Donnerstag, 6. Dezember 2018

Brief 493 vom 02./03.12.1943


Mein liebstes Mädel!                                                                          2.12.43     
   
Nun ist schon der vierte Tag, an dem ich keine Post von Dir erhalten habe. Heute war zwar auch kein ordentlicher Posttag, denn es ist erst Freitag. Hoffe ich also wieder auf morgen. Ich habe heute einmal eine Sache erledigt, die mir schon lange auf der Seele gelegen ist, das ist das Schreiben an die Bausparkasse. Es handelt sich dabei in dieser Beziehung um die Lebensversicherung. Ich kann mir nicht erklären, ob das richtig ist, was die uns in ihrem Schreiben vorerzählen. Jedenfalls liegt mir daran, schwarz auf weiß zu sehen, auf welche Bestimmung sich diese Ansicht stützt, die doch im Vertrag irgendwie festgelegt werden müsste. Wenn ich auch an sich Wert darauf legen würde, daß bei einer evtl. Übertragung des Bausparvertrags auf meinen Namen die Lebensversicherung ebenfalls für mich aufrecht erhalten würde, so bleibt doch zu überlegen, ob das unter den angeführten Umständen überhaupt Zweck hat,. Denn was nutzt schließlich eine Lebensversicherung und die Familie bekommt nichts, wenn einem tatsächlich einmal etwas zustößt. Das ist ja schließlich der Sinn der Sache. Ich weiß, daß die Lebensversicherungen sich darauf umgestellt haben, ihren Versicherungsschutz auch dann antreten zu lassen, wenn dem Betreffenden im Kriege etwas passiert. Ich denke, daß Du die Sache einmal mit Vater besprichst in dem Sinne, wie ich es meine. Wenn der Fall mit der Versicherung geklärt ist, dann wäre ja Vater nicht einbegriffen. Ich dachte mir, daß ich von ihm die Zustimmung erlange, daß der ganze Bausparvertrag auf meinen Namen übertragen wird. Wir könnte ja in einer privaten Abmachung festlegen, daß ihm selbstverständlich die Hälfte zusteht. Mit ist es nur darum zu tun, daß die Bausparkasse nicht aus diesem Vertrag allein den Nutzen zieht, sondern wir, die wir das Geld zahlen. Ich bin auch gern bereit, die monatliche Prämie zu bezahlen, wenn Vater nicht mehr weiter bezahlen will. Wenn Du aber mit ihm nicht darüber reden willst, so teile mir das nur mit, dann werd ich ihm das schriftlich auseinandersetzen, was zwar etwas komplizierter geht. Ich denke aber, dass ich mich Dir gegenüber verständlich ausgedrückt habe. Auf jeden Fall lässt Du erst einmal das Schreiben so abgehen. Den einen Durchschlag habe ich für Euch gedacht. Ich habe für mich auch einen hier.  Zu Deiner Bedienung lege ich wieder zwei Paketmarken bei, die ich noch außer der Reihe gekommen habe. Für mich haben sie ja keine Bedeutung. Gestern und heute kamen Zeitungen von Dir sowie von Deinem Vater an. Ich muß sagen, daß ich damit ziemlich eingedeckt worden bin. Ich muß jetzt tatsächlich einmal aussortieren, was ich schon gelesen habe und was ich noch lesen muß. Zu allem Überfluss kommt nun noch die Leipziger Tageszeitung von Deinem Vater an, die mir wirklich nicht viel Neues bieten kann. Die wenigen Notizen, die von Leipzig selbst drinstehen, die haben doch nicht für mich mehr die Bedeutung. Zudem erhalte ich ja hier eine Tageszeitung, so daß ich über die laufenden Dinge dauernd unterrichtet bin. Ich habe das ja Deinem Vater auch in meinem letzten Brief mitgeteilt.  An Dich habe ich heute wieder ein Heft abgehen lassen, sowie ein Sammelsurium von anderen Dingen, die ich hier nicht verwenden kann. Mit diesem Brief sende ich nun den vorletzten Schnitt der Bilder von München mit, dann hast Du sie also bald alle wieder in Besitz. Ich hatte mich sehr darüber gefreut und danke Dir hiermit nochmals für die Übersendung.
Lasse mich mein heutiges Schreiben wieder abschließen mit recht herzlichen und lieben grüßen und Küssen an Euch alle. Dein Ernst.

Meine liebe Annie!                                                                               3.12.43   
    
