Mein lieber Schatz! O.U. , den 11.August 1940
Heute kam Dein Brief vom 5. an, über den
ich mich wieder sehr gefreut habe. Ich habe aus Deinem Brief ersehen, daß Du
zwei Tage lang keine Post erhalten hast, ja ich muß Dir sagen, daß ich auch
wieder seit dem 7. vergeblich auf Post gewartet habe. Bei der Feldpost muß man
sich schon etwas mit Geduld wappnen und nicht gleich den Kopf verlieren. Du
hast ja während dieser Tage immerhin Siegfried bei Dir gehabt, der Dir sicher
auch für Abwechslung gesorgt hat. Ich glaube sicher, daß Ihr Euch viel zu
erzählen hattet. Es tut mir leid, daß Du so unregelmäßig Post bekommst, doch
ich kann es leider nicht ändern. Das war sicher sehr schön, als Ihr den
Einmarsch unserer Soldaten mit erleben konntet, vor allem, wenn man sieht, wie
die Soldaten und die anderen Menschen sich freuen. Wenn Ihr diesen Kämpfern den
Einzug eindrucksvoll gestaltet habt, so wurde doch auf diese Art ein kleiner
Teil des Dankes damit abgetragen. Siegfried wird sich sicher auch dabei mit gefreut
haben.
Ich begrüße es durchaus, wenn Du mit
Siegfried ins Kino und hinterher ins Kaffee gegangen bist und ich bin ihm auch
in keiner Weise darüber böse, wie er mir schreibt. Im Gegenteil, so kommst Du
doch wenigstens wieder einmal unter andere Menschen und auch einmal aus dem
Alltag heraus. Wenn es Dir dann noch gefallen hat, so ist doch dann allen
Teilen gegenüber in Ordnung.
Daß Vater sich sogar wieder mit einem Gruß
beteiligt hat, freut mich außerordentlich und ich glaube, daß ich dies ziemlich
hoch einschätzen muß, nachdem er bisher so wenig geschrieben hat. Ich werde ihm
heute noch zu seinem Geburtstag schreiben. Angeschlossen erhältst Du noch
einige Durchschläge von Karten, die ich an die verschiedenen Leute heute
geschrieben habe die schon seit längerer Zeit fällig gewesen sind. Weiterhin
habe ich noch einige Postkarten beigefügt, die vielleicht bis zu einem gewissen
Grade Dein Interesse erwecken werden.
Wir waren gestern mit den beiden Wagen
unserer Dienststelle sozusagen auf Betriebsausflug. Unser Chef hat uns
Gelegenheit gegeben, die Vimy- und die Lorettohöhe zu besuchen. Wir waren dann
anschließend in Arras, weil sich dies ganz gut einrichten ließ. Ich weiß jetzt
nicht genau, was Du für Karten daheim hast, doch ich kann Dir dies ja später
noch einmal zeigen. Es sind dies alles Kampfgebiete aus dem Weltkrieg.
Wir haben auf dieser Fahrt zuerst die Vimyhöhe
besucht. Es ist dies eine Kampfstellung der Kanadier und der Deutschen. Man
konnte da noch sehen, wie sich die Stellungen gegenüber gelegen sind. Außerdem
Granattrichter, in die man bequem zweistöckige Häuser hineinstellen konnte.
Außerdem die gut ausgebauten Stellungen der Kanadier, die besonders gut
erhalten sind. Weniger Wert hat man auf die Erhaltung der deutschen Stellungen
gelegt. Es ist aber interessant, wenn man auf diesem Höhenzug steht, warum man
soviel Wert auf den Besitz dieser Stellung gelegt hat. Wenn Du mein
Briefmarkenalbum- Frankreich - aufschlägst, so findest Du u.a. eine große
Briefmarke in Querformat, die das Kanadierdenkmal darstellt. Dort waren wir
auch. Es ist dem Gedächtnis der gefallenen Kanadier gewidmet, die im Weltkrieg
ihr Leben für die Interessen der sogenannten Alliierten Mächte gelassen haben.
Es ist alles außerordentlich
eindrucksvoll, wenn man dabei übersieht, daß die „Fremdenindustrie“ auch noch
ein Wort zu sagen hat. Diese Kanadier sind nicht alle an diesem Einsatz
gefallen, sondern an den verschiedenen Orten, während des ganzen Krieges.
