Mein liebes Mädel! O.U., den 23.August 1940
Es
ist heute wieder eine sehr herbstliche Witterung und es scheint, als ob diese
sich langsam durchsetzen will. Ehe ich nun dazu komme, meine Einleitung weiter
zu schreiben, sind Deine Briefe vom 17., 18. und 19. eingetroffen, so daß ich
mir diese spare und gleich an die Beantwortung der darin aufgetauchten Fragen
gehe.
Es interessiert mich z.B. bei den
Fahrrädern, ob Du für mein Rad einen Ständer erhalten hast, oder ob dies immer
noch so da steht. Daß Du übrigens den Schlüssel dazu wieder gefunden hast ist
gut. Es geht auf dieser Welt eben nichts verloren. Wenn Du mich so an unsere
gemeinsamen Fahrten mit dem Rad erinnerst, so kann ich mir alles auch wieder so
gut vorstellen. Mein Wunsch ist es ja auch, wieder einmal Gelegenheit zu haben,
dies mitzumachen. Es heißt ja, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, also richten
wir uns danach und hoffen weiter.
Was die Briefmarken anbelangt, so kann ich
Dir nur mitteilen, daß Du Marken bestellen kannst, soweit es Deine Geldmitteln
erlauben. Auf die Rote Kreuz Marke lege ich keinen so großen Wert, dagegen
könnte mich vielleicht der Sonderstempel Hitler-Mussolini interessieren. Wegen
der Beschaffung der Marken „Deutsche Post Belgien“ werde ich einmal umfragen,
doch ich glaube, es düfte schwer fallen, weil wir ja in Frankreich sind.
Mit Kurt war ja auch wieder eine Überraschung.
Man könnte fast neidisch werden, wie die anderen alle Urlaub bekommen und man
muß hier weiter ochsen. Was nutzt aber in diesem Falle das Ärgern, denn davon
wird es auch nicht anders und man macht es sich nur schwerer.
Es war ja schön, daß er zu Vaters Geburtstag
daheim war. Ich habe bedauert, daß meine Päckchen nicht zur Zeit eingetroffen sind,
denn ich habe sie ja schon am 8. hier abgesandt.
Die beiden Briefe vom 11. und 12.8. werden
ja inzwischen bei Dir eingetroffen sein. Wir haben ja schon wiederholt
feststellen müssen, daß unsere Feldpost nicht ganz regelmäßig arbeitet, aber
ich denken, sie tut, was sie kann. Daß Ihr von „meinem“ Rotwein getrunken habt,
ist mir zwar noch nicht aufgefallen, aber ich werde in Zukunft schärfer aufpassen
müssen. Ich wünsche Dir nur, daß er Dir geschmeckt hat. Wenn Du meinst, wir
sind mit unseren Arbeitsräumen umgezogen, so bist Du in einem Irrtum. Bei dem
Umzug handelt es sich um unsere Wohnung.
Bei Euch wird es also auch herbstlich. Daß
das bei uns hier auch der Fall ist, habe ich ja bereits geschrieben. Wenn Ihr
wegen den Schweizern oder auf deren Veranlassung in den Keller gegangen seid,
so finden ich das putzig. Gebt nur
Obacht, daß Ihr am Ende nicht doch noch zu Kreuzlingen eingemeindet werdet.
Heute bekam ich noch einen Brief und zwar
vom Gloger. Die sind jetzt in Belfort, also auch in Frankreich. Am 1.Aug. sind
sie vom Protektorat weg und einem aktiven Regiment zugeteilt. Er schreibt mir,
daß sie dort tüchtig rangenommen werden, doch in Bezug auf die Verpflegung sei
es besser wie vorher. Er gibt sich in seinem Schreiben sonst noch ziemlich ausführlich
und nett. Was mich dann doch sehr gefreut hat ist, daß er sich wie folgt
äußert: “Es haben alle Dich für einen guten Kameraden gehalten und hoffen auch
alle nach dem Kriege ein frohes Wiedersehen erleben zu können.“ Den Brief sende
ich Dir dann, wenn ich ihn beantwortet habe, mit zu. Es ist inzwischen wieder
ziemlich spät geworden und ich glaube, daß ich ins Bett muß, sonst schimpfst Du
womöglich noch. Also gute Nacht, liebes Mädel, mache aber die Funzel aus. Sei
vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt, gib unseren Borzern wieder
einen Kuß und denk auch weiterhin immer an Deinen Ernst.
