Freitag, 30. November 2018

Brief 492 vom 30.11./01.12.1943


Liebstes Mädel!                                                                                    30.11.43 
       
Ist das nicht ärgerlich. Da habe ich hier etwas Öl für Dich besorgen können. Vorhin wie ich etwas nachsehen will, fällt mir dabei die Flasche herunter und das ganze Öl war weg. Nun hatte ich mich gleich daran gemacht und habe es mit dem Löffel aufgeschöpft. Dadurch habe ich noch ein Teil gerettet. Wenn Du es dann einmal benutzen solltest, dann mußt Du Dich dabei vorsehen, weil vielleicht kleine Glassplitterchen darin sein könnten. Ob Du es dann durchfilterst oder was Du damit machst, das mußt Du dann am besten wissen. Ich werde dann die Flasche besonders kennzeichnen, damit Du keine Gefahr läufst. Es ist sehr schade, daß ein Teil auf diese Weise verlorengegangen ist, aber ich kann es nun leider nicht ändern. Du hast ja immerhin noch ein Teil Öl daheim, so daß man dann diesen Verlust etwas eher verschmerzen kann.  Irgendeine Verwendungsweise wirst Du schon dafür haben.
Post kam heute keine von Dir an.  Gestern ja auch schon nicht. Aber man muß sich ja auch einmal gedulden können.  Ich kann ja immer noch hoffen, denn in den nächsten Tagen wird bestimmt wieder etwas anrollen. Als ich mir noch mal den Brief von Deinem Vater und den von Siegfried an ihn durchlas, musste ich denken, daß die Beiden doch rechte Streithähne sind.  Jeder von Beiden ist nichtnachgebend und jeder von Beiden will recht haben. Wie die Dinge nun auch liegen mögen, ich habe den Eindruck, als trägt jeder von beiden etwas Schuld an diesen ewigen Spannungen. Siegfried fängt immer wieder mit seiner Frau an. Sieh, ich sage mir, ich lasse die ganze Geschichte außer dem Spiele, Für mich existiert sie nur insoweit, als sie durch ihn von mir Grüße übermittelt erhält. Was kümmert mich die Herauskehrung der vielen guten Taten und Eigenschaften, die sie haben soll.  Damit habe ich nichts zu tun. Ich habe mich daran gewöhnt, daß das in jedem seiner Briefe steht, wie sich auch vieles andere wiederholt. Du bist es schon die Jahre her gewohnt, und ich auch. Es liegt für mich darum keine Veranlassung vor, mich über solche nichtige Dinge aufzuhalten.
Etwas anderes ist mir dabei noch aufgestoßen. Ich bin Siegfried gewiss nicht neidisch, aber er hat doch Glück, wenn er schon wieder von Urlaubsabsichten schreiben kann. Das ist doch noch gar nicht solange her, seit er daheim war. Meinst Du nicht auch?  Ich gebe zu, daß er jetzt auch stärkere Einsätze hat wie es früher gewesen ist. Ich bin kein Freund vom Herausstellen solcher Heldentaten. Siegfried ist da etwas anders wie ich. Ich meine, ich würde es ihm nie schreiben, aber mit Dir kann ich ja darüber reden. Es ist nur so, Dein Vater denkt dann, ja mein Sohn hat unter ungleich schwierigeren Verhältnissen zu leben. Es ist alles nicht so schlimm, als daß man es nicht ertragen könnte. Ich bin in diesem Jahre auch in unmittelbarer Nähe der russischen Front gewesen, ich habe davon aber nie viel Aufhebens gemacht, weil ja schließlich die anderen Kameraden tagtäglich sich dort aufhalten müssen und sie stehen diesen Einsatz auch durch. Du musst mich richtig verstehen, ich habe mir nur einmal so Gedanken über unsere beiden Kämpen gemacht, denen ich in irgendeiner Form Ausdruck verleihen musste. Wie Siegfried schreibt, haben sie dort das Obst gewissermaßen vor der Nase hängen. Das ist nicht ungünstig. Aber wenn die ganze Gegend evakuiert worden ist, dann wäre es ja schade, wenn diese Sachen kaputtgingen. Das ist ja bei uns hier weniger der Fall. Wenn man hier Apfelsinen kaufen will, dann muß man bis zu 2000 Drachmen zahlen. 3600 Drachmen sind jetzt für uns 1,-RM . Aber wir bekommen ab und zu welche zur Verpflegung, so daß man sich diese Ausgabe sparen kann. Bis vor 8 Tagen erhielten wir auch ab und an Weintrauben. Also ganz so ohne Betreuung sind wir nun auch nicht. Wenn ich aber nicht noch die günstige Gelegenheit hätte, mich hin und wieder mit Sonderverpflegung zu versehen. Ich schädige dadurch niemand, wenn ich das empfange, das ist mir immerhin eine Beruhigung.  Andere Kameraden versuchen zwar, auf krummen Wegen sich etwas zukommen zu lassen, das will ich aber nicht tun, und ich habe es auch bis jetzt nicht nötig gehabt. Das Kohldampfschieben ist vorbei. Der betreffende Kamerad, der mich gleich am Anfang zu sich eingeladen hatte, hat mir schon wiederholt Vorwürfe gemacht, warum ich nicht eher zu ihm gekommen sei, denn da hätte er noch mehr zur Verfügung gehabt. Ich will mich aber nicht abhängig machen. Ich gebe ihm ja immer wieder Zigaretten, so daß das Verhältnis nicht einseitig ist. Für diesmal lasse mich wieder schließen mit recht, recht vielen Grüßen und innigen Küssen an Dich und die Kinder. Dein Ernst.

