Meine
liebe gute Annie !
2.11.43
Heute habe ich wieder mal eine Bitte an Dich. Kürzlich kam ich hier an einem Briefmarkengeschäft vorbei. Der Händler lotste mich mit in seinen Unterstand, denn Laden konnte man das nicht nennen. Ich sagte ihm gleich, daß ich nichts kaufen kann, weil mir die Sachen zu teuer sind und weil ich auch nicht die Absicht habe, überhaupt was zu kaufen. Ich habe mir dann das angesehen, was mich interessierte. Dabei sagte er mir, daß es auch möglich sei, etwas im Tauschwege dafür entgegen zu nehmen. Brot wollte er mir dafür abnehmen. Das, was ich übrig habe, das hebe ich für Euch auf und trockne es. Dagegen könnte ich einmal versuchen, mit eigenen Briefmarken zu tauschen. Ich habe doch so eine Tauschmappe. Es befinden sich einige darin. Aber das ist das, was ich hergeben will. Wenn Du in meinem Album unter Belgien nachsiehst, dann findest Du einige Eisenbahnmarken. Es sind große Formate. Diese habe ich unter meinen doppelten Marken auch noch einmal. Sofern Du andere Marken findest, die nach Deinem Dafürhalten nach etwas aussehen, dann schicke sie auch bitte mit. Ich will einmal mein Heil versuchen. Es sind in dem einen Karton auf dem Schrank allerhand deutsche Sondermarken. Winterhilfsmarken usw. auch Sonderausgaben. Ich habe sie alle in Briefumschläge hineingetan. Diese Sachen kannst Du mir ja nach und nach mitschicken, falls ja etwas verloren gehen sollte. Wenn Du Dir keinen Rat weißt, dann schreibe mir. Auch die Marken mit dem Aufdruck „Ukraine“, die ich doppelt habe, kannst Du mir einmal mitsenden. Das sind ja genügend Vorschläge. Und Wünsche. Ja, auf diese Weise wirst Du noch in die Briefmarkensammellei hineingezogen.
Jetzt wird es doch schon ziemlich kühl, und man kann sagen, daß man merkt, daß der Winter herankommt. Das Stadionbad ist nun auch geschlossen worden, es soll aber auch noch ein anderes Bad geben. Es ist nur fraglich, wann das geöffnet wird, und ob es aufgemacht wird. Hier laufen ab nächster Woche eine Art Fortbildungskurse. Darunter auch solche, die für die Beamten vorgesehen sind. Ich werde mich wahrscheinlich dazu melden, denn es kann nichts schaden, wenn man etwas treibt, dann verdummt man nicht ganz und gar. Wie ich es genau machen, das teile ich Dir dann noch einmal mit. Du sollst schon jetzt gleich wissen, was ich so treibe. Man kann ja die Abende auch so zubringen, aber ich habe das Gefühl, daß man mit der Zeit träge und faul wird, wenn man sich nur auf seine Bude setzt und liest. Man vergeudet seine Zeit und könnte sie so gut nutzen. Wann auch nicht die Möglichkeit besteht, daß ich zu einer Prüfung komme, so kann es mir bestimmt nicht schaden. Zum Kinobesuch wird es mir noch allemal langen und sonst habe ich ja keine andere Möglichkeiten, mich zu unterhalten oder zu betätigen. Kameraden, wie ich sie bisher immer hatte, habe ich hier nicht, so da‘ ich meine freie Zeit ganz für mich allein ausfüllen muß. Außerdem ist es im Hotel ziemlich kalt, dann macht es auch keinen Spaß, dort herumzusitzen. Um 8 Uhr kann man sich doch nicht gleich ins Bett legen. Du siehst, es gibt allerhand Gründe, die mich geradezu zwingen, dort mitzumachen. Ich führe das nun nicht etwa an, um dies zu rechtfertigen, sondern Du kannst daraus ersehen, wie es so um die Freizeit bestellt ist.
Ich will für heute nun schließen. Bemerken will ich noch, daß keine Post eingetroffen ist, vielleicht kommt morgen etwas an. Recht herzlich grüße ich Dich wieder und die Kinder und bin mit vielen lieben Küssen wie immer Dein Ernst.