Gespannt bin ich, ob ich heute Post erhalten werde. Ich will Dir aber vorher noch etwas schreiben, was vom Posteingang unabhängig ist. Ich habe doch noch einige hundert Zigaretten daheim, für die ich jetzt ganz nützliche Verwendung hätte. Ich habe mich gestern mit einem Kameraden besprochen, der mir hier immer Wurst oder Käse und andere Sachen  ab und zu zukommen lässt. Der fährt in den nächsten Tagen in Urlaub und will daheim regeln, daß Du für diese Zigaretten irgendwelche Lebensmittel erhältst. Ich bitte Dich darum, tritt jetzt einmal etwas kurz mit der Übersendung von Zigaretten an Deinen Vater. Wann und wie viel Du abschicken musst, das schreibe ich Dir dann zu gegebener Zeit. Sage einmal, wie sieht denn unser Kinderwagen aus, den könnten wir auf diese Weise und bei dieser Gelegenheit loswerden. Unten die eine Feder war doch gebrochen. Aber sonst ist er doch noch ganz brauchbar. Das ist noch nicht positiv, aber im Wege steht er uns ja schon die ganze Jahre.  Schreibe mir bitte auch darüber, was Du denkst.
Ich hatte dieser Tage einmal die Gelegenheit, Esskastanien zu bekommen. Früher konnte man sie bei uns daheim auch kaufen.  Ich weiß nicht, ob sie jetzt noch angeboten werden. Wenn ja, dann würde ich Dir einmal empfehlen, sie zu probieren. Wenn sie heiß sind, dann schmecken sie ganz ordentlich. Wenn Du roh welche bekommst, dann musst Du sie daheim auf die große Herdplatte legen und dann rösten lassen, bis sie aufplatzen oder bis die Schale dunkel wird. Unsere Kinder sind ja in Bezug auf solche Dinge immer recht heikel. Aber was soll ich mich erst des langen darüber verbreiten, wenn Ihr doch diese dort nicht mehr erhaltet.  Heute mache ich wieder ein Päckchen für Dich fertig mit getrocknetem Brot und ein weiteres in dem ich Käse in Tuben, einige Zwiebeln für Vater und noch ein Päckchen Maismehl verpackt habe. die beiden Päckchen haben die Nummern 15 und 16.
Ich habe mir vorhin das Antwortschreiben des Pfarramtes von Bautzen nochmals genau angesehen. Ich hatte es erst flüchtig gelesen. Nun muß ich feststellen, daß mir von dort geschrieben wird, daß die Louise Mirsch, die am 28.5.1805 in Bautzen geboren sein soll, in den Kirchenbüchern nicht aufzufinden ist. Sieh doch bitte einmal nach, wo wir diese Angaben haben. Es kann sein, daß sie noch aus den Aufzeichnungen vom Kurt Michel stammen, es ist aber auch möglich, daß sie von Deinem Vater stammen. Bevor ich in dieser Sache weitermache, will ich erst einmal Deine Antwort abwarten. In meinem nächsten Schreiben an Deinen Vater werde ich dort mit darauf zurückkommen. 
Vorhin habe ich nun wieder einen Brief von Dir bekommen. Es ist Dein Schreiben vom 28.11., das ich wieder dankbar entgegennehme. Die anderen Briefe vom 26. und 27. fehlen jetzt noch. Ich denke aber, dass sie auch bald ankommen werden. Es kam dann auch noch die Anfrage des Wehrmeldeamts in Konstanz über mich. Es handelt sich um die Vervollständigung der Unterlagen, die dort über mich gefertigt werden.
Wie ich aus Deinem Brief sehe, bist Du anscheinend auch wieder eine ganze Zeit ohne Nachricht von mir. Das ist dumm, daß man nicht genau weiß, wann die Flugpost weggeht, denn dann brauchte man die Briefe dort mitzugeben. Es liegt wohl aber auch an der Beförderung daheim. Übermorgen ist nun der Theatertag unserer Helga. Da wird sie heute und morgen noch in Spannung sein. Es ist schon gut, wenn sie dann ihren geregelten Tagesablauf hat, denn sie muß ja in der Schule auch lernen. Theaterspielen ist ganz schön, aber die ewigen Proben und das viele Laufen vorher stellt doch ziemliche Anforderungen an solch ein Mädel.
Das Gedränge auf der Messe an den wenigen Ständen kann ich mir vorstellen. Im allgemeinen werden gerade Spielwaren nicht angeboten und wenn sich dann solch eine Bude zeigt, dann wird sie gestürmt. Ich kenne ja die Konstanzer. Ich erinnere mich nur an den einen Kinobesuch während meines Urlaubs. Dann hast Du mir ja kürzlich auch wieder von einem derartigen Erlebnis berichtet. Man sieht aber auch, was eine Mutter für ihre Kinder alles macht. Ich meine, mit welcher Todesverachtung Du Di in das Gedränge gestürzt hast. Unsere Beiden werden glücklich  gewesen sein, als sie Dich heil und ganz mit Deinen Errungenschaften wieder auftauchen sahen.
Die Aussprüche der Kinder geben manchmal schon Veranlassung zum Lachen. Die Ausdrücke, wie sie nun einmal im ?  deutsch erscheinen, weichen vom normalen ab, so daß ein Kind schon fragen kann, ob sie die Hochburg erst gebaut hätten,.  Aber sie wissen, wie man sich auf geschickte Art und Weise an etwas heranmachen kann, was unter normalen Umständen nicht immer so leicht erreichbar wäre. Nachdem Du den ?  Gästen die Rosinen verabfolgt hast, war doch das gewollte Ziel erreicht. Ja, es sind schon Schlauberger.
Unser Oberlauser ist doch manchmal ein ziemlicher Querkopf. Es ist schon gut, wenn Du ihn immer wieder in die Schranken zurückweist. 
Lasse mich mit herzlichen Grüßen und vielen Küssen an Dich und die Kinder schließen. Bleibt gesund und denkt an Euer Vaterle.

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