Dienstag, 24. Mai 2016

Brief 129 vom 22.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                         22.5.41   

Heute habe ich Deine beiden Päckchen vom 15.und 19.5. mit den darin enthaltenen Briefen erhalten. Für alles Danke ich Dir vielmals recht herzlich. Die Tabletten reichen für das nächste habe Jahr. Das ist ja fast gehamstert, was Du da gemacht hast.  Das Päckchen ist im Verhältnis zum anderen lang gegangen. Ich hatte mir schon immer gedacht, der Brief vom 15., wo der wohl stecken mag. Nun ist er auch angekommen.  Die Lücke ist gefüllt und ich weiß über das, was zwischendrin gefehlt hat, Bescheid.  Daß sich der Schulranzen nicht mehr ganz in Ordnung bringen läßt ist schade. Man macht ihn eben so, wie es geht und wenn er inzwischen kaputt gehen sollte, muß dann doch noch ein neuer beschafft werden.
Briefmarken gibt es auch hier schon wieder neue. Das läuft zwar ziemlich ins Geld, wenn der Satz 2,50 RM kostet. Wenn man den Sand im Schlachthaus holen muß, ist bestimmt der nächste Weg. In Karlsruhe hat man den Sand gleich mit dem Lastwagen vor das Haus gebracht. Man kann das von unserer armen Stadt auch nicht verlangen.
Zu Deinem Brief vom 19. habe ich mich über Deine Freude im Garten und über Deine Erfolge, die Du damit hast, ebenfalls gefreut. Über die gesendeten Sachen vom Muttertag habe ich mich wirklich gefreut und ich will nicht einmal schreiben „Ihr sollt mir doch nichts schicken“. Wie habe ich das wieder angebracht?  An den Oberbürgermeister habe ich heute im Konzept ein Schreiben aufgesetzt. Ich werde es nochmals  durchdenken und dann ins reine schreiben. Durchschlag sende ich dir zu.  Von den Eltern habe ich heute auch einen Brief erhalten, wie ich gelesen habe, ist ja Dir das gleiche auch zugegangen. Das ist ja sehr tragisch mit Leppers  der Pfarrer, der sie getraut hatte, was da Deine Mutter schreibt. Deinen Eltern kannst Du ja bei Gelegenheit schreiben, wo ich stecke, füge aber hinzu, daß sie in Briefen an mich davon nichts erwähnen brauchen. Zu dem Schreiben Deines Vaters werde ich demnächst antworten.  Heute war ich wieder im Kino. Obwohl ich diesen Film schon gesehen hatte, fand ich ihn wieder ganz unterhaltend. Gestern ist unser Theater ausgefallen.  Doch das macht ja nichts, denn in dieser Woche war ja allerhand los.  Für die Franzosen war ja heute Feiertag, wir haben dagegen, wie im Reich auch, gearbeitet. Uns macht das ja nichts aus, denn ob wir daheim herumsitzen oder hier unseren Dienst tun, bleibt sich ziemlich gleich. Ich sende Dir und unseren Kindern recht herzliche Grüße und Küsse, bleibe gesund und denke an Deinen Ernst  

