Montag, 26. November 2018

Brief 485 vom 17./18.11.1943


Mein liebster Schatz !                                                                     17.11.43   
         
Als ich meinen gestrigen Brief abgeschlossen hatte, erhielt ich doch noch Post von Dir. Es handelt sich um Deine beiden Briefe vom 4. und 5. 11. die haben sich wieder einmal geruhsam Zeit genommen. Die darin enthaltenen Bilder haben mich wieder sehr gefreut. Nun habe ich den ganzen Bogen beisammen. In den nächsten Tagen werde ich mit der Rücksendung beginnen, damit Du dann wieder alle beieinander hast. Heute früh bekam ich nun Deinen Brief vom 13. Das war wieder ein schneller Läufer. Und soeben werden mir Deine beiden Briefe vom 9. und 10. auf den Tisch gelegt. Das ist doch wahrhaft ein schöner Segen. Von Deinem Vater bekam ich noch eine Karte und von Finnessen, meinem Kameraden aus dem Osten, traf auch ein Schreiben ein. Das ist doch bestimmt ein schöner Tag heute. Ich kann heute überhaupt von Glück reden. Ich gehe vorhin an einem Stand vorbei, wo Briefmarken verkauft werden und sehe mir diese an. Ich frage nach den Preisen, die man doch nicht bezahlen kann, aus Interesse. Kommt da von hinten ein Landser und sagt, lassen sie doch den Griechen, ich habe die alle da, was er dort hat. Ich bin erst etwas erstaunt, doch folge ich dieser Einladung. Und wirklich gibt er mir aus einem Schwung heraus, die er für seinen Bruder bestimmt hat. die doppelten Marken heraus. Ist das nicht ein Zufall? Es sind sehr schöne Stücke dabei, die mir viel Freude gemacht haben, denn die Preise sind hie ja dafür unglaublich. Da kann man sich wieder sagen, daß es der Herr den Seinen im Schlafe schenkt. Bisher habe ich mich zwar nicht zu den Auserwählten gezählt, aber es muß doch so sein. Aber nun will ich erst einmal Deine Briefe lesen und dann weiterschreiben.
Und das habe ich geschafft. Ich muß nun wieder allerhand beantworten.  Ich weiß nun nicht, was ich zuerst nehmen soll. Die letzten oder die neuen Briefe, oder lasse ich es ganz sein. Am besten wird es sein, ich mache es der Reihe nach, dann bleibt auch noch für morgen etwas übrig. Einverstanden? Du sagst Ja? Na, dann bin ich zufrieden.
Erst freut es mich, daß Du mir den Eingang einiger Päckchen bestätigen konntest. Ich bin erst immer dann ganz zufrieden, wenn ich Die Sachen in Deinen Händen weiß. Das Päckchen 42 ist wohl noch nicht angekommen, denn ich kann mich nicht entsinnen, daß Du mir davon geschrieben hattest. In meinem Kalender habe ich es auch noch nicht abgestrichen. Die anderen kleinen Sendungen brauchen auch ziemlich lange. Aber hoffen wir, daß es doch noch klappt. _ Ehe ich aber in der Beantwortung Deiner Briefe fortfahre, will ich noch auf eine andere Sache eingehen, die mir ihm heutigen Wehrmachtsbericht auffiel. Du wirst Dir Gedanken gemacht haben, als es da hieß, 16 Bomber abgeschossen. Ich kann Dir nur sagen, daß das ein hoher Einsatz unserer Feinde war. Mit 46 Maschinen flog er ein und dieses Abschussergebnis.  Das ist doch wirklich eine Leistung. Aber über die Angriffe selbst kann ich Dir mitteilen, daß wir heute beispielsweise achtmal Alarm hatten am Tag. Das Leben nimmt hier ungehindert seinen Ablauf. Die Autos rasen weiter über die Straßen, die Straßenbahn fährt weiter. Die Menschen stehen auf den Straßen und gaffen, wo ihre Freunde angeflogen kommen. Sie freuen sich meist, wenn eine Rauch oder Staubwolke über der Stadt steht, die der Wind über sie hinweg treibt. Dieses Schauspiel können wir hier fast tagtäglich erleben. Unsere Gegner nehmen sich hier tatsächlich nur militärische Ziele vor und belegen bis jetzt vorwiegend unsere Flugplätze, um den Verkehr nach den Inseln zu stören. Die Erfolge sind glücklicherweise nicht immer bedeutend, denn unsere Maschinen fliegen weg, wenn sie kommen. Es werden dann meist nur die Flugfelder zerstört und diese Schäden sind nicht weiter bedeutend. Hin und wieder fällt so ein Ding auch einmal in aufgespeicherten Betriebsstoff, aber das läßt sich schließlich auch noch verschmerzen, solange keine Menschenleben zu beklagen sind. Einige Griechen müssen zwar hin und wieder auch bei diesen Angriffen daran glauben, aber das stört die Stadtbevölkerung nicht, weil sie in dem festen Glauben lebt, daß die Stadt nicht bombardiert würde. Solange das noch der Fall ist, können wir ja hier von glück reden. Du musst Dir darum auch keine Gedanken machen. So, das wäre dies.
 Ich habe von den verschiedenen Streichen unserer beiden braven Kinder gelesen, die mich sehr interessiert haben und über die meisten habe ich lachen müssen. Es sind ja alles Sachen, die Kinder einmal anstellen. Wenn schon einmal eine Anzeige kommen sollte, dann ist das weiter nicht so schlimm, denn was sie treiben, ist doch alles ziemlich harmlos. Soweit es nötig ist, gehe ich noch auf die einzelnen Sachen später ein. Eines freut mich aber besonders, daß Du jetzt ab und zu dazu übergehst, , mir so Einzelheiten von unseren Gören zu schildern. Wenn ich Dich bitten darf, dann mache das doch weiterhin ab und zu, denn das ist ja ihr Leben, an dem ich nicht teilnehmen kann. Von Deiner Tätigkeit erfahre ich ja auch immer ziemlich regelmäßig, so daß ich dann immer noch bei Euch bin und alles so mit erlebe. Ich möchte nun aber schließen, denn mein bogen ist fertig, wie Du selbst siehst. Morgen schreibe ich ja wieder. Herzlich grüße und küsse ich Euch Drei und bin mit vieler Liebe Dein Ernst. 