Mein herzliebster Schatz!                                                                       1.12.43  
 
Nun fangen wir den letzten Monat des Jahres an. Wie nur die Zeit dahineilt. Heute habe ich den Adventskalender unseres Jörg eröffnet. Das erste Fensterchen habe ich nun aufgemacht. Bald wird das Weihnachtsfest herangekommen sein. Gestern habe ich doch Pech gehabt mit dem Öl, heute wurde mir nun eine Freude zuteil. Unser Chef erhielt dieser Tage eine Uhr zum Verkauf zugeteilt, die er einem von der Abteilung gegen Bezahlung überlassen sollte. Nun war man sich lange nicht schlüssig, wem diese Gunst zufallen sollte. Der Preis sollte 30 000 Drachmen betragen. Das wäre nach deutscher Währung etwa 800 RM Es ist eine Schweizer Uhr, die wirklich sehr nett aussieht. Ich hatte erklärt, daß ich hier keine Uhr besitze. Einige andere Herren wollten sie auch gern haben. Heute hat man einem ausgewählten Kreise das Los ziehen lassen, bei dem mir dann die besagte Uhr zufiel. Jetzt werde ich zwar noch die Uhr bekommen, die Du mir noch mitbringen lässt, aber das mach ja nichts. Nachdem ich Dir ja die eine geschenkt habe, kann ich ja wieder einmal eine erstehen.  Jetzt fehlt es nur an dem Armband. Ich hatte doch einmal so große Töne gesprochen, daß ich hier welche kaufen könnte. Heute habe ich mich nach dem Preis erkundigt und muß zu meiner großen Überraschung feststellen, daß das Armband bald genau so teuer ist wie die Uhr. Das kann man sich ja beim besten Willen nicht leisten.  Kannst Du vielleicht daheim eines kaufen? Gestern hatte ich mich auch nach etwas anderem erkundigt und zwar nach den Sämereien. Ich habe aber davon Abstand genommen, denn überlege Dir für ein Gramm 1000,-Drachmen. Das ist doch zuviel. Nach langem Handeln hat er dann den Preis um 1/3 herabgelassen, aber auch das ist noch zu teuer. Vielleicht kannst Du diese Sachen daheim leichter bzw. billiger bekommen. Ich las jetzt erst in der Grünen Post, daß Sämereien angeboten würden. Ich lege Dir einmal zwei Anzeigen bei, dann kannst du vielleicht einmal dorthin schreiben. Der größere Mangel herrscht ja immer mit Zwiebelsamen und den hast Du ja jetzt.  Heute hat mich die Post wieder in Stich gelassen. wahrscheinlich ist da irgendwo eine Störung eingetreten. Man soll doch nicht zu sehr frohlocken, wenn einmal eine Sache regelmäßig geht und wenn alles zu klappen scheint. Aber ich habe mich an das Warten schon so gewöhnt, daß mir die zwei oder drei Tage kaum noch etwas ausmachen können.  Vorgestern war ich wieder im Kino und habe mir den film „Titanic“ angesehen. Er ist ganz interessant, aber ich will sagen, fesselnd, wie mancher der letzten Filme war er nicht. Diese ganze Angelegenheit wird propagandisch gegen England ausgewertet. Das schadet ja an sich nichts, aber ich persönlich bin in dieser Beziehung etwas überempfindlich. Man sollte das nach meiner Ansicht so machen, daß das nicht so sehr ins Auge fällt. Vielleicht muß man auch mehr Rücksicht auf andere Völker nehmen, die diese Sachen etwas handgreiflicher vorgesetzt bekommen müssen. Wie dem auch sei, man kann ihn sich ansehen und einmal über die Hintergründe nachdenken, die dabei aufgedeckt werden. Nun steht für mich noch der Film offen: Einmal der liebe Herrgott sein mit Hans Moser, den ich mir vielleicht heute oder morgen ansehe.
Wenn Du dort einmal nach einem Armband für die Uhr fragen würdest, dann mußt Du ja auch die Breite wissen. Es kommen 1 1/2cm in Betracht, das wollte ich noch erwähnen.
Ich sende Dir heute noch einen Artikel aus der Zeitung mit, der so die Verhältnisse in einer besonderen Weise beleuchtet. Nichtstun und sich auf Kosten der anderen versorgen lassen, das ist hier das Hauptinteresse der Leute. Ich kann Dir sagen, daß das gestern früh ein ziemlicher Rummel in verschiedenen Straßen war. Überall stand die Polizei und das griechischer Militär bewaffnet und führte diese Gesellschaft ab.  Es ist auch ziemlich geballert worden. Man spricht wohl von einigen Verletzten. Das läßt sich aber nicht vermeiden bei einer Razzia auf diese Gesellschaft. Man versucht eben immer wieder, die Tätigkeit der Kommune auch in das Zentrum der Stadt hineinzutragen. Bis jetzt ist immer noch hart zugepackt worden. Das ist in diesem Fall auch das einzig Richtige, was man machen kann.
Das wäre so alles, was ich Dir heute zu berichten hätte. Lasse mich deshalb abschließen mit recht schönen und herzlichen Grüßen für Dich und die Kinder. Liebe Küsse füge ich noch für Euch alle bei. Dein Ernst.

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