Wir sind dann weiter gefahren zur
Lorettohöhe, wo wir auch eine Zeit verweilt haben. Dieser Name wird Dir ja auch
nicht so unbekannt sein. Auf dieser Höhe sind etwa 40 000 Franzosen beerdigt,
die bei diesem Einsatz ebenfalls ihr Leben gelassen haben. Wie Du aus der
beigefügten Postkarte ersiehst, ist alles sehr geschmacklos. Dies alles
entspricht in keiner Weise unserer deutschen Auffassung. Hier ist auch ein
Gebeinhaus, in dem die Gebeine von gefallenen Soldaten gesammelt sind, die man
nicht mehr feststellen konnte. Alles nach französischem Geschmack.
Von der Lorettohöhe sind wir dann nach
Arras gefahren. diese Stadt ist ja sehr bekannt geworden im Weltkriege. Dies
war auch gewissermaßen das Endziel unserer Reise. Was sonst die Bauten
anbelangt, so kann man sagen, daß gewisse deutsche Einflüsse, die sich in der
Bauweise ausdrücken, nicht ganz zu verleugnen sind. Du weißt ja, daß ich auch
bei uns ein großer Kirchenbesucher bin, soweit dies in kulturgeschichtlicher
Weise damit in Zusammenhang zu bringen ist. Hier haben wir eine Kirche sehen
können, die in ihrer, soweit ich dies beurteilen kann, Stilechtheit, ganz
einzigartig wirkt. Auch der Marktplatz macht einen ganz interessanten Eindruck,
der durch den Rathausbau noch vervollständigt wird. Der ganze Marktplatz ist
wie Du ja auch auf der beigefügten Karte etwas sehen kannst, von Häusern
eingefaßt, die unten alle so eine Art
Arkaden haben. Der Bau selbst ist so eine Mischung von Renaissance und Barock und wirkt sehr anmutig auf den Beschauer.
Wir als Beamte der Wehrmacht haben uns auch im Rathaus selbst umgesehen und waren,
abgesehen von kleinen Verirrungen, die später dort vorgenommen wurden, ganz
entzückt.
Auf unserer Fahrt von der Lorettohöhe nach
Arras haben wir dann einen deutschen Soldatenfriedhof berührt. Dort waren 42ooo
deutsche Soldaten beerdigt, die im Kampfe um diese Gegend ihr Leben lassen
mußten. Man konnte hier feststellen, daß der französische Staat nicht sehr viel
übrig gehabt hat für die Erhaltung dieser doch für deutsche Begriffe großen
Weihestätte. Erst, wie ich hörte, durch das Eingreifen der jetzigen deutschen
Behörden, ist dieser Friedhof, wie so viele andere auch, erst wieder in Ordnung
gebracht worden. Wenn man diese Masse von Kreuzen sieht, so ist man direkt
überwältigt, obwohl doch alles sehr schlicht und einfach ist. Interessant ist
hierbei noch, daß dieses Gelände im jetzigen Krieg z.T. wieder Kampfgelände
gewesen ist. Wir konnten viele Tanks sehen, die im Einsatz gegen unsere
deutschen Truppen kampfunfähig geworden sind. In den unmöglichsten Stellungen
lagen sie am Straßenrand, im Straßengraben oder direkt im Felde. Sie tun uns
nichts mehr. Für einen Einsatz sind sie nicht verwendungsfähig. Als Altmaterial
kann man sie noch gebrauchen, doch dazu haben wir ja jetzt keine Zeit. Ja man
wird direkt stolz, wenn man so sieht, wie die Kästen so verwendungsunfähig
daliegen und wenn man sich dabei in die Lage versetzt, was diese Dinger doch in
gebrauchsfähigen Zustande anrichten können.
Heute früh habe ich wieder mein Bad
genommen. Am Mittag war ich wie üblich zum Essen und jetzt schreibe ich noch
meine Post fertig, um noch später evtl. ins Kino zu gehen. So habe ich auch
diesen Sonntag wieder herumgebracht.
Um eins bin ich froh, daß ich endlich die
Post erledigt habe, die mir schon lange auf der Seele liegt. Ich kann es nicht
gerne sehen, wenn mir jemand schreibt und ich gebe ihm so lange keine Antwort.
Heute ist es nun soweit gekommen, daß ich dies endlich erledigt habe.
Die Karten hebe doch bitte auf, vielleicht
kann ich sie Herrn Wolf, bei uns im Amte geben, weil der doch bei der
Lorettohöhe verwundet worden ist. Wenn Du vielleicht nach dem Gesetz fragst,
kannst Du ihm einen schönen Gruß von mir sagen und ihm die Karten dabei mit
übergeben. Wenn du willst, kannst Du sie auch behalten.
Für diesmal sende ich Dir, sowie auch den
Kindern die herzlichsten Grüße und Küsse, Du aber sollst sie wieder besonders
erhalten von Deinem Ernst.
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