Mein liebster Schatz !                                                                             18.11.43   
            
Nun will ich einmal anfangen, Deine Briefe nach und nach zu beantworten, die ich gestern alle bekommen habe. Vorher will ich aber erst noch die Sachen verzeichnen, die ich in den letzten Tagen abgesandt habe. Vorgestern waren es zwei kleine Hefte, die ich ausgelesen habe. Das eine handelt mit seinen kleinen Geschichten vom Bodensee. Sie sind teilweise sehr nett zu lesen. Man sieht die Landschaft im Geiste von vor sich aufsteigen und wenn man sich einmal ganz loslöst, dann schweifen die eigenen Gedanken in die Vergangenheit zurück. Die Wirklichkeit der Gegenwart hält uns aber gefangen, so daß es zwar kein jähes Erwachen gibt, weil ich ja kein Träumer bin. Ich versuche jedenfalls immer, mit beiden Beinen im Leben zu stehen und die Dinge so zu sehen, wie sie sind. Gestern sandte ich das Päckchen Nr. 12 mit Rosinen ab und heute wieder ein kleines Päckchen mit Seife und den Schwämmen, die ich hier gekauft hatte. Ich hoffe, daß Du alles gebrauchen kannst, wenn es ordentlich in die Hände kommt.
Über Deine Mitteilung, daß das Maismehl sich ganz gut bewährt hat, freut mich sehr. Ich hoffe, daß die anderen Packungen auch noch ankommen, die ich an Dich abgesandt hatte. Ich bedauere nur, daß ich jetzt nicht mehr davon hier habe. Gestern habe ich nochmals eine Packung gekauft, die ich Dir bei Gelegenheit mitschicken werde. Die Sachen sind aber in letzter Zeit so teuer geworden, daß man kaum noch etwas kaufen kann. Wenn ich dann immer wieder weiß, daß Ihr mit diesen Sachen etwas anfangen könnt, dann freut es mich, denn dann hat man doch das Geld nicht umsonst ausgegeben. Gerade wenn die Kinder so wachsen wie unser Helga, dann braucht doch der Körper immer noch eher etwas. Ich sehe immer wieder an mir, was für Auswirkungen gerade der letzte Krieg auf unsere körperliche Entwicklung gehabt hatte. Was in den Jahren des Aufbaus versäumt wurde, das kann man dann später kaum oder nur schlecht nachholen. Darum sehe ich auch immer zu, daß ich etwas schaffen kann, was mir möglich ist. Gerade beim Schreiben dieses Briefes flattert mir Dein Brief vom 14. her, in dem Du nun auch den Eingang des anderen Maismehls bestätigst. Das ist ja fein. Auch die anderen Sachen sind zum Teil wieder eingegangen. Jetzt ist ja nicht mehr viel unterwegs. Ich hoffe aber, bei Gelegenheit wieder etwas zu erstehen, das für Euch nützlich sein kann. Das geht dann wieder an Euch ab. 
Daß Helga beim Schreiben mit der Stahlfeder mehr Erfolg hat wie mit dem Füllhalter, ist ja gut. Solange man noch keine ausgeschriebene Handschrift hat, soll man das nach meiner Ansicht sein lassen. Das ist wohl eine Erleichterung, aber soviel haben die Kinder noch nicht zu schreiben, als daß sie keine Zeit mehr zum Eintauchen in das Tintenfass hätten. Es kommt ja nicht auf den Füllhalter an, wesentlich ist, daß die Kinder in dieser Hinsicht keinen Schaden erleiden. _Ich kann mir vorstellen, daß das schon angenehmer ist, wenn die Wasserleitung nicht mehr tropft. Das kann einem ja mit der zeit auf die Nerven gehen. Aber es soll ja auch jedes Ding seine Ordnung haben, darum hat das auch gemacht gehört. Daß das keine große Arbeit ist, das wei0ß ich wohl, aber man soll nur das nötige Handwerkszeug dazu haben. Mir brach doch das eine Mal die eine Schraube ab, die ich dann provisorisch wieder eingesetzt hatte. Das ist dann weniger schön.  Bei einem Quarkkuchen wäre ich auch ganz gern mit dabei gewesen. Ich denke, daß meine Rosinen sich wieder bestens bewährt haben.  Ich denke, daß er auch geschmeckt hat.
