Meine liebste Annie! 28.11.43
Ich komme heute nochmals auf Deine Bemerkung zurück, die Du wegen meines Briefes vom 13. machst und wo Du glaubst, daß ich etwa verärgert gewesen sei oder sonst was. Nein, ich schreibe dies einmal deshalb, weil ich meist meinen Bogen voll schreibe und dann ist so das tägliche Maß erfüllt. Ich hatte aber an dem Tage nicht soviel Stoff auf Lager, deshalb ging mir das ein bisschen quer. Aber wenn es schon einmal weniger sein sollte, dann musst Du Dich eben einmal mit einem kürzeren Gruß vergnügen. Ich habe das auch nie als Zwang von Deiner Seite angesehen, wenn ich an Dich schreibe, denn was hätte ich dann schon davon und auch Du, wenn ich unter Zwangsvorstellung zu schreiben hätte. Ich glaube, daß Du auch mich soweit kennst, als daß ich etwa zu schüchtern wäre, um Dir das dann nicht zu sagen. Ich nehme an, daß Du mich diesmal besser verstehen wirst und daß mir die Erklärung dafür besser gelungen ist. Sollten aber noch irgendwelche Unklarheiten herrschen, dann lasse es mich nur wissen. Ich kann mich wohl am heutigen Sonntag nicht über mangelnden Posteingang beklagen. Von Dir traf Dein lieber Brief vom 25. ein, dann kam von Deinem Vater der Rundbrief und von zwei Pfarrämtern erhielt ich auch wieder Antwort. Das gab wieder allerhand zu Lesen und schreiben mußte ich ja auch noch, denn die Eingänge von Böhmisch-Kamnitz haben mich interessiert und die mußte ich erst in meine Unterlagen eingeordnet sehen. Ich kann wohl von Glück reden, daß ich gleich 14 Urkunden erhielt. Wunderst Du Dich da nicht auch? Wie habe ich das wieder gemacht? Ich muß sagen, daß ich sichtlich erstaunt war, was Du für ordentliche Vorfahren gehabt hast. Das hätte ich nicht hinter Dir vermutet. Nein, aber einmal Spaß beiseite. Ist das nicht interessant, daß auch hier bis jetzt alle Handwerker waren? Das ist doch sonderbar. Ich sende Dir heute erst einmal die Zahlkarte mit, damit Du das Geld überweisen kannst. Trage es doch bitte auch in die Übersicht ein, damit uns die Kontrolle nicht verloren geht. Von Bautzen erhielt ich einen negativen Bescheid, ich will aber einmal beim katholischen Pfarramt anfragen, vielleicht haben die Unterlagen dafür. In der Gegen von Bautzen ist ja eine Grenze zwischen katholisch und evangelisch. Das werde ich also einmal ausprobieren. Zur Fertigstellung des Mantels für unseren Jungen gratuliere ich Dir. Unser Stromer wird nun stolz sein auf Dein neues Werk. Ich bin froh, daß Du mit dem Mantel hast etwas anfangen können, denn in diesem Winter brauche ich ihn ja hier nicht. Ich glaube, daß er in diesem Mantel nicht frieren wird. Ich glaube Dir gern, daß dieser schwere Stoff nicht so einfach zu nähen war. Ja, wenn dieser Bengel etwas erreichen will, dann kann er schmusen, das kann ich mir denken. Ich bin ja nur gespannt, wenn er seinen ersten Unfall damit hat. So einmal in Gräben fallen oder ähnliche Scherze. _ Gefreut habe ich mich, daß so nach und nach alle Päckchen bei Dir eintrudeln. Ich kann Dir wieder mitteilen, daß ich am 26. das Päckchen Nummer 14 mit getrocknetem Brot zugesandt habe. Die Kartons kommen mir dabei sehr zustatten. Lange wird es nicht mehr dauern, dann gibt es wieder eins.
Über die Arbeit von unserem Stromer hatte ich mich sehr gefreut. Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, ihm dafür persönlich zu danken. Ich hoffe, das aber bald nachholen zu können. Nach dem, was Dur mir bis jetzt geschrieben hast, müßt Ihr ja schon ziemlich in diesem gebastelt haben. Wenn sie dann nicht zu jedem Mal etwas mitbringt, dann sollen diese Mädels sich einmal mit dem zufrieden geben, was Ihr bis jetzt geschafft habt, denn das ist doch bestimmt kein Pappenstiel.
Ich habe die Auszüge alle nochmals durchgesehen, die ich vom Pfarramt in Kamnitz erhalten habe. Nachdem ich alles bei mir Eingetragene nochmals durchgesehen habe, kann ich sie Dir heute schon mit zugehen lassen, denn ich denke, daß Du Dich auch dafür sehr interessieren wirst. Ist das nicht putzig, wie die einzelnen Familiennamen durcheinandergekommen sind und dann auf der anderen Seite wieder auftauchen. Das eine Mal Michel und das andere Mal Langhans. Etwas fällt mir auch noch auf, daß alle ziemlich alt geworden sind. Ja, wie ich schon vorher einmal gesagt habe, ich hätte nicht gedacht, daß Deine Vorfahren so ehrsame, biedere Handwerker waren. Du kannst erst einmal daran sehen, was für ein Vertrauen ich in Dich gesetzt habe, daß ich Dich doch genommen habe, aber insgeheim habe ich mir das ja gleich gedacht, daß das so sein muß, denn das sagte mir allein schon mein Scharfsinn. Aber man hat solche Sachen gern schwarz auf weiß, denn man könnte sich doch einmal täuschen, was ja bei mir kaum vorkommt. Was sagst Du nun? He, das habe ich Dir einmal gegeben. Musst aber nicht gleich traurig sein, das ist ja nicht so schlimm, und das geht auch wieder vorüber. Aber jetzt höre ich bestimmt für heute mit dem Frozzeln auf.
