Mein liebes Mädel! O.U., den 8.8.1940
Nachdem ich zwar gestern etwas verwöhnt
worden bin durch den Empfang von zwei Briefen von Dir und je einem von Deinen
Eltern und Nanni, bin ich heute etwas stiefmütterlich bedacht worden, denn es
kam heute gar nichts an.
Sagen wir mit den Franzosen „c`est la
guerre“ = „das ist der Krieg“. Im Kriege muß man immer damit rechnen, daß man
einige Tage ohne Post bleibt, obwohl schließlich jeden Tag geschrieben wird.
Doch deswegen muß man, Du wie ich, den Kopf trotzdem hochhalten.
Du hattest ja Siegfried einige Tage bei
Dir. Ich denke, daß Dir dies, nachdem ich nun nicht bei Dir sein kann, eine
willkommene Abwechslung war. Ihr habt Euch ja sicherlich über vieles unterhalten
können. So hat er Dir auf diese Art auch wieder über einige Tage hinweghelfen
können. Es ist mir eine aufrichtige Freude, daß Du in der Zeit unserer Trennung
einmal Deinen Bruder bei Dir haben konntest. Den Abschied wirst Du wohl nun
auch wieder empfunden haben. Doch, ich habe es ja schon früher einmal geschrieben,
in der jetzigen Zeit kommt nach der Freude des Empfanges immer wieder die harte
Trennung. Doch gerade da zeigt sich die Bewährung und die ganze Größe des
Menschen, wenn er mit Zuversicht sein Schicksal trägt. Ich bin nur froh, daß Du
noch die Kinder bei Dir hast, denn die zwei sorgen Dir schon für Abwechslung.
Ich war heute nach Dienstschluß etwa 7 Uhr
ins Theater gegangen, anschließend war ich noch zum Essen. Nun, wo ich
wieder in meiner Bude angelangt bin -
es ist inzwischen 23 Uhr- habe ich noch den Brief losgelegt, damit Du immer
Deine Nachricht hast. Ich glaube, der Briefträger kennt Dich langsam. Es war
heute wieder so ein buntes Kabarett-Programm, das sehr schön war.
Unser Chef hat uns für Samstag
versprochen, den Wagen zur Verfügung zu stellen und nach der Loretto- sowie zur
Vimyhöhe fahren zu lassen. Es sind dies Teile der Schlachtfelder bei Arras. Ich
würde mich wirklich freuen, wenn ich so die Gelegenheit hätte, diese
Kampfgebiete einmal zu besuchen.
Meinem gestrigen Brief habe ich noch einen
Kragen für Dich beilgelegt. Ich glaube, daß er Dir vielleicht zusagen wird. Ich
bin um alles froh, was ich Dir senden kann und vor allem, wenn ich weiß, daß es
bei Dir gut angekommen ist.
Manche Franzosen wollen aus der weiterhin
entstehenden Lage schon jetzt ein Geschäft machen. Bis vor einigen Tagen wurden
hier nun deutsch-französische Wörterbücher verkauft, gestern kamen schon
deutsch-englische in den Handel.
Zeichen der Zeit. Schicke mir doch bei
Gelegenheit wieder einmal ein Päckchen Rasierklingen und wenn wieder Messe ist,
kannst Du evtl. noch einige kaufen, denn diese Sachen sind hier ausverkauft.
So liebes Mädel, nun bin ich wieder am
Ende der Seite angelangt. Sei wiederum vielmals und recht herzlich gegrüßt und
geküßt, küsse unsere beiden Rangen von mir und denke Du an Deinen Ernst.
Die Flugzeuge, die gestern englische
Schiffe angegriffen haben, habe ich hier fliegen sehen. Die machen schon einen
großartigen Eindruck
Mein liebes Mädel! O.U., den 9. August 1940
Ich habe Deine letzten Briefe noch einmal
durchgelesen und kann nichts finden, was ich Dir noch beantworten soll. Ich
habe zwar heute keine Post von Dir erhalten, doch ich hätte durchaus
Verständnis, wenn Du zum Besuch Deines Bruders, nachdem er ja doch nur einige
Tage dableiben kann, nichts geschrieben hast. Ich glaube aber eher, daß die
Post wieder daran schuld ist. Ich habe mich jedenfalls mit Dir gefreut, als ich
aus Deinem und der Eltern Brief lesen konnte, daß Siegfried so plötzlich zu Dir
gereist ist. Hoffentlich waren die Tage auch so, daß Ihr habt etwas unternehmen
können.
Heute habe ich auch von Kurt einen Brief
erhalten. Er hatte seinem Schreiben ein Bild beigefügt, was mir wirklich sehr
zusagt. Das ist einmal eines der wenigen Bilder, wo er getroffen ist. Ich habe
es meiner Mappe mit einverleibt. Er schreibt, wie er Dir ja auch mitgeteilt
hat, daß ich vorerst nicht antworten soll. Wahrscheinlich kommt er dort fort.
