Donnerstag, 19. Mai 2016

Brief 126 vom 16./17.5.1941


Meine liebe Annie!                                                                                         16.5.41   

Gestern habe ich in meinem Brief vergessen zu vermerken, daß ich wieder 2 Päckchen mit Schokolade und zwar Nr. 5 und 6 an Dich zur Absendung gebracht habe. Ich hoffe, daß Dich alles gesund antrifft und daß Du Dich darüber freust. Post erhielt ich keine, doch Dein Brief wird sich etwas verspätet haben. Wie Ich Dir schon schrieb, bin ich ins Kino gegangen. Es wurde ein Kriminalfilm gezeigt, „Der 4. kommt nicht“. Ich muß sagen, daß das ein guter Film war und vor allem nicht so, wie es meist dabei zugeht.  Für diese Woche ist es nun aus mit der Unterhaltung. Jetzt lese ich wieder in meinen Büchern. Das zweite Buch habe ich auch bald fertig. Wir bekommen hier ja noch unsere Tageszeitung und am Ende der Woche trifft auch immer „Das Reich“ ein. Man verkümmert dabei nicht ganz und gar.
Heute habe ich nun, nachdem ich schon über 14 Tage hier bin, meinen Platz im Büro bekommen. Der Sonderführer, der vorher noch mit im Zimmer war, ist rausgezogen. Jetzt ist noch der Unteroffizier und der Gefreite bei mir. 
Vorhin habe ich Deinen Brief vom 11./12. erhalten. Diesmal war er sehr lang, so daß ich wieder etwas zu lesen hatte. Da habt Ihr also das „Mensch ärgere Dich nicht Spiel“ herausgeholt, das noch von uns stammt.  Ja, da will ich nur dazu feststellen, daß ich das selbst gemacht hatte. Ich hatte mir ein Muster besorgt und hatte es nach diesem abgezeichnet.
Ja, von der Eröffnung des deutschen Theaters in Lille hörte ich schon bei meinem letzten Besuch. Dann war in unserer Frontzeitung ein Artikel, den ich mir aufgehoben habe, weil ich ihn Dir mit senden wollte.  Wegen den Büchern habe ich Dir ja schon gestern geschrieben. 
Da ist ja der Zweck erreicht, wenn Du Freude an dem regelmäßigen Posteingang hast. Ich sehe auch zu, daß ich ziemlich jeden Tag schreiben kann. Es muß schon einmal wirklich nicht gehen, wenn ich nicht schreibe. Durch das Stenographieren kann ich ja ohne viel Anstrengung mehr schreiben wie das früher der Fall war. Ich glaube, daß Dir das Lesen keine Schwierigkeiten bereitet. 
Über unsere geistige Betreuung, die wir hier erfahren, habe ich Dir schon in meinen letzten Briefen Auskunft gegeben. Am nächsten Mittwoch wird hier von KDF ein Theaterstück von Kotzebue aufgeführt „Wirrwarr.“ Ich werde sicher hingehen.  Die meiste Schokolade ist ja nun unterwegs.  Die in der weißen Packung soll Gesundheitsschokolade sein. Wieso und warum das welche ist, weiß ich zwar nicht, aber es steht darauf. Du kannst mir dann einmal mitteilen, wie sie geschmeckt hat. 
Nun haben die Kinder den Nikolausbrief wieder herausgekramt. Das ist gar nicht so schwer, ihn zu schreiben, wenn man sich nur hineindenkt, was die Kinder hören wollen und wenn man weiß, was nötig ist zu sagen. Wenn er ihnen gefällt, sollen sie ihn nur gut aufheben, damit sie wissen, wie man es machen muß und was der Nikolaus sagt. 
Mit dem Wetter ist es fast so wie bei uns nur mit dem Unterschied, daß wir bis jetzt schon viel schönes Wetter hatten. Gestern hatte es geregnet und heute  ist wieder schönes Wetter gewesen. Es ist zwar auch noch verhältnismäßig kühl. Wenn Vater also seine Hacke weggekommen ist, braucht er sich tatsächlich nicht zu wundern. Man kann doch seine Sachen nicht den ganzen Winter über draußen liegen lassen. Weiter braucht er sich auch nicht zu wundern, wenn der Feldhüter sich darum kümmert, daß sein Garten noch nicht bestellt ist. Ich denke, er wollte sich Urlaub geben lassen. Soll er es doch einmal wahr machen und sich dafür ein paar Tage frei nehmen, dann ist das doch halb so schlimm für ihn. Er hat es ja dann gar nicht nötig, sich nach Feierabend hinzustellen. Ich weiß aber, daß da alles Reden nicht viel nützt. 
Dein Päckchen, das Du am 9.5. ab gesandt hast, habe ich heute auch erhalten. Ich will es erst daheim öffnen. Über den Inhalt weiß ich also noch Bescheid. Ich danke Dir jedenfalls im voraus, ich sollte Dir erst nämlich den Kopf waschen, weil Du Dir so ohne Vorankündigung ein Päckchen zugehen läßt.

17.5. früh 
Gestern Abend habe ich in meiner Wohnung Dein Päckchen aufgemacht. Ich Danke Dir herzlich für das gesandte Gebäck. Ich werde es so verbrauche, wie Du es mir geschrieben hast. So zwischendurch ißt man ganz gern einmal etwas, vor allem, wenn man abends in seiner Bude sitzt und liest. Nochmals herzlichen Dank für alles.
Nach dem Abendessen hatte ich mit einem Kameraden noch einen Spaziergang gemacht. Soweit das hier möglich ist. Das Wetter war ganz schön, und wenn man den ganzen Tag im Zimmer sitzt, tut einem das schon ganz gut, wenn man an die Luft kommt. Als ich dann heimkam, habe ich noch Zeitung gelesen und dann noch im Buch bis es so gegen 11 Uhr war.  Jetzt fängt nun wieder der Dienst an. Schon wieder ist eine Woche um und morgen haben wir Sonntag.  Euch allen sende ich recht herzliche Grüße und Küsse. Ich bitte Dich, gib unseren beiden Stromern jedem wieder einen herzhaften Kuß. Du selbst nimm mehrere Davon entgegen von Deinem Ernst.

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