Sonntag, 9. August 2015

Brief 42 vom 8./9.8.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 8.8.1940

Nachdem ich zwar gestern etwas verwöhnt worden bin durch den Empfang von zwei Briefen von Dir und je einem von Deinen Eltern und Nanni, bin ich heute etwas stiefmütterlich bedacht worden, denn es kam heute gar nichts an.
Sagen wir mit den Franzosen „c`est la guerre“ = „das ist der Krieg“. Im Kriege muß man immer damit rechnen, daß man einige Tage ohne Post bleibt, obwohl schließlich jeden Tag geschrieben wird. Doch deswegen muß man, Du wie ich, den Kopf trotzdem hochhalten.
Du hattest ja Siegfried einige Tage bei Dir. Ich denke, daß Dir dies, nachdem ich nun nicht bei Dir sein kann, eine willkommene Abwechslung war. Ihr habt Euch ja sicherlich über vieles unterhalten können. So hat er Dir auf diese Art auch wieder über einige Tage hinweghelfen können. Es ist mir eine aufrichtige Freude, daß Du in der Zeit unserer Trennung einmal Deinen Bruder bei Dir haben konntest. Den Abschied wirst Du wohl nun auch wieder empfunden haben. Doch, ich habe es ja schon früher einmal geschrieben, in der jetzigen Zeit kommt nach der Freude des Empfanges immer wieder die harte Trennung. Doch gerade da zeigt sich die Bewährung und die ganze Größe des Menschen, wenn er mit Zuversicht sein Schicksal trägt. Ich bin nur froh, daß Du noch die Kinder bei Dir hast, denn die zwei sorgen Dir schon für Abwechslung.
Ich war heute nach Dienstschluß etwa 7 Uhr ins Theater gegangen, anschließend war ich noch zum Essen. Nun, wo ich wieder  in meiner Bude angelangt bin - es ist inzwischen 23 Uhr- habe ich noch den Brief losgelegt, damit Du immer Deine Nachricht hast. Ich glaube, der Briefträger kennt Dich langsam. Es war heute wieder so ein buntes Kabarett-Programm, das sehr schön war.
Unser Chef hat uns für Samstag versprochen, den Wagen zur Verfügung zu stellen und nach der Loretto- sowie zur Vimyhöhe fahren zu lassen. Es sind dies Teile der Schlachtfelder bei Arras. Ich würde mich wirklich freuen, wenn ich so die Gelegenheit hätte, diese Kampfgebiete einmal zu besuchen.
Meinem gestrigen Brief habe ich noch einen Kragen für Dich beilgelegt. Ich glaube, daß er Dir vielleicht zusagen wird. Ich bin um alles froh, was ich Dir senden kann und vor allem, wenn ich weiß, daß es bei Dir gut angekommen ist.
Manche Franzosen wollen aus der weiterhin entstehenden Lage schon jetzt ein Geschäft machen. Bis vor einigen Tagen wurden hier nun deutsch-französische Wörterbücher verkauft, gestern kamen schon deutsch-englische in den Handel.
Zeichen der Zeit. Schicke mir doch bei Gelegenheit wieder einmal ein Päckchen Rasierklingen und wenn wieder Messe ist, kannst Du evtl. noch einige kaufen, denn diese Sachen sind hier ausverkauft.
So liebes Mädel, nun bin ich wieder am Ende der Seite angelangt. Sei wiederum vielmals und recht herzlich gegrüßt und geküßt, küsse unsere beiden Rangen von mir und denke Du an Deinen Ernst.
Die Flugzeuge, die gestern englische Schiffe angegriffen haben, habe ich hier fliegen sehen. Die machen schon einen großartigen Eindruck


