Meine
liebe Annie! 17.5.41
Heute,
am Tag nach meiner Inbesitznahme meines neuen Platzes, habe ich mir einen
Fliederstrauß auf meinen Platz stellen lassen.
Ein wenig Frühling hat nun auf meinem Schreibtisch Einzug gehalten.
Heute am Samstagnachmittag haben wir dienstfrei. Erst war ich in meiner Wohnung
und habe das 2. Buch ausgelesen, dann habe ich noch einen kleinen Rundgang
durch die Stadt gemacht. Erst am Kanal entlang und dann über Abraumhalden
hinweg wieder in die Stadt. Es ist ein richtig sonniger Frühlingstag. Die Wärme
kann man gut ertragen, nachdem es bis jetzt wohl viel sonniges Wetter war, doch
fehlte ihr gegen den kühlen Wind die nötige Wärme. Bis jetzt konnte man unter
der Feldbluse den Pullover noch vertragen.
Ich denke aber, daß man nunmehr darauf verzichten kann. Morgen ist nun Dein Tag der Familie. Ich
bedauere, daß ich Dir dazu nicht persönlich meine Wünsche übermitteln kann. Ich
hoffe, daß Dich mein Päckchen, das ich letzte Woche ab gesandt hatte, und das
für diesen Zweck bestimmt war, noch rechtzeitig erreicht hat. Ich kann mich noch gut entsinnen, wie ich
vor einigen Jahren am Samstag hinausgegangen war, um Dir einige Feldblumen zu
suchen. In späterer Zeit bin ich dann
einmal mit den Kindern gegangen und habe Dir verschiedene Blumenvasen geschenkt.
Das sind so Erinnerungen, die man so hervorkramt und sich freut, wie man es in
früheren Jahren gemacht hat. Nun ist es bereits über ein Jahr, seit Briefe von
mir zu Dir gehen und umgekehrt wandern. Wie lange werden wir das abwarten
müssen. Wir vertrauen auf den Führer und tun den Dienst, der von uns verlangt
wird. Du siehst, daß sich mein Standpunkt innerhalb dieses Jahres nicht
gewendet hat und ich bin auch nicht willens, ihn zu ändern. Heute vor einem Jahr an einem Samstag kam
ich mit meinen andren Kameraden im Garnisonsort an. Da ist nun ein Jahr voller
Ereignisse beim Kommis vorbei.
Vorhin
erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 13.
und 14., über die ich mich sehr gefreut habe. Die weiteren Beilagen des
einen Briefes sind teils erfreulich, teils nicht. Meinst Du, ich kann mit dem
Zeugnis zufrieden sein. Ändern kann ich ja daran auch nichts mehr. Wegen der
Verpflichtung habe ich mich insofern geärgert, als in dem Begleitschreiben steht, daß der Oberbürgermeister in Aussicht stellt, mich später in eine
bessere Vergütungsgruppe einzustufen. Ich werde hier mit unserem
Abteilungsleiter am Montag sprechen, was er dazu meint. Die ganze Sache geht ja
von dem Intriganten Lang aus. Das Schreiben stammt ja schon vom 3. Mai wie ich
gerade sehe. Es ist an meine alte Feldpostnummer gesandt worden.
Nun
haben die sich nicht mehr zu helfen gewußt und haben Dir alles zugesandt. Es
eilt ja auch nicht so sehr, nachdem man solange gewartet hat.
Wenn
mit den Erdbeeren nicht mehr viel los ist, dann hauen wir alle raus. Es ist
auch so damit, man muß einmal eine andere Sorte probieren. Die hat sich
ausgetragen. Wenn die Sträucher besser
tragen, so ist wenigstens da ein Ausgleich. Ich werde versuchen, daß ich noch
etwas Zucker bekomme, damit Du noch das zu Marmelade verarbeiten kannst, was im
Garten anfällt. Ich weiß noch nicht, wie mir das gelingt, aber versuchen werde
ich es. Ich verstehe gar nicht, daß die
Beträge von dem Gehaltszettel so ungleich lauten. Es gehört sich doch, daß man
Zuschußbeträge besonders vermerkt, und wenn man Abzüge macht, daß man die auch
aufführt. Man weiß ja sonst nicht, was einem eigentlich zusteht. Vor allem
machen mich die Pfennigbeträge stutzig.
Ich
bitte Dich, laß Dir einmal genau Aufklärung geben, wie sich das in letzter Zeit
zusammensetzt, denn man verliert ja ganz und gar die Kontrolle. Ich glaube wohl
kaum, daß es nicht stimmen würde, doch die Übersicht geht verloren, und nachdem
es unser Geld ist, steht einem das Recht zu, daß man entsprechende Auskunft
erhält. Im Garten kannst Du ja nun auch
Tomaten setzen, ebenso kann das Gurkenbeet fertiggemacht werden, sofern Du es
noch nicht getan haben solltest. Ja,
Jörg soll nur die Zeit noch ausnützen, denn wenn er in die Schule kommt, fällt
doch manche Stunde weg. Dann heißt es auch für ihn, wie bei Helga auch, erst
die Aufgaben machen. Soldatenspielen kann einen Jungen auch ganz fesseln; vor
allem, wenn man sich so im Freien tummeln kann und wenn man sich so schöne
Hütten bauen kann. Bald wird für ihn auch die Zeit vorbei sein. Ich habe doch nun auch ziemlich in der
letzten Zeit Briefe an Bekannte geschrieben,
aber bis jetzt habe ich nur von Dir Antwort bekommen. Sie ist mir zwar
die liebste, denn wir stehen uns doch in allem am nächsten. Das geht schon allein
daraus hervor, daß ich so regelmäßig von Dir Post erhalte; Du hoffentlich von
mir auch. Die anderen werden schon wieder einmal schreiben. Ich brauche dann
auch nicht vorher zu antworten. Ich grüße Dich für heute recht herzlich und
sende Dir gleichzeitig viele Küsse; Helga und Jörg gib bitte Davon etwas ab.
Dein Ernst
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