Mittwoch, 12. August 2015

Brief 47 vom 18./19.8.1940


Meine liebe Frau!                                                                        O.U. den 18.8.1940              

Nun habe ich hier bereits solange zugebracht, wie ich aktiv bei der Truppe im Protektorat war. Bei dem Tempo hier merkt man sich kaum noch die Wochen, nur wenn man sich wieder einmal genau erinnert oder im Kalender nachsieht. Wenn ich unseren Postkalender wieder vervollständigen soll, so kann ich wieder mitteilen, daß für mich heute wieder nichts dabei war.
Gestern hatten wir hier von der Oberfeldkommandantur, der ich ja auch angehöre, in einem hiesigen Hotel Kameradschaftsabend. Wir haben da einmal ganz nach französischer Art gegessen. Erst eine Vorspeise (hors d`oeuvre), die aus 5 - 6erlei kleineren Sachen bestand. Dann als Hauptspeise Hahn (Poularden) und geröstete Kartoffeln (pommes frites) als Nachspeise Gales, dann noch zwei Stückchen Kuchen. Zu allem noch zweierlei Wein, den wir uns dann nach Bedarf bestellt haben. Mit meinem Kameraden, mit dem ich auch im Amte jetzt zusammen arbeite und wohne, habe ich dann noch eine Flasche Sekt getrunken. Der ganze Spaß ist aus den Erträgnissen unserer Dienststelle (O.F.K.), die diese aus der Kantine gezogen hat, bestritten worden. Zu allem war dann noch eine dezente Musik, so daß alles einen ganz offiziellen Charakter bekommen hatte. Es war alles in allem ein ausgezeichneter Abend, soweit man so in einem fremden Lande in Kriegszeiten von einer derartigen Veranstaltung sprechen kann. Bedauerlich ist nur, daß ich seit einigen Tagen ein Schnupfen und Katarrh habe, der mir bei den augenblicklich heißen Tagen sehr zu schaffen macht.
Wie ich schon vor wenigen Tagen berichtet, wollte ich mit meinem Kameraden Dr. Thomas ein neues Heim beziehen. Seit gestern haben wir uns in unserer neuen Behausung niedergelassen. Für mich bedeutet diese Veränderung in mancher Hinsicht eine Verbesserung. Ich habe mein Schlafzimmer, nebenan ein Bad für mich, das ich allerdings jetzt nicht benutzen kann, weil der Warmwasserspeicher vom Küchenherd aus gespeist wird,. Dieser Herd ist jetzt nicht in Betrieb, so benutze ich jetzt das Bad meines Kameraden, der einen Gasbadeofen hat. In hygienischer Hinsicht ist dies doch ohne Zweifel eine Verbesserung. Dann haben  wir uns noch ein gemeinsames Zimmer einrichten lassen, dem gleichzeitig noch ein Salon angeschlossen ist. Eine Garderobeablage und eine Küche sind auch noch da. Es hat jeder noch ein Schreib- oder Arbeitszimmer. Das reicht doch!
Den zweiten Stock haben wir ungenutzt gelassen, es kann sein, daß wir noch ein Bett dort oben herrichten lassen, damit, wenn Siegfried einmal kommen sollte, er hier gleich mit schlafen kann. Alles ist aber nicht so schön, als daß einem damit die Heimat ersetzt wäre.
Von Siegfried erhielt ich gestern einen Brief mit den angekündigten Bildern. Du siehst ja sehr nobel in Deinem Kostüm aus. Ich kann Dir nur dazu gratulieren. Auch die Aufnahmen von den Kindern sind ganz gut geraten. Ich habe mich sehr über die Aufnahmen gefreut, vor allem, wo ich gesehen habe, daß Du Dir auch einmal etwas Neues zugelegt hast. Sei Du liebes Mädel herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Unseren beiden Stromern je einen herzlichen Kuß.


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U. den 19.8. 1940

Ausgerechnet am 13. mußte mein Brief vom 5.8. bei Dir eintreffen, in dem ich so massiv zu Dir geworden bin. Wie Du ja aus meinen folgenden Briefen ersehen hast, bin ich ja nicht nachträglich. Daß Du das gemerkt hast, ersehe ich nun aus Deinem Brief vom 14., der ebenfalls heute bei mir ankam. Ich habe mich in der Zwischenzeit nicht geändert, denn wenn ich meine Meinung Dir klargemacht habe, so ist die Angelegenheit für mich erledigt. Ich bin also immer noch der Alte.
Oder heißt es Euer oder Dein Alter? Es bleibt sich ja alles gleich. Du brauchst durchaus keine Angst zu haben, daß ich etwas nachtrage, denn ich weiß ja, wir haben uns verstanden.
Deine beiden Briefe haben mich sehr gefreut und Du hast Dich in jeder Beziehung gerechtfertigt. Nachdem Du den Wein nicht trinken willst und Dich jetzt dafür an das Obst hältst, so freut es mich, daß Du doch auch etwas für Dich tust.
Es ist ja auch nicht unbedingt notwendig, daß Du Ersparnisse machst. Hoffentlich habe ich Dich durch meine Anforderung vom 20,-RM nicht überbeansprucht. Für die gesandten Postkarten danke ich Dir recht sehr; vor allem die Dieter-Karten. Ich werde sie in meinem Zimmer hier festmachen, so habe ich doch immer ein Stückchen von dem vor Augen, wo Ihr seid. Man kann sich alles so viel besser vergegenwärtigen. Es ist einem direkt eine Erholung, wenn man so ordentliche von unserer sauberen Stadt und auch Umgegend ansieht und dabei mit den hiesigen Verhältnissen vergleicht. Ja hier sieht man erst, wie schön es bei uns ist. Hier alles so verrußt, dreckig, verwahrlost und vertrottelt. Wenn man nicht wüßte, daß man hier für Deutschland auf Vorposten steht, so könnte man mit dem Schicksal hadern, das einen für längere Dauer hierher verschlagen hat. Wir sind nun hier notwendig und tun hier unsere Pflicht. Wenn es dann hieße, nach England, mit Freuden wäre ich dabei, weil dies für uns alle ebenfalls eine Notwendigkeit ist. Der Engländer muß etwas abbekommen und wenn ich auf meine Art davon etwas mit abbekomme zum Helfen, so bedeutet dies für mich eine Genugtuung. Ich schreibe dies nicht aus einem verblendeten Haß heraus, sondern ich betrachte dies auch als eine politische Notwendigkeit. Ich brauch Dir dies ja alles nicht noch auseinandersetzen, denn Du weißt ja, dies alles selber, wie die anderen Deutschen auch.
Morgen werde ich das Päckchen mit der Bluse, die ich heute für Dich zu Deinem Geburtstag gekauft habe, abschicken. Ich werde Dir noch eine weitere kaufen, hoffentlich  sagt sie Dir zu und paßt Dir und zu Dir und zu Deinem Kostüm. Ich kann dies ja auch nicht immer so genau beurteilen. Heute hat ja Vater übrigens auch Geburtstag gehabt. Es hätte mich gefreut, wenn  meine Päckchen bis heute da waren. - Ich bin nun wieder am Ende meiner Kunst und auch meines Briefes. Ich wünsche Dir wieder eine gute Nacht und grüße und küsse Euch gleichzeitig. Besondere Grüße sendet Dir nochmals Dein Ernst.

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