Donnerstag, 19. Mai 2016

Brief 128 vom 20./21.5.1941


Mein liebes Mädel!                                                                                      20.5.41   

Das Frühlingswetter hat aber nun kräftig eingesetzt. Die vergangenen Tage war es früh immer ziemlich kalt, doch gegen Mittag hatte die Sonne gegen die kalte Luft soviel Kraft, daß es auch über Mittag ganz schön warm war. Wie ich aus Deinen Briefen gelesen habe, herrscht ja bei Euch ähnliches Wetter. Seit Sonntag ist es nun richtig warm geworden. Jetzt ist es langsam an der Zeit, daß man den Pullover in die Ecke legt und einmottet.  Für Deinen Brief vom 16., den ich vorhin erhielt, danke ich Dir vielmals. Nun ist unser Junge auch schon in den Listen der Schule erfaßt. Bald wird er dann antreten müssen. Hoffen wir, daß er auch Freude am Lernen hat, denn dann fällt es ihm viel leichter.  Warten wir es ab, denn zwingen kann man es nicht. Ich kann mir vorstellen, daß Helga ihren Stolz gehabt hat, wenn sie ihr Klassenzimmer hat zeigen dürfen. Für sie ist das ja ein Teil ihres Lebensinhalts. Vor allem ist es noch so, daß sie Erfolg in der Schule gehabt hat, der ihr eine gewisse Berechtigung zum Stolzsein gibt. Hoffentlich macht sie so weiter. Wenn sie auch einmal lausbubenhaft ist, Hauptsache ist, daß sie sich dahin findet, wo sie hingehört. Ich glaube, daß ihr das nicht schwer fällt. Das macht nichts, wenn Du die Kinder der jetzigen Sommerzeit entsprechend ein wenig länger draußen läßt.
Jörg hat also immer noch die gleichen Schwierigkeiten mit dem Haareschneiden.  Unsere prompten Briefeschreiber haben sich auch gleich wieder gemeldet.  Legler Gerhard hat mir heute auch geschrieben, sonst habe ich bis jetzt  noch von niemand weiter Post erhalten. Er bittet darum, daß ich ihm bald wieder schreiben soll. Wie ich aus seinem Schreiben weiter ersehe, hat er sich darüber gefreut. 
Den  Film „Spähtrupp Hallgarten“ habe ich mir nochmals angesehen. Dazu die neue Wochenschau. Es war wieder ganz schön. Nächste Woche läuft hier der Film „Bismarck“, dann soll der Film „Wunschkonzert“ und der Film „Karl Peters“ kommen. Wenn ich auch schon manche gesehen habe, so kann man sich diese ohne weiteres noch einmal ansehen.  Ich bin heute nicht in der richtigen Briefschreibestimmung. Ich hoffe, daß Du auch einmal mit etwas weniger zufrieden bist. Nimm herzliche Grüße und Küsse entgegen von Deinem Ernst

