Mittwoch, 12. August 2015

Brief 43 vom 11.8.1940


Mein lieber Schatz!                                                                 O.U. , den 11.August 1940       

Heute kam Dein Brief vom 5. an, über den ich mich wieder sehr gefreut habe. Ich habe aus Deinem Brief ersehen, daß Du zwei Tage lang keine Post erhalten hast, ja ich muß Dir sagen, daß ich auch wieder seit dem 7. vergeblich auf Post gewartet habe. Bei der Feldpost muß man sich schon etwas mit Geduld wappnen und nicht gleich den Kopf verlieren. Du hast ja während dieser Tage immerhin Siegfried bei Dir gehabt, der Dir sicher auch für Abwechslung gesorgt hat. Ich glaube sicher, daß Ihr Euch viel zu erzählen hattet. Es tut mir leid, daß Du so unregelmäßig Post bekommst, doch ich kann es leider nicht ändern. Das war sicher sehr schön, als Ihr den Einmarsch unserer Soldaten mit erleben konntet, vor allem, wenn man sieht, wie die Soldaten und die anderen Menschen sich freuen. Wenn Ihr diesen Kämpfern den Einzug eindrucksvoll gestaltet habt, so wurde doch auf diese Art ein kleiner Teil des Dankes damit abgetragen. Siegfried wird sich sicher auch dabei mit gefreut haben.
Ich begrüße es durchaus, wenn Du mit Siegfried ins Kino und hinterher ins Kaffee gegangen bist und ich bin ihm auch in keiner Weise darüber böse, wie er mir schreibt. Im Gegenteil, so kommst Du doch wenigstens wieder einmal unter andere Menschen und auch einmal aus dem Alltag heraus. Wenn es Dir dann noch gefallen hat, so ist doch dann allen Teilen gegenüber in Ordnung.
Daß Vater sich sogar wieder mit einem Gruß beteiligt hat, freut mich außerordentlich und ich glaube, daß ich dies ziemlich hoch einschätzen muß, nachdem er bisher so wenig geschrieben hat. Ich werde ihm heute noch zu seinem Geburtstag schreiben. Angeschlossen erhältst Du noch einige Durchschläge von Karten, die ich an die verschiedenen Leute heute geschrieben habe die schon seit längerer Zeit fällig gewesen sind. Weiterhin habe ich noch einige Postkarten beigefügt, die vielleicht bis zu einem gewissen Grade Dein Interesse erwecken werden.
Wir waren gestern mit den beiden Wagen unserer Dienststelle sozusagen auf Betriebsausflug. Unser Chef hat uns Gelegenheit gegeben, die Vimy- und die Lorettohöhe zu besuchen. Wir waren dann anschließend in Arras, weil sich dies ganz gut einrichten ließ. Ich weiß jetzt nicht genau, was Du für Karten daheim hast, doch ich kann Dir dies ja später noch einmal zeigen. Es sind dies alles Kampfgebiete aus dem Weltkrieg.
Wir haben auf dieser Fahrt zuerst die Vimyhöhe besucht. Es ist dies eine Kampfstellung der Kanadier und der Deutschen. Man konnte da noch sehen, wie sich die Stellungen gegenüber gelegen sind. Außerdem Granattrichter, in die man bequem zweistöckige Häuser hineinstellen konnte. Außerdem die gut ausgebauten Stellungen der Kanadier, die besonders gut erhalten sind. Weniger Wert hat man auf die Erhaltung der deutschen Stellungen gelegt. Es ist aber interessant, wenn man auf diesem Höhenzug steht, warum man soviel Wert auf den Besitz dieser Stellung gelegt hat. Wenn Du mein Briefmarkenalbum- Frankreich - aufschlägst, so findest Du u.a. eine große Briefmarke in Querformat, die das Kanadierdenkmal darstellt. Dort waren wir auch. Es ist dem Gedächtnis der gefallenen Kanadier gewidmet, die im Weltkrieg ihr Leben für die Interessen der sogenannten Alliierten Mächte gelassen haben.
Es ist alles außerordentlich eindrucksvoll, wenn man dabei übersieht, daß die „Fremdenindustrie“ auch noch ein Wort zu sagen hat. Diese Kanadier sind nicht alle an diesem Einsatz gefallen, sondern an den verschiedenen Orten, während des ganzen Krieges.
