Mein liebes Mädel! O.U. den 13.8.1940
Für Deine beiden lieben Briefe vom 6. und
10.8. danke ich Dir vielmals. Aus Deinem ersten Brief habe ich von Dir das
bestätigt gefunden, was mir Helga in ihrem Briefe geschrieben hat, daß Ihr nach
der Mainau gegangen wart. Das war doch sicher ein schöner Ausflug. Wo habt Ihr denn den französischen Rotwein her?
Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn „unser“ Wein nach Deutschland
verschleppt wird, daß wir ihn hier langsam rationiert bekommen. Wenn er Euch
nur zugesagt hat, dann will ich ja weiter nichts sagen.
Mit dem Kauf des Trainingsanzugs für Jörg
gehen wir beide wieder durchaus einig. Wegen des unregelmäßigen Posteingangs
haben wir uns ja schon wiederholt geschrieben, auch diese Frage ist für uns beide
klar.
Ich kann Dir heute berichten, daß ich meinen
dunklen Anzug anprobiert habe. Er gefällt mir sehr gut und soweit ich
feststellen konnte, sitzt er auch richtig. Ich habe heute noch etwas daran
bezahlt und ich glaube, daß er, trotz der wesentlichen Herabsetzung unserer
Einkünfte, nach und nach doch noch mein Eigentum wird. Bei mir wird hier
wahrscheinlich insoweit eine Änderung wieder eintreten, als ich mein bisheriges
Zimmer aufgeben werde und mit einem Kameraden -Dr. Thomas, unser Sonderführer
und Dolmetscher - ein Haus für uns mit Beschlag belegen. Wir haben uns dies
heute angesehen. Es ist dies ein Haus, welches einem hiesigen Kaufmann gehörte,
der geflüchtet ist und bis jetzt noch nicht zurückkehrte. Wir müssen verschiedenes
herrichten lassen und alles muß erst gesäubert werden. Wenn alles soweit ist, werden
wir dann einziehen und dann kann ich Dir über alles berichten. Vorerst werden
wir in den nächsten Tagen damit Arbeit haben. Es ist gleich 24 Uhr und ich
möchte für heute Schluß machen. Gute Nacht liebes Mädel und schlafe gut. Sei Du
vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Herzliche Grüße und
Küsse den Kindern.
Meine liebe Annie! O.U., den 14.8. 1940
Post ist zwar heute keine von Dir
eingegangen, doch ich will Dir trotzdem schreiben. Bin ich nicht großmütig? Es
ist schon wieder 23 Uhr, doch ich möchte den Tag nicht abschließen, ohne
wenigstens auch schriftlich Deiner gedacht zu haben. Wie Du schon merken wirst,
ist es wieder spät am Tag, doch ich war wieder im Theater, wo ein rheinisches
Volksstück gegeben wurde. Es war wieder lustig und unterhaltsam. Du kannst aber
auch einmal sehen, was ich für die hohe Kunst übrig habe. Ich habe heute Abend
nun wegen dem Theater auf das Abendbrot verzichtet. Glaube aber ja nicht, daß
ich das freiwillig gemacht habe. Zwischen dem Dienstende und dem Anfang des
Theaters war nur die Zeit zu kurz und nach Schluß der Vorstellung konnte ich in
unserem Hotel auf meine Marken nichts mehr haben. Bei unserer jetzigen Löhnung
kann ich mir vorerst ein Sonderessen nicht erlauben, so muß man denn für die
Kunst Opfer bringen.
Ich habe mir in meiner Bude eine Büchse
Ölsardinen aufgemacht, aus meiner Büchse habe ich nun einige Kekse, die ich mir
neulich gekauft habe, geholt, hinterher noch einen Kognak aus der Flasche
getrunken, die ich bei mir auf der Seite stehen habe. Nun bin ich zwar nicht
gerade satt, aber ich habe etwas im Magen. Ja, ein Soldat muß schon etwas
vertragen können.
In den nächsten Tagen schicke ich auf den Namen
eines Kameraden noch einige Päckchen ab, nur damit Du Dich nicht wunderst. Wir
haben heute Schokolade bekommen, bei der mußt Du erst sehen, ob Ihr sie so
essen wollt oder ob Du sie zum Kochen verwenden willst, wenn ich sie Dir
zuschicke.
Wenn Siegfried einmal hierher kommen
sollte, so könnte ich ihn in unserem neuen Haus gut unterbringen. Das Haus hat
zwei Stockwerke. Davon bewohnen wir das Erdgeschoß und den ersten Stock. Den
zweiten Stock werden wir gar nicht benutzen. Ja, wenn Du das sehen würdest,
könntest Du Dich wundern. Wer angibt hat mehr vom Leben, Wenn das alles aber
ungenutzt dasteht, warum soll man das
nicht benutzen. Diese Einrichtungen entsprechen zwar nicht unserem
Geschmack, doch darüber habe ich Dir früher in einem anderen Fall geschrieben,
wie da die Franzosen sind. Über die Wohnung werde ich Dir ein andermal
berichten.
Eins habe ich aber doch ganz vergessen
gehabt. Ich erhielt ja heute nochmals Zeitungen und auch noch das Päckchen mit
Jörgs Geschenk an mich von seinem Geburtstage. Sage ihm nur, ich danke ihm
vielmals dafür und ich habe mich sehr gefreut, daß er so schön an mich gedacht
hat.
Euch alle grüße und küsse ich herzlich und
vielmals. Du selbst sei auch heute wieder besonders herzlich gegrüßt und geküßt
von Deinem Ernst. Gute Nacht.
Am anderen Morgen. Wenn Du meinen
Wohnungsbericht liest so brauchst Du nicht gleich zu denken, daß ich nun die
Absicht habe hier zu bleiben, denn mein Zuhause kann mir hier doch nicht
ersetzt werden. Ernst.
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