21.5. 41
In dieser Woche haben wir etwas mehr Abwechslung in Bezug auf Unterhaltung, wie wir es sonst hier gewohnt sind. Heute ist im Theater eine Vorstellung und morgen ist die übliche Vorstellung im Kino gegen Bezahlung. Es wird gespielt „ Herz modern möbliert“. Diesen Film habe ich auch schon einmal in Lille gesehen, aber ich fand ihn seinerzeit ganz unterhaltend, so daß ich ihn mir nochmals ansehe.  Wie ich dir schon mitteilte, hatte ich für die Kinder ein Paar Schuhe besorgen wollen. Kamerad Graser konnte es dann nicht mehr machen, so daß ich wieder auf dem Trockenen saß.  Nun hatte ich mich hier an jemand gewandt um vielleicht doch noch welche zu bekommen. Heute früh brachte man mir nun für Jörg ein Paar braune Halbschuhe, die auf das gesandte Muster passen. Für Helga brachte er mir ein Paar Damenschuhe, weil diese Größe dem schon entspricht. Diese hatten hohe bzw. halbhohe Absätze. Für Dich wären sie bestimmt ganz nett gewesen, die Größe 36 kannst Du aber auch nicht tragen. Ich habe sie zurückgegeben mit dem Auftrag, ein Paar andere zu besorgen. Vorhin kam er nun schon mit einem Paar anderen an, die auf das Muster gut passen. Ich hoffe, daß sie auch sonst passen werden. Es ist auch schon Damengröße, aber so eine Art Sportmodell. Ich hatte gleichzeitig darum gebeten, für Dich evtl. ein Paar mitzubesorgen. Ich glaubte nun, in den nächsten Tage vielleicht welche zu bekommen, vorausgesetzt, daß er die Möglichkeit hat, welche zu bekommen. Aber mit Helgas Schuhen brachte der Mann mir auch gleich noch welche für Dich.  Es sind braune Wildlederschuhe mit einer Art Chromledersohle.  Doch warum soll ich Dir Da lange Beschreibungen vormachen, ich werde sie schnellstmöglich verpacken und Dir zusenden. Doch etwas habe ich mir dabei aufgespart. Eine kleine Überraschung ist dabei, ich nehme an, daß Du Dich darüber wundern vielleicht sogar darüber lachen wirst.
Hoffentlich sagt Dir alles zu und hoffentlich paßt alles richtig. Die Preise sind zwar ziemlich gestiegen, für eure habe ich je 15 RM bezahlt und für Jörgs Schuhe 7,0 RM. Das Geld habe ich wohl, aber für den nächsten Monat kannst Du mir vielleicht 20 / 30 RM schicken, doch ist das nicht so eilig.  Vor allem nicht in diesem Monat. Wie gesagt, die Schuhe mache ich mit fertig und schicke sie bald ab. 
Deinen lieben Brief vom 17.5. habe ich vorhin bekommen. Wiederum danke ich dir vielmals dafür. Ich will Dir zuerst gleich Deine Frage beantworten wegen dieser Frau Bolz. Ich kann teilweise das Verhalten dieser Frau verstehen, wenn sie irgendwo bei einer Frau Anlehnung sucht, wenn sie sonst niemanden findet. Wenn man aber so nahe beieinander wohnt, habe ich es nicht sehr gern, wenn man sich mit fremden Leuten zu sehr anfreundet und es ist mir nicht angenehm, wenn andere Leute in unsere Wohnung reinschmecken. Wenn man sich aber nicht binden will, kann man sich meist nur belanglose Dinge erzählen. Ich bin nun der Ansicht, wenn du selbst das Bedürfnis hast, mit einem anderen Menschen, vor allem mit einer Frau, über Verschiedenes zu reden und Du hast das Empfinden, daß Dir die Frau zusagt und entgegenkommt, so habe ich bestimmt nicht dagegen, wenn Du ab und zu mit ihr sprichst oder auch einmal auf ihre Einladung hin zu ihr hinübergehst. Ich glaube aber nicht, daß dies nun jeden Samstag notwendig ist. Ich glaube, daß Du mich verstehst, ich will nur nicht, daß Du Dich zu sehr bindest. Wenn du dann ab und zu ihrer Einladung Folge leistest, nehme ich an, wird sie auch zufrieden sein. Den  Muttertag haben unsere beiden Borzels Dir, wie aus Deiner Schilderung hervorgeht, wirklich schön gestaltet. Wenn sie dann Deine Freude bemerkt haben, werden sie auch   sicher   über ihren Erfolg froh gewesen sein.  Die Schuhgeschichte ist nun inzwischen erledigt. Ebenso habe ich Dir schon wegen des Gartens geschrieben.
Daß mein Päckchen rechtzeitig eingetroffen ist, hat mich gefreut, auch das, daß Dir die gesandten Sachen zugesagt haben.  Für heute sende ich Dir recht herzliche Grüße und Küsse und bitte, das unseren Kindern zu sagen, daß ich mich darüber gefreut habe, daß sie Dir den Muttertag so schön gestaltet haben. Gib ihnen Dafür von mir einen herzhaften Kuß. Nimm Du selbst nochmals herzliche Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen