt hat, daß ich
aufgrund der Prüfung befördert werden sollte. Obwohl ihm dies bekannt ist, da
dies von der Beförderung bei der Heimatbehörde abhängt, so hat er es doch
getan. Ich habe ihm daraufhin gesagt, daß man bei uns in Konstanz sehr kurz
tritt. Daraufhin sagte er mir, daß er bedauert, daß er von hier wegkäme, denn
er hatte deshalb, - er ist ja in seiner Heimatstadt auch Bürgermeister einer
Stadt mit 200000 Einwohnern -, an
unseren Bürgermeister in Konstanz wegen einer entsprechenden Einreichung
geschrieben. Du kannst daraus ersehen, daß ich meine Arbeit auch hier richtig mache. Das ist ja dann auch das, was
einen dann befriedigt.
Post
hatte ich gestern keine bekommen. Ich glaube aber, daß ich heute wieder mit
bedacht werde. Heute habe ich noch an Thomas geschrieben, denn er bat mich bei
meinen Besuch darum. Die meisten Briefschulden habe ich somit erledigt. An
Direktor Hellstern von der Stadtverwaltung habe ich mir ein Schreiben
aufgesetzt, das ich dieser Tage ausfertigen will. Von der Stadtverwaltung ist
wohl noch keine Antwort auf mein Schreiben eingegangen. Ich werde dann
vielleicht noch an Dora schreiben und ebenso an Gerhard über Elsa. Dann habe
ich, soviel ich mich entsinne, alles geschrieben.
Bis
heute früh hat seit etwa 10 Tagen hier ein wirklich schönes sonniges Wetter
geherrscht. Die Bäume, die ich gesehen habe, haben schon geblüht. Doch trotz der vielen Sonne ist es meist
sehr kühl. Frühmorgens war es schon kalt. In den klaren Nächten waren dann die
Voraussetzungen auch entstanden und tagsüber
war es fast immer sehr windig, so daß die Sonne nur an windstillen Orten zur
Geltung kam. Gestern früh hatte ich
meinen Morgenspaziergang gemacht. Es
klingt geradeso, als ob ein Spießbürger das sagt. Es ist hier aber gar nichts anderes möglich, weil
man sich hier nichts weiter vornehmen kann. Wenn ich in dem Stadtgarten bin,
dann sind meist noch keine Menschen da. Durch die vielen Bäume halten sich dann
auch verschiedene Arten von Vögeln auf. Jetzt um diese Jahreszeit singen sie
noch so schön, so daß man dann eine ganz kleine Entschädigung für das hat, was
bei uns daheim geradezu selbstverständlich ist.
Vorhin
habe ich Deine beiden Briefe vom 8. und 9.5. erhalten. Recht herzlichen Dank dafür.
An Legler-Gerhard werde ich nun direkt
schreiben. Das wird wahrscheinlich Abkd. (Arbeitskommando) heißen müssen. Für
die mit gesandten Bilder danke ich Dir ebenfalls. Sie sind eben alle etwas kurz
geraten, oder wir waren alle ein bißchen zu groß. Mit Rücksicht auf das
schlechte Wetter sind sie alle ziemlich dunkel
geworden.
Deine
Schilderung über die Goldene Hochzeit ist ja originell. Da kann man sich
ungefähr einen Begriff machen, wie es
die Jahre früher zugegangen sein mag. Es freut mich, daß Vaters Kopf wieder in
Ordnung ist, ich nehme an, daß es ihm
genau so geht.
Mit
meinen Wirtsleuten ist es also nicht ganz so schlimm, wie ich erst am Anfang
gemeint habe. Als ich heute Abend heimkam, lag mein Schlafanzug, den ich ja die
vergangenen Tage angehabt habe, frisch gewaschen auf meinem Bett. Das ist doch
bei dem sonstigen Tempo der Franzosen bestimmt eine Leistung. Früh ausgezogen
und abends frisch gewaschen und gebügelt. Ich muß sagen, ich war bestimmt überrascht.
Meine Schuhe werden , ohne daß ich etwas weiter gesagt habe, regelmäßig
geholt. Ich weiß nicht, habe ich Dir
das schon geschrieben. In dem Hause sind doch zwei kleine Mädchen im Alter von
etwa 4 bis 6 Jahren. Die brauchen mich nur zu sehen, dann springen sie mir nach
und ich muß mich mit ihnen unterhalten. Das geht ja nicht immer, aber ab und zu
muß man sich doch mit ihnen abgeben. Wenn auch die Kameraden versuchen, mich in
ihren Kreis zu ziehen, so finde ich das anerkennenswert. Ich glaube aber nicht,
daß hier jemals so ein Verhältnis zustande kommt, wie es in der vorhergehenden
Umgebung der Fall war. Ich habe auch an Thomas einen entsprechenden Brief geschrieben, in dem ich zum Ausdruck
gebracht habe, daß es mich freuen würde, wenn wir, wenn er aus dem Urlaub
kommt, öfter Gelegenheit haben, uns zu treffen.
Jörg
soll nun ja auf der Straße Obacht geben. Er hat ja nun selbst gesehen, wie
schnell es geht, wenn man nicht aufpaßt. Solche kleinen Begebenheiten aus der
Stadt, wie sie in der Zeitung stehen, interessieren mich immer. Du kannst mir
dies also immer wieder mitteilen. Bis
jetzt haben wir es noch verstanden, uns hier gegen den Weiberzirkus
durchzusetzen. Die Briefeschreiberei hat also durch die Tipsen zu erfolgen.
Nun
aber Schluß für heute. Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir und den
Kindern Dein Ernst
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