Ein Brief, von dem ich nicht weiß, wo er hingehört, weil er kein Datum hat; er muß mit einem anderen zusammen geschrieben worden sein   Schon wieder haben wir Montag.  gestern habe ich keine Post erhalten. Von unserem Kriegsverwaltungsassessor wurde ich plötzlich eingeladen mit nach Arras und nach der Vimy-Höhe zu fahren. Du kennst ja meine Schwäche für das Reisen. Ich war sofort dabei. Ich bin auch von diesem Tag zufrieden gewesen. Ein schöner sonniger Tag; es war zwar schwül, aber im Wagen konnte man, wenn das Fenster auf war, es ganz gut aushalten. Die Gegend war mir jetzt wieder besonders interessant, da ich doch das Buch lese „Sperrfeuer um Deutschland“. Wenn man die damaligen Möglichkeiten in Betracht zieht, so war es eine gewaltige Leistung, die von unseren Soldaten vollbracht wurde. Vor allem wenn man berücksichtigt, daß unsere Gegner alle Nachschubmöglichkeiten hatten, die uns während dieser Zeit fehlte. Soviel ich mich noch an meinen letzten Besuch erinnere, schrieb ich Dir seinerzeit, daß unsere Gegner im vergangenen Jahr versuchten, sich dort eine Widerstandslinie aufzurichten. Es ist bei dem Versuch geblieben, mehr ist ihnen nicht gelungen. Bei der heutigen Strategie kann man nicht mehr mit veralteten Methoden arbeiten. Diesen Methoden kann man nur mit modernen Mitteln entgegentreten. Wir wollen froh sein, daß man das auf der Gegenseite noch nicht begriffen hat. So wie es scheint, haben die im vergangenen Jahr noch nichts dazu gelernt. Wir fuhren etwa gegen ½ 3 Uhr hier weg und kamen so gegen 7 Uhr wieder hier an. gegen Abend fing es ein wenig an mit regnen, doch unserer Fahrt hat das keinen Abbruch getan. Auf der Lorettohöhe sprachen wir mit einem Pfaffen, der dort seinen Dienst tut. Er ging mit einer Schläue vor wie ein Fuchs. Er hatte für die Engländer nicht viel übrig, sagte sogar, wie die Kirche von ihnen als Stützpunkt angesehen worden ist. Um sich aber zuletzt von unserer Zuverlässigkeit zu überzeugen fragte er, ob wir Katholiken seien, was wir auf seinen Wunsch gern bestätigten.  Deinen  lieben Brief vom 16. habe ich vorhin erhalten. Mit Freude habe ich gelesen, daß Dir meine Briefe zusagen. Wie Du selbst schreibst, hast Du das Gefühl, wie wenn ich persönlich mit Dir spreche. Wenn Du meine Briefe so empfindest, dann werden sie ja so aufgenommen, wie sie gemeint sind.  Wenn das Päckchen gut angekommen ist, dann bin ich aber froh, denn mir schien es sehr windig verpackt, als ich es so beieinander hatte. Hauptsache ist ja, daß nichts verloren gegangen ist. Wie Du aus meinen Briefen gelesen hast, sind ja noch weitere Päckchen unterwegs. Hoffentlich kommen sie alle auch gut an. und machen Dir Freude. Wegen des Schreibens der Stadtverwaltung habe ich mit unserem Assessor heute gesprochen, was er zu dem Ansinnen der Stadt meint. Vor allem mit der flapsigen Aussicht, mich später besser einzustufen. Er meinte, ich soll von mir aus ein Schreiben an die Stadt machen, dazu wird er entweder von sich aus oder vielleicht vom Kommandanten aus noch etwas dazusetzen, Damit das ganze so gewissermaßen einen dienstlichen Charakter bekommt.  Ich werde das so tun, weil mir dieser Vorschlag günstig erscheint.
Abschrift von diesem Schreiben lasse ich Dir mit zugehen.
Bei uns sind zwei Schreibfräulein, die sind aus dem Reich. Die sind so aufgeblasen und machen mit den Offizieren, was sie wollen. Weiterhin haben wir zwei Fräulein, und zwar ihrer Nationalität nach Polen. Diese sind als Dolmetscherinnen tätig, weil sie deutsch, französisch und polnisch sprechen.
Wegen der hiesigen Bevölkerung ist es notwendig, daß sie die Sprachen beherrschen, damit wir mit diesen auch fertig werden.  Heute war ich im Kino und zwar wurde „Der Postmeister“ gespielt. Ich hatte ihn seinerzeit gesehen in französischer Sprache. In deutscher Sprache wirkt er ganz anders. Heute ist wieder Kino und zwar “Spähtrupp Hallgarten“. Auch diesen Film habe ich schon einmal gesehen. Ich nehme an, daß ich wahrscheinlich mir auch diesen ansehe. Ich sende Dir heute wieder meine herzlichen Grüße und Küsse. Einen Teil kannst Du an unsere beiden Trabanten weitergeben. Dein Ernst 

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