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 9. August 1940

Ich habe Deine letzten Briefe noch einmal durchgelesen und kann nichts finden, was ich Dir noch beantworten soll. Ich habe zwar heute keine Post von Dir erhalten, doch ich hätte durchaus Verständnis, wenn Du zum Besuch Deines Bruders, nachdem er ja doch nur einige Tage dableiben kann, nichts geschrieben hast. Ich glaube aber eher, daß die Post wieder daran schuld ist. Ich habe mich jedenfalls mit Dir gefreut, als ich aus Deinem und der Eltern Brief lesen konnte, daß Siegfried so plötzlich zu Dir gereist ist. Hoffentlich waren die Tage auch so, daß Ihr habt etwas unternehmen können.
Heute habe ich auch von Kurt einen Brief erhalten. Er hatte seinem Schreiben ein Bild beigefügt, was mir wirklich sehr zusagt. Das ist einmal eines der wenigen Bilder, wo er getroffen ist. Ich habe es meiner Mappe mit einverleibt. Er schreibt, wie er Dir ja auch mitgeteilt hat, daß ich vorerst nicht antworten soll. Wahrscheinlich kommt er dort fort.
Aus Deinen letzten Schreiben habe ich ja auch entnommen, daß Gerhard in Freiberg sei und wahrscheinlich auf Urlaub fahren würde. Der wird sicher auch froh sein, wieder einmal nach Hause zu können. Außerdem sollen, wie Du auch mitteilst, meine ersten Kameraden in Polen gewesen sein und nun wieder nach Göding zurückgekommen sein. Ja da sieht man erst einmal, wie alles im Fluß ist.
Wir haben seit einiger Zeit hier einmal richtig beständiges Wetter. Ich habe erst, wie die meisten hier, auch nicht glauben wollen, doch es ist so. Er ist zwar richtiges Fliegerwetter, wie es gestern z.B. gewesen ist. Wir konnten hier sehen, wie hier Flugzeuge aufgestiegen sind, um gegen England zu fahren. Wir hatten uns gleich gedacht, daß da irgendetwas los sein muß. Tatsächlich, heute früh, sagten mir einige Kameraden, daß gestern Abend noch eine Sondermeldung über den Angriff von Schiffen durchgekommen sei. Es ist dann außerordentlich interessant, wenn man diese Flieger hier sehen konnte. Es ist ja durchaus möglich, daß dies nur ein Teil war. Es soll ja auch ganz gleich sein, der Enderfolg ist doch immer wieder ausschlaggebend.
Ich schrieb Dir doch vor einigen  Tagen, daß ich einer anderen Abteilung zugewiesen worden bin. Hier bin ich augenblicklich daran, die Franzosen ein bißchen zu ärgern. Wir haben die letzten zwei Tage innerhalb je 1/2 Stunde sechs Wagen beschlagnahmt, die keine Genehmigung hatten, daß sie mit diesen Wagen fahren durften. Diese Erlaubnis ist etwa das, was bei uns der rote Winkel bedeutet. Die Gesellschaft ist hier noch viel mehr an das Auto gewöhnt wie wir schließlich und kann sich einfach nicht reinfinden, daß sie ihre Autos gegenwärtig nicht benutzen darf. Wir haben hierbei nur Stichproben gemacht. Man könnte, wenn man einen richtigen Apparat einsetzen würde und wenn man einmal aufräumen wollte, so etwa 60 - 80 Autos beschlagnahmen.
Mit dem plumpsten Ausreden kommen sie dann an und denken, die Deutschen glauben´s ja. Bei uns haben sie sich aber fest getäuscht. Ich stehe hier auf dem Standpunkt, daß wir daheim auch nur wenige Autos fahren lassen, so muß sich der Franzose erst recht etwas einschränken. Ja auf diese Art und Weise kann man der bestgehaßteste Mensch werden. Doch das macht mir ja nichts, denn das bin ich schon von früher gewöhnt. Das war einmal ein kleiner Ausschnitt aus dem Dienst.
Morgen will ich einmal zusehen, wie mein Anzug geworden ist. Ich habe noch einiges daran zu bezahlen, doch das eilt mir nicht, denn ich kann ja doch noch nicht in den nächsten Tagen von hier fort. Morgen will ich noch etwas hinbringen, damit einmal der größte Teil bezahlt ist, der Rest wird dann beim nächsten Zahltag beglichen. So hat man immer etwas zu erledigen und wie schnell gehen immer die Tage vorbei. Man merkt dies am besten, wie schnell wieder Zahltag ist. Doch so lange man sein Essen hat und hier auch noch sein Geld, dann kann man das Leben, abgesehen von der Trennung von der Familie, noch einigermaßen ertragen. Doch es ist ja schließlich so, daß dies durch Geld in keiner Weise aufgewogen werden kann. Wir müssen es ertragen und stramm stehen, damit wir nicht nachgeben müssen.
Hast Du eigentlich  für die gesandten Kragen Verwendung, oder soll ich das bleiben lassen.
Letzthin schrieb ich Dir ja, ob Du irgendwelche Wünsche hast, wenn ja, so teile sie mir doch umgehend mit. Zusehen will ich, daß ich noch eine Kombination für Dich bekomme. Ich glaube, dann hast Du vorerst wieder einige Sachen da und das hilft Dir auch ein Weilchen weiter. Von meinen weiteren Einkäufen und Sendungen werde ich Dir dann wieder berichten. Die gesandte Seife kannst Du getrost verbrauchen, denn ich habe hier noch welche liegen, die ich dann bei passender Gelegenheit mit zusenden werde.
Ich habe heute wieder ein Teil geschrieben und möchte nun Schluß machen. Sei Du samt den Kindern recht vielmals und herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem Ernst.
Ich hatte noch ganz vergessen, mich für die mitgesandten Blumen zu bedanken. Man freut sich immer wieder, wenn man einen Gruß so übermittelt bekommt.

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