Mit den Kartoffeln hat es also nicht so geklappt, wie Du es Dir gedacht hattest. Vielleicht kannst Du sie später noch bekommen, wenn Du die Karte nochmals erhalten kannst. _ Für unseren Lausebengel hast Du wieder ein Paar Schuhe erstanden. Hoffentlich halten sie auch das, was man von ein Paar ordentlichen erwarten kann. Ich finde es ja nicht ganz richtig, daß man für die Schuhe mit Holzsohlen genau die gleichen hohen Preise verlangt wie für die mit Ledersohlen. Der Werkstoff ist doch meines Erachtens williger. Kann er denn richtig drin laufen? Daß Helga noch etwas mit Schuhen versorgt ist, ist ja gut. Ich weiß, unser Bengel hat einen ziemlichen Bedarf. Das ist aber bei den Jungens anscheinend allgemein so.  Nannie und mein Vater die haben früher immer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich mit meinen Schuhen heimkam. Die Nähte waren fast immer aufgeplatzt.  Im Kriege sind die Rohstoffe zum Verarbeiten nicht die gleichen wie im Frieden.  Das ist doch klar. Mir hat man immer gesagt: “Wenn Du einmal erwachsen bist, dann kannst Du nur für Deine Schuhe arbeiten: „ Ganz so ist es ja nicht geworden, wie es mir prophezeit wurde. Wenn Du für Helga noch welche zu gut hast, dann kaufe sie nur rechtzeitig, denn man weiß ja nicht, ob eines Tages nicht doch wieder eine Änderung kommt im Zuteilungssystem, dann hat man nachher das Nachsehen.
Wie ich feststellen muß, haben wir fast zu gleicher Zeit die gleichen filme gesehen. Du hast bei Euch den Film „Die Gattin“ und „Herr Roosevelt plaudert am Kamin“  ? gesehen. Bei uns liefen die beiden Filme hier auch in der vergangenen Woche. Der erste Film ist nicht schlecht. , er schien mir nur, daß die einzelnen Personen und deren Eigen art zu grell herausgestellt worden sind. Man könnte fast den Eindruck des Unnatürlichen bekommen. Im allgemeinen finde ich diesen Film recht lebensnahe. Es gibt ebensolche Schicksale. Gestern habe ich mir den Film „Rembrandt“ angesehen, der mich sehr befriedigt hat. Ich muß zum Vergleich den Film „Diesel“ heranziehen, der zwar das Lebensschicksal eines großen Mannes aus der neueren Zeit behandelt. Wenn man diese beiden Filme gegenüberstellt, dann ist das schon ein großer Unterschied in der Verwertung des Stoffes. Auch künstlerisch und schauspielerisch ist er sehr gut zu werten. Ich hatte mir am Montag den Film „Meine Frau Therese“ angesehen. Er liegt ja überhaupt nicht auf dieses Basis, aber das ist dann doch sehr billig im Gegensatz zu dem, was ich gestern sah. Ein Film bleibt nun noch offen. Den hebe ich mir für die nächsten Tage auf.
Für heute lasse mich erst einmal abschließen mit dem Wunsch und der Hoffnung, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid. Ich füge recht herzliche Grüße und viele Küsse bei und bin in Gedanken immer bei Euch. Dein Ernst.

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