Meine Liebste ! 3.11.43
Heute habe ich von Dir wieder einen umfangreichen Brief erhalten, über den ich mich sehr gefreut habe und für den ich Dir herzlich danke. Aber ich will hübsch der Reihe nach die Dinge erledigen. Da ist noch etwas aus Deinem Brief vom 22.10., den ich am 1.11. erhielt, zu fragen, was mich interessiert. Du schreibst, daß es jetzt eine kleine Brotzulage gibt und daß außerdem jetzt Weizengebäck ausgegeben wird und dadurch das Roggenbrot eingespart wird. Wie sich das nun so richtig auswirkt, ist mir nicht so ganz klar. Im großen und ganzen ist es doch so, daß Ihr weniger Kartoffeln erhaltet, denn wir hatten ja in früheren Jahren die Möglichkeit, unsere Ernährung dadurch auszugleichen, daß wir uns mit Kartoffeln helfen konnten, was uns an Brot fehlte. Wo dies nun zu einem gewissen Teil wegfällt, müsst Ihr ja dafür einen Ersatz haben. Kommt Ihr nun damit aus oder reicht es nicht. Du weißt ja, ich möchte in diesen Dingen immer klar sehen. Überschüsse habt Ihr doch dadurch nicht, wenn Ihr das jetzt anders zugeteilt bekommt. Kannst Du Dir dann da auch Mehl geben lassen, oder ist das nicht zulässig?
Ja, mit Vater merkt man es schon sehr, daß er gealtert ist. Wenn Ihr ihm dann immer noch behilflich seid, dann anerkennt er das ja dankbar an, wie ich es immer wieder aus Deinen Zeilen lesen kann. Bei den älteren Leuten machen sich die Kriegsjahre eben auch ziemlich bemerkbar. Der Körper verlangt in diesem Alter etwas zum Zusetzen, denn die Jahre vorher war es ja auch nicht so, daß man große körperliche Reserven aufspeichern konnte. Ich kann es deshalb auch verstehen, wenn Dein Vater, der doch immerhin ein großer Esser war, in diesen Zeiten schwer tut .
Wenn unser Junge einmal nicht mehr zieht, dann hilft es eben nichts, dann muß er eben einmal etwas abkriegen. Meist war es ja so, daß er dann für eine Weile zur Vernunft kam. Es lässt sich nun einmal nicht umgehen, wenn er nicht verständig ist. Daß Du es nicht allzu schlimm machst, bei mir fällt das ja meist derber aus. Gut ist ja, daß er in dieser Beziehung nicht nachträglich ist und dann einsieht, daß diese Maßnahmen unumgänglich sind. _ Den Brief von Dr. Claßen habe ich erhalten. Ich hatte ihm ja schon geschrieben, ich werde wohl erst seine Antwort abwarten, ehe ich auf diese kurzen Schreiben eingehe. Heute bekam ich schon Deinen lieben Brief vom 30.10., wie ich schon am Anfang erwähnte, für den ich Dir recht herzlich danke. Er ging doch wieder mächtig schnell, das kann man wohl sagen. Du bestätigst mir damit den Eingang meiner Päckchen Nr. 43 und (oder bis) 45. Daß die Seife gut angekommen ist, freut mich auch, denn die war, für Friedenspreise angesehen, ziemlich teuer. Auch die Korinthen haben sich schon eingefunden. Die leeren Säckchen schickst Du mir doch dann wieder mit zu. Das lässt sich gerade gut machen. sie nehmen nicht viel Platz weg und sind doch recht gut zum Verpacken von irgendwelchen Sachen, die man so losbekommt. Eins beruhigt mich, daß Du weißt, was Du mit all diesen Rosinen anfangen sollst. Wenn Ihr sie esst, dann wascht Ihr sie doch ab, denn das halte ich doch für ratsam. Ich mache es jedenfalls auch so. Die losen Rosinen kannst Du ja einmal flüchtig durchsehen, ob sie Maden haben. Es wird wohl gut sein, wenn du diese zuerst verbrauchst. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn Du die verpackten Rosinen in ihrer Verpackung drin lässt. Das ist wohl auch mehr eine Zweckmäßigkeitsfrage. Wenn nun die ersten Päckchen von hier bei Dir eingetroffen sind, werden wohl so nach und nach die anderen bei Dir eintrudeln.
