Donnerstag, 6. August 2015

Brief 40 vom 5.8.1940


Mein liebes Mädel!                                                                  O.U., den 5.8.40             

Deinen lieben Brief vom 29./30.7. habe ich heute erhalten. Ich danke Dir wieder bestens dafür. Ich muß übrigens Dir wieder feststellen, daß Du Dich im Briefeschreiben sehr gut eingearbeitet hast. Die Briefe, die Du so als Durchschlag an mich mit gesandt hast, sind so gut geschrieben, daß man gerade seine Freude daran hat. Die Briefe, die Du mir sendest sind immer so persönlich gehalten, wie wir auch früher immer zueinander waren. Dieses Kompliment mußte ich Dir heute einmal zum Voraus machen, weil dies einmal an der Zeit war. Ich weiß ja, daß Du aus diesem Lob nicht mehr machst, als es ist.
Daß Du Dich über die Kakteen hergemacht hst, ist ja alle Achtung wert. Bei mir hat das jahrelang gedauert und zuletzt ist doch nichts daraus geworden. Hast Du Dir die Finger nicht dabei tüchtig zerstochen? Ich werde hier zwar auch zerstochen, aber meist nachts durch die Schnaken. Ja, die sind sehr unangenehm, vor allem, wenn  sie so kurz vor dem Einschlafen am Gesicht herumschwirren. Da kann man bald singen „Glühwürmchen schimmere“, um besser zuschlagen zu können. Meistens muß ich mir ein Taschentuch über das Gesicht legen, damit ich nicht so sehr in Mitleidenschaft gezogen werde.
Der Geburtstag unseres Jungen ist ja nun auch wieder vorüber. Da wird er aber sich gestern als Held des Tages gefühlt haben. Ich war gestern hier im Kino. Da wurde in der Wochenschau gezeigt, wie Frauen und Kinder unsere Soldaten empfangen haben. Ich hätte gar nicht gedacht, daß mich diese Bilder so weich stimmen würden. Ich habe diese Leute auf der Leinwand fast nicht mehr ansehen können, so fest habe ich dabei an Euch alle daheim denken müssen. Hervorgerufen wurde dies in ganz besonderem Maße, weil ich gerade an so einem Tag des Familienfestes nicht bei Euch sein konnte. Ich habe diese momentane Schwäche wieder überstanden und habe mich wieder in den Alltag eingelebt. Ich schreibe Dir dies vor allem deshalb mit, damit Du siehst, daß ich nicht so unempfindlich bin gegen derartige Einflüsse, wie es meistens scheinen mag.
Heute Nachmittag traf nun Dein liebes Päckchen mit dem Brief vom 28./29.7. bei mir ein. Eine Gelegenheit zur Widerrede, daß Du mir die Parlinen nicht schicken sollst, hast Du mir ja nicht gelassen. Ich muß sie also hinnehmen. Ich danke Dir herzlich dafür und freue mich trotzdem darüber, wenn Du auch, wie in diesem Falle, gegen meinen Willen gehandelt hast. Ich habe sie probiert und bin nun ganz wieder versöhnt, man kann sie essen. Du mußt nun zwar nicht meinen, mein Gaumen sei hier derart verwöhnt worden. Dem ist wirklich nicht so, aber ich muß doch von vornherein meinen männlichen Standpunkt vertreten, damit Du nicht meinst, es ginge immer so ab.
Auch Deine Gartenschilderungen haben mich wieder sehr interessiert. Vor allem die Geschichte mit den Engerlingen unter den Erdbeeren. Ich glaube gerne, daß Du damit eine große Freude gehabt hast. Wenn wir nun wieder beim Garten sind. Ich möchte Dir immer und immer wieder ans Herz legen, schone Dich und nimm Dir nicht zuviel vor. Ich möchte nicht haben, daß Du Dich dabei überanstrengst und wenn ich tatsächlich einmal heimkommen sollte, liegst Du mir dann krank da. Habe also Verständnis für diese Einwände und laß lieber etwas liegen, ehe Du vielleicht durch einen künstlich übersteigerten Ehrgeiz mir auf die Nase fällst. Verstehe mich in dieser Hinsicht richtig und halte und handle auch entsprechend.
Ich habe gleich mit der Maschine weitergeschrieben, damit ich Dir mehr mitteilen kann, weil es dann viel schneller geht. Außerdem haben wir Feierabend, denn während der Dienstzeit ist nicht erwünscht, daß man seine Privatpost erledigt. Ich habe darum einen Teil so zwischendrin geschrieben. Es ist dies der Teil, den ich mit der Hand geschrieben habe.
Daß sich Helga über meinen Brief gefreut hat, habe ich aus Deinem Brief gelesen. Ich warte nun, was sie mir darauf schreibt. Wie findet sie sich denn mit den vielen Ferien ab? Hoffentlich bekommt sie keine Langeweile. Ich glaube aber, daß ihr die Tage schon vergehen werden. Jörg wird wohl nicht viel Zeit für sie haben, aber doch immer ganz froh sein, ab und zu einmal auf sie zurückgreifen zu können. Ebenso wird es ja mit Helga sein. Ich kenne meine Pappenheimer.
Für morgen bin ich in die Familie eines unserer Dolmetscher eingeladen. Es ist der Schweizer, von dem ich Dir früher schon einmal berichtete. Ich werde ja sehen, wie sich die Leute anlassen. Er hat mich schon wiederholt darum gebeten. Nun kann ich mich gar nicht mehr herausreden und muß dieser Einladung folgen.
Die Einladungen von Resi erscheinen mir immer sehr zweifelhaft. Im Übrigen hat sie schließlich genau so viel Zeit wie Du. Wenn ihr viel an der Freundschaft mit Dir liegt, kann sie ja, wenn sie sowieso vorbeifährt, auf einen Sprung zu Dir reinkommen. Der Haken liegt aber wo anders. Doch darüber  brauche ich Dir ja nicht zu schreiben.
Wenn Du einen Pullover strickst, so möchte ich Dir ebenfalls anraten, Dich dabei nicht anzustrengen, denn Du hast doch gleich nach dieser Strickerei wieder Beschwerden. Wenn wir gerade bei der Wolle sind. Hier gibt es noch Wolle. Soll ich welche kaufen und was für eine Farbe und zu welchem Zwecke. Gib mir darüber bald Antwort.
Sonst kann ich heute nicht mehr berichten. Außerdem ist es bereits 3/4 10 Uhr, so daß ich mich hier auf dem Büro langsam aus dem Staub machen muß. Seid Ihr alle meine Lieben herzlich gegrüßt und geküßt Du nimm aber wieder besondere Grüße und Küsse entgegen von Deinem  Ernst

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