Lasse Dich schön grüßen und recht herzlich küssen. In Gedanken bin ich wieder wie immer bei Dir. Dein Ernst.
Mein liebstes Mädel! 29.11.43
Gestern bin ich vor lauter anderem Schreiben nicht dazugekommen, Dir vom Verlauf des Sonntags zu berichten. Wir sind jetzt so etwa dazu übergegangen, daß wir einen Sonntagnachmittag in Athen den anderen in Piräus verbringen. Am gestrigen Sonntag war wieder Piräus dran. Wir haben dort das Offiziersheim besucht, von dem ich dir schon einmal geschrieben hatte, daß es mir dort so gut gefallen hatte. Wir sind am Nachmittag mit der Bahn hinausgefahren. Es ist dann ein kurzer Spaziergang und dort kann man sich wirklich gastlich aufgenommen fühlen. Wir kommen in die Räume hinein, da war alles so merkwürdig dunkel. Ich hatte es erst nicht weiter beachtet, aber ich musste dann bald feststellen, daß wir ja in der Adventszeit leben. Adventskerzen waren aufgehängt und auf den Tischen waren Kerzen umrahmt von Zweigen aufgestellt. Es waren richtige Tannenzweige. Das hat mich sehr gewundert, denn ich habe hier noch keine Tannen gesehen. Es war wirklich sehr heimisch und man konnte sich direkt in die Heimat versetzt fühlen. Das Kompliment muß man den Schwestern schon machen, daß ihnen das restlos gelungen war. Jeder, der hinkam, fühlte sich von einer heimatlichen Stimmung umfangen. Ich musste an die früher bei uns verbrachten Adventstage denken, die wir die ersten Jahre in Konstanz noch unten in der Rundbergstraße verlebten. Kurt ging dann immer noch mit Reisig holen. Später, als wir dann verheiratet waren, da kam er dann auch zu uns. Als er das eine Mal von Pommern zurück kam, da fuhr er auch mit mir los, um das Tannenreisig zu besorgen. Wie kam er dann gerade so die erste Zeit so oft zu uns. Er war dann auch immer ziemlich aufgeschlossen. Als sich dann aber der Einfluss von Paula mehr und mehr geltend machte das kommt mir heute erst viel stärker zu Bewusstsein da fing er wieder an, seine eigenen Wege zu gehen. Ich denke in diesem Zusammenhang noch an unser Zusammentreffen anlässlich der Silberhochzeit in Leipzig. Was war das für eine Herzlichkeit zwischen uns. Ich will nicht im Bösen daran denken, im Gegenteil, mir liegt daran festzustellen, daß ich immer viel für ihn übrig hatte, wie er es auch für uns hatte. Das hat er ja selbst oft und oft bezeugt.
Aber nun nochmals vom gestrigen Sonntag. Wir bekamen dort wieder einen guten Spitzbohnenkaffee. Dann ein Stück geschlagenen Kuchen und selbstgebackene Weihnachtsplätzchen. Wir habe uns dann noch eine zweite Portion kommen lassen, da gab es dann Rosinenkuchen. Leben wir etwa schlecht? Das kann man doch nicht sagen. Später haben wir uns dann ein Glas Cognac und dann ein Glas Wein kommen lassen. Als wir dann noch zum Abendbrot gegessen hatten es gab Makkaroni und Parmesankäse dann haben wir uns auf den Heimweg gemacht. Ich bin dann auf mein Zimmer gegangen, habe dort noch etwas zu Nacht gegessen und etwas gelesen. Zur Feier des Tages habe ich mich zeitig schlafen gelegt. War das für die hiesigen Verhältnisse nicht ein netter Sonntag? Ich glaube wohl doch. Man muß immer wieder zusehen, wie man sich durchfuttert, denn man weiß nicht, wann es wieder einmal dünner kommt.
Heute habe ich unserem Sprössling geschrieben. Den Durchschlag findest Du wieder anbei, Außerdem habe ich meinen Nikolausbrief verfasst, der mir diesmal im Schreiben nicht einmal soviel Mühe gemacht hat. Ich bitte Dich, gib jedem der Stromer noch 2,-RM von mir, denn ich habe diesmal nichts weiter für sie. Ich weiß ja noch nicht, wie unser Herr Sohn meinen Brief aufnimmt. Ich habe versucht, mit etwas Lachen ihn auf seine leichten Fehler zu tupfen. Ich denke, daß er es schon verstehen wird, was ich von ihm will.
Das Wetter ist anscheinend doch klar geworden. Heute ist die Temperatur im Gegensatz zu gestern wesentlich gefallen. Man muß nun abwarten, ob das nur vorübergehend ist oder ob es so bleibt.
Ich hoffe Euch alle meine Lieben gesund. Ich bins auch noch. Nehmt viele Grüße und liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.
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