Meine liebe Annie! O.U.,
den 22.8. 1940
Vorhin habe ich meinen Brief von gestern
an Dich aufgegeben, doch da ich im Augenblick etwas Zeit habe, möchte ich
gleich meinen Brief, der für heute vorgesehen ist, anfangen. Ich habe die Absicht,
heute noch einige andere Post zu erledigen, vorausgesetzt, daß nichts
dazwischen kommt. Die Durchschläge werde ich dann wieder beifügen. Soweit es
irgend geht, werde auch ich die Briefe, die ich so noch zu erledigen habe, mit
Maschine schreiben, damit ich Dir dann einen Durchschlag mitsenden kann.
In letzter Zeit hatten wir hier einigermaßen
gutes Wette, doch jetzt will es scheinen, als ob es dem Herbst zugeht, regnerisch
und für die Jahreszeit kühl. Als das Wetter die vorhergehenden Tage so schön
war, so konnte man hier den Einsatz unsere Luftwaffe beobachten. Zu berücksichtigen
ist ja hierbei, daß wir nur einen Teil von dem sehen, was wirklich eingesetzt
wird. Doch wenn man diese Staffeln in der Luft sieht, so kann man sich mit
einem Gefühl des Stolzes die Wucht eines Einsatzes schon vorstellen. Wir sind
ja auch gespannt, wann der Angriff auf England hier losgehen wird. Wir warten
hier genau so wie alle anderen daheim auch. Wir werden uns aber wie bisher mit
Geduld wappnen und zu warten wissen. Daß diese Zeit bei uns nicht ungenützt
vorübergeht, das wird ja dann die Zukunft zeigen.
Das letzte Bild, welches Du mir von Dir
mit zugehen ließest, gefällt mir sehr und ich muß es mir immer wieder ansehen,
wie gut Du darauf aussiehst. Das Kostüm steht Dir ausgezeichnet, wobei ich noch
bemerken muß, daß ich dies ja nicht selbst in Natura feststellen kann, sondern
nur auf dem Bild. Ich werde ja auch einmal Gelegenheit haben, mein Urteil
selbst ablegen zu können.
Soeben erhielt ich einen Brief von Deinen
Eltern, über den ich mich sehr wenig gefreut habe. Dein Vater nimmt eine so eigenartige
Stellung ein, als ob ich nun Zeit für beide Leipziger hätte. In erster Linie
kommt Ihr einmal dran. Den letzten Brief habe ich nach zwei Tagen beantwortet,
ich weiß gar nicht, was Dein Vater da will, er
nimmt so einen selbstsüchtigen Standpunkt ein. Wenn wir uns auch schon früher darüber klar waren, daß
zwischen Leipzig und uns eine Kluft entstanden ist, so bin ich auch wenig
erstaunt, als Du mir neulich schriebst, wie Du Dich auch entfremdet fühlst.
Dein Vater schreibt weiter, daß ich ihnen von hier aus, wenn möglich, Kaffee
schicken sollte. Ich will zur Entschuldigung annehmen, daß sie sich nicht über
die Versendungsverhältnisse im Klaren sind. Es ist aber ganz gleich, die Art
wieder, wie er es vorbringt, entspricht ganz und gar der Deines Vater. Wenn Du
je welchen von Dir aus schicken solltest, so berechne ihn nur ruhig. Es ist mir
gleich, welchen Preis du von dort aus zugrunde legst, mir kostet das Pfd. etwa
1,-RM. Ich bin aber der Meinung, Dein Vater gibt für viele andere unnütze Dinge
auch Geld aus, so ist es keine Schande, wenn sie etwas mehr bezahlen. Ich bitte
Dich, in erster Linie an Euch zu denken, denn für Euch habe ich es ja auch
gekauft. Weiterhin ist es so, daß nur, wie ich oben auch schon andeutete, ein
gewisses Quantum zugelassen ist, was ich im Monat schicken darf, so daß es
nicht gesagt ist, daß ich nächsten Monat Kaffee schicken kann. Im Übrigen wird
er auch sehr rar und nur durch besondere Umstände kann ich immer noch welchen
erhalten. Unter der Hand kaufen ihn die Soldaten hier das Pfd. schon zu 3,50
RM. Das also ist die Kaffeegeschichte.
Von Dir ist heute wiederum kein Brief
eingegangen, so ist aber mit ziemlicher Bestimmtheit damit zu rechnen, daß
morgen einer eintrifft, doch wahrscheinlicher kann dies noch übermorgen sein.
Ja, man darf dabei den Humor nicht verlieren.
Ich habe heute verschiedene Briefe
beantwortet und sende Dir die Durchschläge mit. Anschließend habe ich mich nun
gleich hergesetzt und will meinen Brief an Dich gleich zu Ende schreiben. Er
wirkt dadurch etwas bunt, doch ich glaube, das macht doch nichts.
Für Helgas Geburtstag habe ich gedacht,
kannst Du von mir den Stoff zu dem Kleid schenken, den ich mitgesandt habe. Ich
werde ihr noch besonders schreiben und
gleichzeitig ihren Brief mit beantworten. Es ist nun bereits 8 Uhr und jetzt
möchte ich mich wieder auf den Weg machen, um zum Essen zu gehen. Es wird mir
so langsam schwach. Anschließend werde ich mich heimbegeben und noch Zeitung
lesen und Radio hören. Wenn es dann wieder Zeit ist, geht´s in die Falle. Du
siehst also, daß von einigen geringen Schwankungen bei mir auch der Tag ziemlich
gleichförmig dahingeht.
Liebes Mädel, sei Du, wie immer, recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Unseren beiden Stromern jedem
einen festen Kuß i.A. des Vaters. Vater richte bitte auch wieder von mir Grüße
aus, doch ohne Kuß.
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