Mittwoch, 12. August 2015

Brief 46 vom 15./16.8.1940


Meine liebe Annie!                                                                  O.U., den 15.8. 1940      

 Als ich heute Deinen lieben Brief vom 8. erhielt, habe ich mich doch sehr gefreut. Ich habe aus ihm ersehen, daß mein Einzelpäckchen bei Dir angekommen ist. Es freut mich vor allem wieder, daß alles paßt und daß Dir alles zusagt. Sogar die Socken passen. Ich hätte selber kaum geglaubt, daß ich so ein gutes Augenmaß habe. Die Sachen für Dich wäschst Du ja erst einmal durch, ehe Du sie in Gebrauch nimmst. Ja ich bin selbst gespannt, wie Du in all den Sachen aussiehst.
Wenn Du von dem Kaffee an Vater noch abgibst, so habe ich durchaus nichts dagegen. Das stelle ich ganz und gar in Dein Ermessen. Wenn ich in meinem Schreiben vom 4. zu massiv geworden sein sollte, so bitte ich Dich vielmals um Entschuldigung, denn so schlimm hatte ich dies ja gar nicht gemeint. Es ist ja so, daß man hier in dieser Umgebung viel mehr Stimmungen unterworfen ist wie daheim. Wenn man sich dann am Abend oder auch sonst am Tage hinsetzt zum schreiben, so bist Du nur der einzige Blitzableiter, an den man sich wenden kann.
Heute am Abend konnte ich hier mit ansehen, wie aus unserer Gegend etwa 35 - 40 Flugzeuge ihren Flug nach England antraten. Ich kann Dir sagen, das ist dann doch ein imposantes Bild, wenn so viele losziehen. Ein Herr, der heute in Dünkirchen war, hat mir gesagt, daß es in Richtung England heute den ganzen Nachmittag gebrummt hat. Denen da drüben wird nun auch eingeheizt. Morgen werden wir ja hören, was es heute gegeben hat.
Von Dir gingen heute noch Zeitungen ein und von dem Herrn Naumann, der Dir die Bilder von Köln sandte, auch ein Brief. Ich könnte also nicht klagen, daß niemand an mich dächte.
Dich grüße und küsse ich wieder  recht herzlich. Ich bitte Dich, unseren beiden Stromern wieder einen herzlichen Kuß zu geben. Grüße Vater von mir und denke Du auch weiterhin an Deinen Ernst.


Mrin liebes Mädel!                                                                  O.U. den 16.August 1940

Ab heute werde ich nun die postfreien Tage einführen. Du kannst zwar nichts dafür, denn das liegt ja an der Feldpost ganz allein, doch man freut sich doch, wenn man, wie ich ja immer wieder sehe, jeden Tag geschrieben bekommt, dies auch so ziemlich jeden Tag erhalten würde. Ich habe mich zwar nun daran gewöhnt und die höheren Stellen werden sich wohl auch kaum für unseren Fall interessieren und die Post in der bisherigen Form weiter laufen lassen. Ich will ja nicht verkennen, daß auch von Dir wieder Zeitungen eingegangen sind, die schließlich auch einen Gruß von Dir bedeuten.
Ich habe auf den mir zur Verfügung gestellten Absender drei Päckchen heute Abend fertig gemacht. In einem ist wieder Kaffee enthalten. Das zweite enthält Seifenflocken,  Persil und zwei Taschentücher für Dich. In das dritte Päckchen habe ich Schokolade gepackt. Wenn Ihr die große Tafel Schokolade nicht essen wollt, so könnt Ihr sie immerhin zum Kochen verwenden. Die Tafel kostet 21 Pfg. Ich habe davon noch einige auf Vorrat.
Ich wünsche, daß alles wieder gut bei Euch ankommt. Inzwischen sind sicher auch die vorhergehenden Päckchen bei Euch eingetroffen. Man freut sich immer wieder, wenn man für Euch etwas fertig machen kann, damit Ihr doch auch von dem teilhabt, was ich hier gekauft habe.
Unseren Umzug werden wir wahrscheinlich morgen oder übermorgen vornehmen. Dann müssen wir einmal sehen, wie sich dort alles anläßt. Die Handwerker sind noch im Haus, die alles herrichten. Auch Putzfrauen haben wir angestellt, die dafür sorgen sollen, daß alles einigermaßen in Ordnung kommt. Als ich gestern Abend dort war, hatten sie schon verschiedenes hergerichtet, so daß es schon ziemlich wohnlich aussah.
Am 17. früh.
Heute Nacht ist es wieder unruhig bei uns gewesen. Wir hatten gegen 4 Uhr Fliegerbesuch und es ist auch nach ihnen geschossen worden. Daß die über die Stadt fliegen habe, ich noch selten gehört, meistens fliegen sie in der Umgebung oder in den Außenbezirken. Es war interessant, wie dann nach einiger Zeit die Sprengstücke bei mir durch die Bäume gefallen sind. In nächster Nähe meines Hauses muß eine Batterie gestanden sein.
Ich grüße und küsse Euch alle recht herzlich und bitte Dich, denke auch immer wieder an Deinen Ernst.

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