Mein
liebste Frau !
4.11.43
Ich fange mit diesem Brief schon rechtzeitig an. Der Dienst hat noch nicht angefangen, aber meist ist es doch so, daß man unter Tage oft gestört wird. So geht es am besten. Ob ich das zwar jeden Tag machen kann, daß wird sich ja zeigen. Von dem Brief, den ich gestern erhielt, ist ja nun einiges zu erledigen, was ich mir gleich vornehmen will. Wie Du schreibst, sind die ersten Strümpfe bei Dir eingetroffen. Das wird eine Freude gewesen sein. Ich danke Dir jedenfalls jetzt schon, daß Du diese Arbeit übernehmen willst. Ich habe gestern wieder einen abgeschickt. Der andere ist noch soweit heitl. Wir werden also damit so eine Art Pendelverkehr einrichten. Ich habe ja noch genügend. Wenn Du Stopfwolle dazu haben willst, dann schicke ich Dir welche dazu, denn die kann ich hier ja verlangen. Dein Rat, mir eine Flasche Cognac mitzunehmen, war ja sehr gut gemeint, aber ich fürchte, wie Du auch ganz richtig annimmst, daß die Flasche inzwischen schon leer geworden wäre, wenn ich sie einmal angebrochen hätte. Ich habe ja inzwischen welchen erhalten, der übrigens wirklich gut ist. Vor allem, wenn man bedenkt, was für scharfe Getränke uns in Rußland meist gereicht wurden. Sonst kann ich Dir aber versichern, daß ich wieder ganz auf dem Damm bin. Ja mit den Wanzen ist das hier so eine Sache. Sitze ich da neulich mit einigen Verwaltungsräten im vornehmsten Hotel beieinander. Auf einmal sagt dr eine, was läuft denn da bei ihnen auf dem Kragen? Ich sage noch, das kann höchstens eine Wanze sein. Der eine der Herren nimmt mir das Vieh herunter und tatsächlich ist es eine fette Wanze. Die ganze Gesellschaft ist nicht weiter erschüttert. Man stellt nur allgemein fest, daß in diesem Hotel in den Gasträumen das ab und zu vorkommt.
Deine Kartoffeln hast Du nun inzwischen erhalten. Jetzt hättest Du gewissermaßen alles für den Winter da, was zu bekommen war. Das kann ich mir denken, daß das einen kläglichen Eindruck macht, wenn Du diesmal nicht unsere Horde voll hast. Da musst Du schon sparsam damit umgehen. solange Du noch die anderen Kartoffeln bekommst, die Euch laufend zugeteilt werden, dann geht es ja noch. Von wann ab wird das denn nicht mehr der Fall sein? Wenn ich dazukomme, werde ich noch einige Heftchen, die ich gelesen habe, wieder an Dich abschicken. Mir liegen sie hier im Wege, denn ich kann mich nicht allzu sehr belasten. Es ist also tatsächlich so, daß sich bei Dir diese Hefte auch schon anhäufen. Wie Du aus dem beiliegenden Durchschlag siehst, habe ich wieder einmal an unsere Kinder geschrieben. Damit man nicht immer das gleiche macht, habe ich an unsere Helga, wie ich schon ankündigte, in englisch geschrieben. Ich muß sagen, daß mir das viel mehr Arbeit gemacht hat, wie ein anderes Schreiben. Ich kam immer wieder mit dem Französischen ins Gehege, ganz abgesehen davon, daß ich ja schon soviel vergessen habe in den langen Jahren, in denen mir die Übung fehlt. Es ist aber ganz interessant, wenn man einmal diesen Versuch unternimmt. Es sind belanglose Sachen. Aber für den Anfang ist es nicht leicht, bis man das zusammen hat. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich etwas hineingebracht habe, was mit Englisch nichts zu tun hat, das müsst Ihr dann selbst herausfinden. Ein Durchschlag ist ja auch für Dich dabei. Damit Jörg nicht zu kurz kommt, habe ich noch einen anderen Brief geschrieben. Die Zeitungen, die Du am 14.10. abgesandt hattest, habe ich auch erhalten. Ich danke Dir herzlich dafür. Jetzt muss ich schon sehr aufpassen, denn von Deinem Vater gehen immer welche ein, und das muss ich dann tüchtig auseinanderhalten. Lasse es für heute genügen. Morgen schreibe ich dann wieder wie üblich. Recht herzliche Grüße und viele Küsse an Euch alle sendet Dein Ernst.