Ich schrieb Dir doch kürzlich, daß ich in der Bank bei jener Angelegenheit mit dabei war. Dort fand ich beim Durchsehen der Räume auch eine ganz große Tafel Schokolade. Wir hatten alle Hunger, so daß ich sie auseinander schlug und an die Kameraden verteilte. Meinen Teil habe ich fast ganz aufgehoben, weil ich dachte, daß ich Euch damit wieder eine Freude machen kann. Ich habe sie meine gestrigen Päckchen beigefügt. Ich habe etwas probiert und ich muß sagen, daß sie sehr gut schmeckt. Wenn Du willst, kannst Du sie ja mi bis zu Weihnachten aufheben, denn ich glaube kaum, daß ich hier etwas derartiges für Euch sonst auftreiben kann. Mache es also wie Du denkst.
Deine zornige Rede habe ich wohl vernommen, doch ich hatte erst die Absicht, die ganze Angelegenheit totzuschweigen. Das mit der Torte ist wirklich eine Verschwendung, wenn ich mir das überlege. Wenn ich mir eins kaufe, dann ist schon ¼ meines Wehrsolds in Drachmen dahin. Während, wenn ich noch etwas dazulege, ich eine ganze Portion Rosinen oder Feigen kaufen kann. Ich muß eben jetzt erst einmal darauf sehen, daß man etwas in den Magen bekommt und daß auch für Euch etwas dabei abfällt. Wenn man sein ganzes Geld ausbezahlt erhielte, dann wäre das etwas anderes. Du musst das verstehen, daß man dann diese paar Silberlinge nicht so verschwenden kann.
Ich schrieb Dir doch, daß Du mir mitteilen sollst, wie viel Geld Du Dir genommen hast anlässlich Deines Geburtstags. Mit Deiner letzten Antwort ist es auch noch nicht ganz klar geworden, denn ich muß wohl annehmen, daß Du immer noch auf dem Standpunkt stehst, daß es bei den 20,-RM sein Bewenden haben soll. Ich habe aber das mit der Absicht so gesagt, weil Du als erwachsene Person schon von vorneherein einen größeren Bedarf hast wie die Kinder. Also nimm Dir bitte die restlichen 30,-RM und die Angelegenheit geht in Ordnung.
Ich war der Ansicht, daß Du genügend Zwiebeln da hast. Wenn das, wie Du schreibst, nicht der Fall ist, dann kaufe ich hier noch einige. Wenn Ihr sie nicht alle selbst braucht, dann kannst Du ja an Vater einige abgeben. Ich werde sie dann bei der nächsten größeren Gelegenheit mit abschicken, dann muß ich den anderen Päckchenkleinverkehr nicht extra belasten. Das ist doch sehr gesund, wenn man Zwiebeln beim Essen mit verwendet. Wenn man keine Freude am Knoblauchessen hat, dann kann ich das verstehen, aber Zwiebeln sind doch gut genießbar.
Das mit dem Armband für die Uhr habe ich mir vorgemerkt, das kann man bei Gelegenheit mit erledigen, denn das muß ja nicht gleich sein, solange das andere noch in Ordnung ist. Wegen der anderen Uhr ist das so eine Sache. Ich will mich einmal erkundigen, ob einer der Kameraden hier demnächst in Urlaub fährt. bis die wieder zurückkommen, vergeht ja eine ganze Zeit, aber immerhin, man könnte dann doch in absehbarer Zeit damit rechnen. Ich gebe Dir dann bald Bescheid. Wenn das nicht möglich ist, dann muß man es eben so versuchen. Ich denke, daß sie schon ankommen wird.
Mit dem heutigen Brief erhielt ich ja auch die ersten Fotos aus München. Sie sind zum Teil ganz ordentlich getroffen, ich denke, daß die anderen auch so sind. Da kann man also mich in allen Preislagen haben. Das Bild Nummer 15 hast Du wohl nur deshalb bestellt, weil Du denkst, ich himmle Dich dabei an, oder hat Dich mein verführerisches Lächeln so gereizt? Es ist nun einmal so, daß man nicht schöner fotografisch werden kann, wie man ist und damit werde ich mich abfinden und mit meinem Gram in die Wüste ziehen.
Für heute möchte ich abschließen mit recht herzlich Grüßen und vielen lieben Küssen für Dich und die Kinder. Dein Ernst.
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