Wir sind dann weiter gefahren zur Lorettohöhe, wo wir auch eine Zeit verweilt haben. Dieser Name wird Dir ja auch nicht so unbekannt sein. Auf dieser Höhe sind etwa 40 000 Franzosen beerdigt, die bei diesem Einsatz ebenfalls ihr Leben gelassen haben. Wie Du aus der beigefügten Postkarte ersiehst, ist alles sehr geschmacklos. Dies alles entspricht in keiner Weise unserer deutschen Auffassung. Hier ist auch ein Gebeinhaus, in dem die Gebeine von gefallenen Soldaten gesammelt sind, die man nicht mehr feststellen konnte. Alles nach französischem Geschmack.
Von der Lorettohöhe sind wir dann nach Arras gefahren. diese Stadt ist ja sehr bekannt geworden im Weltkriege. Dies war auch gewissermaßen das Endziel unserer Reise. Was sonst die Bauten anbelangt, so kann man sagen, daß gewisse deutsche Einflüsse, die sich in der Bauweise ausdrücken, nicht ganz zu verleugnen sind. Du weißt ja, daß ich auch bei uns ein großer Kirchenbesucher bin, soweit dies in kulturgeschichtlicher Weise damit in Zusammenhang zu bringen ist. Hier haben wir eine Kirche sehen können, die in ihrer, soweit ich dies beurteilen kann, Stilechtheit, ganz einzigartig wirkt. Auch der Marktplatz macht einen ganz interessanten Eindruck, der durch den Rathausbau noch vervollständigt wird. Der ganze Marktplatz ist wie Du ja auch auf der beigefügten Karte etwas sehen kannst, von Häusern eingefaßt,  die unten alle so eine Art Arkaden haben. Der Bau selbst ist so eine Mischung  von Renaissance und Barock und wirkt sehr anmutig auf den Beschauer. Wir als Beamte der Wehrmacht haben uns auch im Rathaus selbst umgesehen und waren, abgesehen von kleinen Verirrungen, die später dort vorgenommen wurden, ganz entzückt.
Auf unserer Fahrt von der Lorettohöhe nach Arras haben wir dann einen deutschen Soldatenfriedhof berührt. Dort waren 42ooo deutsche Soldaten beerdigt, die im Kampfe um diese Gegend ihr Leben lassen mußten. Man konnte hier feststellen, daß der französische Staat nicht sehr viel übrig gehabt hat für die Erhaltung dieser doch für deutsche Begriffe großen Weihestätte. Erst, wie ich hörte, durch das Eingreifen der jetzigen deutschen Behörden, ist dieser Friedhof, wie so viele andere auch, erst wieder in Ordnung gebracht worden. Wenn man diese Masse von Kreuzen sieht, so ist man direkt überwältigt, obwohl doch alles sehr schlicht und einfach ist. Interessant ist hierbei noch, daß dieses Gelände im jetzigen Krieg z.T. wieder Kampfgelände gewesen ist. Wir konnten viele Tanks sehen, die im Einsatz gegen unsere deutschen Truppen kampfunfähig geworden sind. In den unmöglichsten Stellungen lagen sie am Straßenrand, im Straßengraben oder direkt im Felde. Sie tun uns nichts mehr. Für einen Einsatz sind sie nicht verwendungsfähig. Als Altmaterial kann man sie noch gebrauchen, doch dazu haben wir ja jetzt keine Zeit. Ja man wird direkt stolz, wenn man so sieht, wie die Kästen so verwendungsunfähig daliegen und wenn man sich dabei in die Lage versetzt, was diese Dinger doch in gebrauchsfähigen Zustande anrichten können.
Heute früh habe ich wieder mein Bad genommen. Am Mittag war ich wie üblich zum Essen und jetzt schreibe ich noch meine Post fertig, um noch später evtl. ins Kino zu gehen. So habe ich auch diesen Sonntag wieder herumgebracht.
Um eins bin ich froh, daß ich endlich die Post erledigt habe, die mir schon lange auf der Seele liegt. Ich kann es nicht gerne sehen, wenn mir jemand schreibt und ich gebe ihm so lange keine Antwort. Heute ist es nun soweit gekommen, daß ich dies endlich erledigt habe.
Die Karten hebe doch bitte auf, vielleicht kann ich sie Herrn Wolf, bei uns im Amte geben, weil der doch bei der Lorettohöhe verwundet worden ist. Wenn Du vielleicht nach dem Gesetz fragst, kannst Du ihm einen schönen Gruß von mir sagen und ihm die Karten dabei mit übergeben. Wenn du willst, kannst Du sie auch behalten.
Für diesmal sende ich Dir, sowie auch den Kindern die herzlichsten Grüße und Küsse, Du aber sollst sie wieder besonders erhalten von Deinem Ernst.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen