Mittwoch, 12. August 2015

Brief 45 vom 13./14.8.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U. den 13.8.1940

Für Deine beiden lieben Briefe vom 6. und 10.8. danke ich Dir vielmals. Aus Deinem ersten Brief habe ich von Dir das bestätigt gefunden, was mir Helga in ihrem Briefe geschrieben hat, daß Ihr nach der Mainau gegangen wart. Das war doch sicher ein  schöner Ausflug. Wo habt Ihr denn den französischen Rotwein her? Da brauchen wir uns nicht wundern, wenn „unser“ Wein nach Deutschland verschleppt wird, daß wir ihn hier langsam rationiert bekommen. Wenn er Euch nur zugesagt hat, dann will ich ja weiter nichts sagen.
Mit dem Kauf des Trainingsanzugs für Jörg gehen wir beide wieder durchaus einig. Wegen des unregelmäßigen Posteingangs haben wir uns ja schon wiederholt geschrieben, auch diese Frage ist für uns beide klar.
Ich kann Dir heute berichten, daß ich meinen dunklen Anzug anprobiert habe. Er gefällt mir sehr gut und soweit ich feststellen konnte, sitzt er auch richtig. Ich habe heute noch etwas daran bezahlt und ich glaube, daß er, trotz der wesentlichen Herabsetzung unserer Einkünfte, nach und nach doch noch mein Eigentum wird. Bei mir wird hier wahrscheinlich insoweit eine Änderung wieder eintreten, als ich mein bisheriges Zimmer aufgeben werde und mit einem Kameraden -Dr. Thomas, unser Sonderführer und Dolmetscher - ein Haus für uns mit Beschlag belegen. Wir haben uns dies heute angesehen. Es ist dies ein Haus, welches einem hiesigen Kaufmann gehörte, der geflüchtet ist und bis jetzt noch nicht zurückkehrte. Wir müssen verschiedenes herrichten lassen und alles muß erst gesäubert werden. Wenn alles soweit ist, werden wir dann einziehen und dann kann ich Dir über alles berichten. Vorerst werden wir in den nächsten Tagen damit Arbeit haben. Es ist gleich 24 Uhr und ich möchte für heute Schluß machen. Gute Nacht liebes Mädel und schlafe gut. Sei Du vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Herzliche Grüße und Küsse den Kindern.


 Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 14.8. 1940

Post ist zwar heute keine von Dir eingegangen, doch ich will Dir trotzdem schreiben. Bin ich nicht großmütig? Es ist schon wieder 23 Uhr, doch ich möchte den Tag nicht abschließen, ohne wenigstens auch schriftlich Deiner gedacht zu haben. Wie Du schon merken wirst, ist es wieder spät am Tag, doch ich war wieder im Theater, wo ein rheinisches Volksstück gegeben wurde. Es war wieder lustig und unterhaltsam. Du kannst aber auch einmal sehen, was ich für die hohe Kunst übrig habe. Ich habe heute Abend nun wegen dem Theater auf das Abendbrot verzichtet. Glaube aber ja nicht, daß ich das freiwillig gemacht habe. Zwischen dem Dienstende und dem Anfang des Theaters war nur die Zeit zu kurz und nach Schluß der Vorstellung konnte ich in unserem Hotel auf meine Marken nichts mehr haben. Bei unserer jetzigen Löhnung kann ich mir vorerst ein Sonderessen nicht erlauben, so muß man denn für die Kunst Opfer bringen.
Ich habe mir in meiner Bude eine Büchse Ölsardinen aufgemacht, aus meiner Büchse habe ich nun einige Kekse, die ich mir neulich gekauft habe, geholt, hinterher noch einen Kognak aus der Flasche getrunken, die ich bei mir auf der Seite stehen habe. Nun bin ich zwar nicht gerade satt, aber ich habe etwas im Magen. Ja, ein Soldat muß schon etwas vertragen können.
In den nächsten Tagen schicke ich auf den Namen eines Kameraden noch einige Päckchen ab, nur damit Du Dich nicht wunderst. Wir haben heute Schokolade bekommen, bei der mußt Du erst sehen, ob Ihr sie so essen wollt oder ob Du sie zum Kochen verwenden willst, wenn ich sie Dir zuschicke.
Wenn Siegfried einmal hierher kommen sollte, so könnte ich ihn in unserem neuen Haus gut unterbringen. Das Haus hat zwei Stockwerke. Davon bewohnen wir das Erdgeschoß und den ersten Stock. Den zweiten Stock werden wir gar nicht benutzen. Ja, wenn Du das sehen würdest, könntest Du Dich wundern. Wer angibt hat mehr vom Leben, Wenn das alles aber ungenutzt dasteht, warum soll man das  nicht benutzen. Diese Einrichtungen entsprechen zwar nicht unserem Geschmack, doch darüber habe ich Dir früher in einem anderen Fall geschrieben, wie da die Franzosen sind. Über die Wohnung werde ich Dir ein andermal berichten.
Eins habe ich aber doch ganz vergessen gehabt. Ich erhielt ja heute nochmals Zeitungen und auch noch das Päckchen mit Jörgs Geschenk an mich von seinem Geburtstage. Sage ihm nur, ich danke ihm vielmals dafür und ich habe mich sehr gefreut, daß er so schön an mich gedacht hat.
Euch alle grüße und küsse ich herzlich und vielmals. Du selbst sei auch heute wieder besonders herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst. Gute Nacht.
Am anderen Morgen. Wenn Du meinen Wohnungsbericht liest so brauchst Du nicht gleich zu denken, daß ich nun die Absicht habe hier zu bleiben, denn mein Zuhause kann mir hier doch nicht ersetzt werden. Ernst.

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