Samstag, 28. Mai 2016

Brief 132 vom 28./29.5.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                           28.5.41   

Vom heutigen Tage weiß ich eigentlich nicht viel zu berichten.  Post habe ich keine von Dir bekommen. Ich könnte also schon aufhören.  Mir fällt gerade ein, daß ich dieser Tage bei einem französischen Zahnarzt war, um nun endlich meine Zähne in Ordnung bringen zu lassen. Er versucht nun erst einmal, den Zahn fest abzuschließen, um zu sehen, wie er sich dazu verhält. Am Freitag soll ich wieder hinkommen. Wie er mir erklärte, glaubt er nicht, daß der Zahn gezogen werden muß. Ich werde Dir dann wieder Bescheid geben. Ich weiß nicht, ob ich Dir schon wegen der Hosen- und Stiefelangelegenheit geschrieben habe. Du fragtest mich, warum ich mir diese zulegen will. Wenn ich mit meiner jetzigen Rüstung herumlaufe, so gefällt sie mir nicht immer, vor allem weiß man nicht, wann eigentlich Sonntag ist. Wenn ich noch Stiefel bekomme, so ist das ja kein Schaden, denn die kann ich später auch immer noch tragen, wenn der Krieg einmal vorbei ist. Es ist nur, damit man auch einmal etwas besser angezogen ist, außerdem finde ich, sieht es militärischer aus. Ob ich zwar alles noch bekomme, muß ich erst einmal sehen.  Heute ist bei uns ein Oberinspektor eingetroffen, der sich vorübergehend hier aufhalten soll, um sich einzuarbeiten. Er ist ein Schlesier. Man merkt, daß der Mann direkt aus der Heimat kommt und an die Verhältnisse hier noch nicht gewöhnt ist. Das Büro sagt ihm nicht zu, es sei ihm zu klein, die Stadt sei unsauber usw. Wenn ich Dir früher derartige Schilderungen geben habe, so war dies ja nur, um Dir ein Bild von dem zu machen. Aber bei diesem Mann merkt man, daß er mit den Verhältnissen noch nicht vertraut ist. Es ist eigenartig, wie einem das dann gleich auffällt. Dieser Mann ist, wie ich Dir schon mitteilte, nur vorübergehend hier. Wie ich zwar gehört habe, sollen wir noch einen Inspektor hierher bekommen, der gewissermaßen die Verwaltungsabteilung führen soll. Wie sich das entwickelt, wird sich dann ja herausstellen. 
Ich hoffe, daß Ihr alle gesund und munter seid. Die Kinder werden Dir hoffentlich folgen, damit Du Dich nicht immer aufregen und ärgern mußt. Ermahne sie nur und sage ihnen, was ich geschrieben habe. Ich weiß wohl, daß, wenn man so jung ist, es schwer fällt, immer brav zu sein. Sie sollen sich aber trotzdem zusammennehmen. Ich sende Euch allen recht herzliche Grüße und Küsse, Dir sendet wieder besonders herzliche Dein Ernst


Mein liebes Mädel!                                                                                             29.5.41

Unsere Post wird wegen wichtigen Transporten scheinbar zurückgestellt, denn ich habe auch heute keinen Brief erhalten; die anderen Kameraden zwar auch nicht. Die wenigen, die Post bekommen, fallen im Verhältnis nicht ins Gewicht.  In dieser Woche war ich nun wieder drei Mal im Kino. Am Montag wurde „Ohm Krüger“ gespielt, am Dienstag „Donauschiffer“ und heute „Verdacht auf Ursula“. Es waren alles ganz nette Filme, den vom Montag hatten wir ja noch zusammen gesehen, als ich daheim war. Dadurch, daß im französischen Kino auch deutsche Filme laufen, kann man immer einmal mehr hineingehen. Wenn auch einmal ein Film kommt, den man schon gesehen hat und der an sich gut war, so kann man sich diesen ohne weiteres noch einmal ansehen.  Ich füge Dir einen Durchschlag bei, der zu einem Schreiben an den Oberbürgermeister gehört.
Wie Du daraus ersiehst, kann von unserem Kommandanten zwar nicht viel geschrieben werden, aber immerhin geht aus dem Schreiben hervor, was ich hier bin und daß die von mir gemachten Angaben stimmen. Mein Gesuch bekommt dadurch einen amtlichen Charakter.
Ich verspreche mir von allem zwar keinen großen Erfolg von meinem Vorgehen, weil mir das Verhalten der Stadt von früher her nur zu bekannt ist. Ich halte es aber für notwendig, etwas zu tun, damit der Stadt nicht alles so kampflos in den Schoß fällt.  
Das wechselhafte Wetter hält immer noch an. Es ist zwar im Durchschnitt wärmer wie im Anfang, wo ich hierher kam, doch man weiß nicht, wie man sich verhalten soll. Man muß immer zusehen, daß man nicht zu warm oder zu wenig angezogen ist.  Ab nächster Woche bekommen wir wieder andere Verpflegung. Bisher bekamen  wir für den Tag 2,RM für unsere Verpflegung. Die Unteroffiziere und Mannschaften hatte dann eine gemeinsame Küche. Am Ende von 10 Tagen wurde dann abgerechnet. Durchschnittlich kostete das Essen etwa 1,RM, so daß mit für die 10 Tage rund 8 bis 9 RM übrig blieben. Die Auszahlung des Verpflegungsgeldes fällt nun ab nächsten Monat weg und wir erhalten Truppen bzw. Magazinverpflegung. Wie die dann ausfällt, müssen wir erst wieder sehen. Auf jeden Fall kann man sich evtl. etwas Dazu kaufen, wenn es nicht langen sollte.  Wenn ich Urlaub bekomme, werde ich, wie ich Dir schon mitteilte, nach Lille fahren. Mit Thomas habe ich schon telefoniert und auch mit Graser. Es ist also wahrscheinlich, daß wir uns dort treffen über Pfingsten.  Für heute hatte ich nicht weiter zu berichten. Ich grüße und küsse Euch, Ihr meine Lieben und hoffe, daß Ihr alle gesund seid. Dir sendet nochmals viele Grüße und Küsse
Dein Ernst

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