Mein liebes Ehegespann ! 5.11.43
Gegenwärtig kommt die Post ziemlich durcheinander. Während ich schon vor einigen Tagen Deinen Brief vom 30. 10. erhielt, trafen gestern Deine Schreiben vom 23. und 27. 10. ein. Sie scheinen irgendwo liegengeblieben zu sein oder der erste Brief ist mit der Bahn hierher gekommen. Es ist jedenfalls Post von Dir und das freut mich. Herzlichen Dank und ein Kuß dafür. Ich muß aber feststellen, daß es Dir auch nicht anders geht und daß meine Briefe, die auf sebhs Tage entfallen, noch nicht in Deine Hände gekommen sind. Ich denke, daß sich das inzwischen eingerenkt hat, so daß Du mit den letzteren Schreiben wieder auf dem Laufenden bist. Man weiß eben nie genau, wie die Briefe befördert werden, denn auch von hier gehen nicht alle durch die Luftpost ab, wie ich aus den Ankunftszeiten bei Dir entnehmen muß. _ In dem einen Brief kommst Du darauf zurück, daß der Schalter an meinem Radio kaputt ist. Das stimmt, doch das ist schon eine alte Sache und nach meinem Dafürhalten ohne Belang für das Funktionieren der Lampe. Ich glaube vielmehr, daß der Leitungsdraht von Dynamo zur Lampe oder der Anschluss in der Lampe selbst nicht in Ordnung ist, Ob du das selbst machen kannst, weiß ich zwar nicht, aber nach dem, was ich schon von Dir alles in technischer Hinsicht erfahren musste, wage ich mir keine Zweifel zu haben. Schließlich wird es gar nicht notwendig sein, daß Du über den Schalter anschließt, sondern Du kannst ja direkt kurzschließen, dadurch müsste es ja auch gehen. Wenn ich zuhause wäre, könnte ich mir das einmal vornehmen. Wenn Du aber nicht willst, dann lasse das sein, denn wenn Du einmal wirklich später ausfahren musst, dann kannst Du ja leihweise Dein Rad von Helga nehmen. _ Aus dem einen Brief muss ich auch entnehmen, daß die geliebte Lotte Geburtstag gehabt hat. Das war mir nicht geläufig, denn ich hätte ihr kurz dazu gratuliert. Aber schließlich muß man ja davon erst einmal unterrichtet werden. Fürs nächste Mal werde ich mir das vormerken. Ich lasse aber davon jetzt nichts verlauten. Von Deinem Vater bzw. von Lotte, die gleich in seinem Namen geschrieben hat, erhielt ich eine Karte vom Besuch bei Leo Krall. Es ist ja nett, daß sie immer daran denken und ich will das auch dankbar anerkenne, aber Du weißt ja, daß wir nie so großes Verlangen nach solchen Anschlüssen haben. Unsere Stellungnahme über das Verhältnis zu Deinem Vater ist ja seit letztem Jahr festgelegt und seither unverändert. Aber in Deinem Brief vom 23. hast Du doch einen mächtigen Schnitzer gemacht. Du schreibst davon, daß Du durch das Schreiben Deines Vaters wieder darauf aufmerksam geworden bist, daß Ernas und Siegfrieds Hochzeitstag war. Dagegen teilst Du mir in Deinem Schreiben vom 20. schon mit, daß Du meinen Brief an Erna erhalten hast und Du nicht weißt, wes Du ihr dazu schreiben sollst. Wie hast Du denn das gemacht, daß Du das so vergessen hast? Es ist ja deshalb keine Staatsaktion nötig, nur das fiel mir so auf, als ich das las.
Über die beiden Schilder, die unsere beiden Rabauken wieder verbrochen haben, habe ich mich gefreut. Man sieht doch, wie sehr sie an Dir hängen und daß sie bestrebt sind, Dir immer wieder einmal eine Freude zu bereiten. Der Film „Peterle“, den Du auf meine Veranlassung gewissermaßen besucht hast, hat Dir ganz nett gefallen, wie Dur mir schreibst. Das ist ja recht so.
Ich war vorgestern wieder im Kino. Ich glaube aber, das ganze Wochenprogramm hat sich diesmal gegen mich verschworen. Es gibt 3 Filme. Zwei davon glaubte ich zu kennen, und den anderen habe ich dann besucht. Als ich dann den Anfang von : Frauen sind keine Engel“ sah, musste ich feststellen, daß ich ihn in Kiew schon gesehen hatte. Um die Zeit am Abend auszufüllen, bin ich schließlich drin geblieben. „Die kluge Marianne“ habe ich schon in München gesehen und den dritten Film glaube ich auch schon gesehen zu haben. Das ist aber nicht welterschütternd.
Unser Mädel hat also schon eine Frau in der Stadt angefahren. Wenn sie nicht daran schuld war, dann ist es ja nicht so schlimm. Aber es zeigt doch immer wieder, daß sie sehr Obacht geben muß. Ich denken, daß sie es von selbst tun wird, denn sie ist ja ziemlich verständig.
Leglers sind ja sehr anhänglich und es ist ganz nett, wenn man immer wieder einmal voneinander hört. Ich weiß nicht, ob ich von mir aus einmal schreibe. Aber das ist ja nun nicht weiter nötig, nachdem ihr immer noch für die Verbindung sorgt. Für den Gruß von Müllers Fritz danke ich jedenfalls. Sonst fühle ich mich soweit wohl. Meine neue Vorsichtsmaßnahme ist die, daß ich jeden Morgen, bevor ich zum Frühstück und zum Dienst laufe, auf den leeren Magen einen kleinen Schluck Cognac nehme. Bis jetzt hat mir das ganz gut geholfen. Ich will einmal sehen, wie lange der bei dieser Beanspruchung reicht. Herzliche Grüße und viele liebe Küsse sende ich Dir und den Kinder. Dein Ernst.
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