Aus Deinen letzten Schreiben habe ich ja
auch entnommen, daß Gerhard in Freiberg sei und wahrscheinlich auf Urlaub
fahren würde. Der wird sicher auch froh sein, wieder einmal nach Hause zu
können. Außerdem sollen, wie Du auch mitteilst, meine ersten Kameraden in Polen
gewesen sein und nun wieder nach Göding zurückgekommen sein. Ja da sieht man
erst einmal, wie alles im Fluß ist.
Wir haben seit einiger Zeit hier einmal
richtig beständiges Wetter. Ich habe erst, wie die meisten hier, auch nicht
glauben wollen, doch es ist so. Er ist zwar richtiges Fliegerwetter, wie es
gestern z.B. gewesen ist. Wir konnten hier sehen, wie hier Flugzeuge
aufgestiegen sind, um gegen England zu fahren. Wir hatten uns gleich gedacht,
daß da irgendetwas los sein muß. Tatsächlich, heute früh, sagten mir einige
Kameraden, daß gestern Abend noch eine Sondermeldung über den Angriff von
Schiffen durchgekommen sei. Es ist dann außerordentlich interessant, wenn man
diese Flieger hier sehen konnte. Es ist ja durchaus möglich, daß dies nur ein
Teil war. Es soll ja auch ganz gleich sein, der Enderfolg ist doch immer wieder
ausschlaggebend.
Ich schrieb Dir doch vor einigen Tagen, daß ich einer anderen Abteilung zugewiesen
worden bin. Hier bin ich augenblicklich daran, die Franzosen ein bißchen zu
ärgern. Wir haben die letzten zwei Tage innerhalb je 1/2 Stunde sechs Wagen
beschlagnahmt, die keine Genehmigung hatten, daß sie mit diesen Wagen fahren
durften. Diese Erlaubnis ist etwa das, was bei uns der rote Winkel bedeutet.
Die Gesellschaft ist hier noch viel mehr an das Auto gewöhnt wie wir
schließlich und kann sich einfach nicht reinfinden, daß sie ihre Autos
gegenwärtig nicht benutzen darf. Wir haben hierbei nur Stichproben gemacht. Man
könnte, wenn man einen richtigen Apparat einsetzen würde und wenn man einmal
aufräumen wollte, so etwa 60 - 80 Autos beschlagnahmen.
Mit dem plumpsten Ausreden kommen sie dann
an und denken, die Deutschen glauben´s ja. Bei uns haben sie sich aber fest
getäuscht. Ich stehe hier auf dem Standpunkt, daß wir daheim auch nur wenige
Autos fahren lassen, so muß sich der Franzose erst recht etwas einschränken. Ja
auf diese Art und Weise kann man der bestgehaßteste Mensch werden. Doch das
macht mir ja nichts, denn das bin ich schon von früher gewöhnt. Das war einmal
ein kleiner Ausschnitt aus dem Dienst.
Morgen will ich einmal zusehen, wie mein
Anzug geworden ist. Ich habe noch einiges daran zu bezahlen, doch das eilt mir
nicht, denn ich kann ja doch noch nicht in den nächsten Tagen von hier fort.
Morgen will ich noch etwas hinbringen, damit einmal der größte Teil bezahlt
ist, der Rest wird dann beim nächsten Zahltag beglichen. So hat man immer etwas
zu erledigen und wie schnell gehen immer die Tage vorbei. Man merkt dies am
besten, wie schnell wieder Zahltag ist. Doch so lange man sein Essen hat und
hier auch noch sein Geld, dann kann man das Leben, abgesehen von der Trennung
von der Familie, noch einigermaßen ertragen. Doch es ist ja schließlich so, daß
dies durch Geld in keiner Weise aufgewogen werden kann. Wir müssen es ertragen
und stramm stehen, damit wir nicht nachgeben müssen.
Hast Du eigentlich für die gesandten Kragen Verwendung, oder
soll ich das bleiben lassen.
Letzthin schrieb ich Dir ja, ob Du
irgendwelche Wünsche hast, wenn ja, so teile sie mir doch umgehend mit. Zusehen
will ich, daß ich noch eine Kombination für Dich bekomme. Ich glaube, dann hast
Du vorerst wieder einige Sachen da und das hilft Dir auch ein Weilchen weiter.
Von meinen weiteren Einkäufen und Sendungen werde ich Dir dann wieder
berichten. Die gesandte Seife kannst Du getrost verbrauchen, denn ich habe hier
noch welche liegen, die ich dann bei passender Gelegenheit mit zusenden werde.
Ich habe heute wieder ein Teil geschrieben
und möchte nun Schluß machen. Sei Du samt den Kindern recht vielmals und
herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Ich hatte noch ganz vergessen, mich für
die mitgesandten Blumen zu bedanken. Man freut sich immer wieder, wenn man
einen Gruß so übermittelt bekommt.
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