Herzlichen Gruß an Vater, er kann ruhig
auch einmal einen Gruß schreiben, über den ich mich freuen würde.
Meine liebe Frau! O.U.,
den 24.August 1940
In
zunehmendem Maße merkt man nun wie die Tage kürzer werden. Wir kommen nun
unseren traditionellen Familientagen, die in die erste Septemberwoche immer
fallen, sehr schnell näher. Es sind dies ja der 1., 5., 6., und 7. Des
1.September möchte ich heute gleich gedenken, damit mein Brief vielleicht noch
rechtzeitig bei Dir eintrifft. Ich gratuliere Dir also zu diesem Tage, nachdem
Du nun volle 9 Jahre bei mir ausgehalten hast. Es war doch immerhin eine
Leistung von Dir, doch ich denke, daß wir uns die ganzen Jahre ganz gut
verstanden haben und hoffe aber gleichzeitig damit, daß wir uns auch in den
Jahren, die uns noch zum Zusammenleben vergönnt sind, weiterhin so gut
verstehen werden. Zur Zeit sind wir ja voneinander getrennt, ich nehme aber an,
daß dieser Zustand nicht ewig dauern wird und Du während dieser Zeit auch immer
meine tapfere und brave Frau bleiben wirst. Wir müssen nun einmal jetzt alle
die Ohren steif halten und ich bin fest davon überzeugt, daß Du nicht weniger
standhaft bist wie so viele andere
deutsche Frauen auch. Wünschen wir uns
beide zu diesem Tage, daß wir im kommenden Jahr diesen Tag wieder gemeinsam
feiern können.
Zum 5. September habe ich heute einen
Brief an Helga geschrieben, ich denke, daß er noch rechtzeitig eintreffen wird.
Händige ihn ihr möglichst am Geburtstage aus. Zum 6. September selbst brauche
ich eigentlich nicht mehr viel zu schreiben, weil ja alles das, was dazu zu
sagen wäre, schon beim ersten September erwähnt ist. Eines kann ich aber noch
sagen, wenn ich dabei an Pfarrer Lepper denke, wenn er seinerzeit gesagt hat, jung
gefreit hat noch selten gereut, daß dies bei mir bestimmt zutrifft. Du warst
mir während der ganzen Jahre eine liebe und treue Frau und Kameradin. Du
beweist dies jetzt in dieser Zeit auch wieder in vollem Maße. Zum letzten
Familientag selbst will ich mich heute noch nicht äußern, denn dieses Tages
werde ich noch besonders gedenken. Dies muß ich in einem besonderen Brief
behandeln.
Post ist zwar heute keine gekommen, doch
ich habe mich an dieses stoßweise Eintreffen der Post gewöhnt und ich möchte
doch nicht aus meiner Gewohnheit kommen. Ja, die Post weiß was das heißt: „Dienst
am Kunden“. Morgen wollen wir nun an die Küste fahren mit unseren beiden Wagen.
Wenn möglich nach Boulogne, Calais, Dünkirchen, dann nach Ypern und Langemarck,
von dort aus dann wieder zurück nach Lille. Heute ist ja wieder Samstag und an
diesem Tage hatte ich mich ja immer freigehalten vom Briefschreiben. Ich habe
aber heute davon abgesehen, weil ich noch nicht weiß, wie ich morgen evtl. dazu
komme. Ich möchte aber nicht haben, daß Du ganz außer der Reihe kommst und habe
sozusagen auf Vorschuß gearbeitet. Über den Verlauf der Fahrt werde ich Dir
dann wieder berichten, wenn wir daheim angekommen sind. Sei Du nun recht
herzlich gegrüßt und geküßt, richte auch Vater wieder herzliche Grüße von mir
aus. Und nun wieder meinen Wunsch, denke auch immer wieder wie bisher an Deinen
Ernst.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen