Montag, 26. November 2018

Brief 490 vom 26./27.11.1943


Mein liebster Schatz !                                                                           26.11.43  
        
Post habe ich heute noch keine erhalten. Aber ich konnte ja in den vergangenen Tagen zufrieden sein, denn da habe ich doch rechtzeitig meine Briefe erhalten. Mit solchen Unterbrechungen muß man eben rechnen, das lässt sich nicht vermeiden.
Über deine Berichte über unsere beiden Stromer habe ich mich sehr gefreut und über die Sprache habe ich zum Teil wieder lachen müssen. Bei unserem Hauptstrolch geht das Temperament von Zeit zu Zeit durch. Der Bengel ist ja auch gesund und kräftig. Irgendwie muß ja die Lebensfreude heraus. Es nimmt mich nicht wunder, wenn Du mit Helga in der Hinsicht etwas gegen diesen Lebensdrang auszufechten hast. Dem ist doch in diesem Alter nichts sicher und heilig ist ihm auch nichts. Man merkt das ja schon an seinen Äußerungen. Ich bin wirklich herzlich froh, daß er einen Lehrer in der Schule hat, denn mit einer Frau machen doch diese Lausebengels was sie wollen. Auf die Dauer kann ja eine Lehrerin da nicht bestehen. Die braucht nur noch etwas nervös spielen, dann haben diese Kerle ja was sie wollen. Man merkt es ja auch schon an den Aussprüchen unseres Stromers, wie er den Ernst der Schularbeit auffasst. Ihm ist es herzlich lieber, wenn der Lehrer einmal vergisst, etwas aufzugeben. Daß ihm das nicht zusagt, wenn einer den Lehrer daraufbringt, das ist wohl leicht verständlich. Doch vom erhabenen Standpunkt der Eltern aus gesehen, ist das nicht erfreulich, denn schließlich soll die Gesellschaft etwas lernen. Aber eine gesunde Jugend hat keine Tugend. An sich ist das auch weiter nicht schlimm, denn das passiert ja nicht jeden Tag. Aber gerade weil es nicht oft vorkommt, darum macht es ja solch ein Vergnügen, daß der Lehrer, der immer meint, er sei unfehlbar, nun auch vergesslich ist. Welch eine Freude für die Bengels.
Unser Mädel ist ja ziemlich in Anspruch genommen.  Ich bin selbst froh, wenn sie dann nach Abschluss der nächsten Woche wieder etwas mehr zur Ruhe kommt. Denn sie ist an sich kein Riese. Sie ist groß gewachsen, aber sie darf sich nicht zu sehr übernehmen, gerade wo man ihr jetzt nicht alles das zukommen lassen kann, was der Körper für ein solch schnelles Wachstum braucht.  Daß sie jetzt immer das Rad benutzen kann, ist ja schon ein großer Vorteil für sie.  Mit meinem Rad ist unsere Fahrkünstlerin auch schon gefahren. Ich muß sagen, daß sie sich nicht ungeschickt anstellt, wenn sie nur erst einmal weiß, wie sie eine Sache anpacken muß. Für den Nikolaustag hast Du nun auch wieder etwas erobert. Das wird für die zwei Trabanten wieder eine Freude geben, wenn sie dann etwas vorfinden. Vielleicht werde ich wieder einmal einen Brief schreiben. Ich will zusehen, daß ich noch bald dazukomme. Ich hoffe, daß dann dieser wenigstens ankommt. Der letztjährige  ging ja verloren.
Ich habe heute einmal an Nannie geschrieben, um dort Klarheit zu bekommen. Ich habe ihn in der Form verfasst, wie ich das bisher immer getan habe. Ich hoffe, daß ich keine Schärfe hineingebracht habe.
Eine Briefmarke, die ich hier erstanden habe, lege ich mit bei. Lege sie doch bitte mit in mein Album unter Deutschland. Denn wegen eines Katalogs brauchst Du Dich vorerst nicht mehr bemühen, denn ich habe festgestellt, daß die Händler alle die neuesten Kataloge dahaben, die wir in Deutschland nicht bekommen. Deshalb fehlt also hier nichts. Ich hätte nun bezüglich der Briefmarken noch einen weiteren Wunsch. Schicke doch auch die Schweizer Marken von der Landesausstellung und mit der Aufschrift „pro juwentute“. Für die hätte ich hier auch Tauschgelegenheit. Die anderen habe ich bis jetzt erhalten, ich hoffe, daß ich hier Interessenten dafür erhalten. Ich will mir meine Deutschlandmarken etwas ergänzen oder mir eine Sammlung von den hiesigen Marken anlegen. Ich muß erst sehen, was nun das bessere ist. Schade ist nur, daß ich zwar keine Ahnung habe, welche Marken ich von Deutschland alle habe, damit ich mir die Sachen nicht doppelt erstehe. Dazu brauchte ich allerdings eine Zusammenstellung, die Du am besten anhand des Katalogs machen könntest.
Ich hoffe, diesen Brief jemanden mitgeben zu können, der mit dem Flugzeug bis nach Wien fliegt. Dann hättest Du den Brief etwas eher. Ich hoffe weiterhin, daß Ihr, meine Lieben, alle gesund seid. Herzlich grüße ich Euch alle  auch Vater  und bin mit vielen lieben Küssen Dein Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                                 27.11.43       
   
Gestern Abend waren wir wieder einmal anlässlich eines Abschiedsabends für einen scheidenden Oberst von der Militärverwaltung beieinander. Es war etwas spät geworden, denn ich kam erst ½ 3 Uhr nach hause. Wir hatte uns ganz nett unterhalten und dazu einige Tropfen getrunken, was aber noch wichtiger war, es gab etwas ordentliches zu essen. Das alles zusammen hebt dann die Stimmung und trägt dann zum Gelingen eines solchen Abends bei. Wenn einmal die Abteilung vollzählig versammelt wird aus irgendeinem Anlass, so war es bis jetzt immer, um einen aus der Abteilung zu verabschieden.
Dein Brief vom 22./23. traf heute bei mir ein und noch der Brief von Wittenburg, den Du mir nachgesandt hast. Außerdem kam eine Karte von Deinem Vater an, der Leo Krall besucht hatte. Ich danke Dir recht herzlich für Deine Zeilen, über die ich mich sehr gefreut habe. Auch Wittenburg hat sehr nett geschrieben. Die Mitteilung auf der Rückseite des Briefumschlags kam von Männern aus unserer Abteilung der letzten Einheit. Du siehst, es denken doch noch alle an mich. Ich muß doch nicht so ganz unleidlich sein, wie es manchmal scheinen will. Ich will ja auch keine Lobeshymne hören, sondern ich lege mehr Wert darauf, von meinen früheren Kameraden immer wieder einmal zu hören, um zu erfahren, was sich in der Vergangenheit ereignet hat. Auch dort sind so manche der früheren Kameraden weggekommen.  Wittenburg ist nur noch mit wenigen in Douai verblieben, die ich kenne. In dieser Hinsicht hat es ja mächtiges Glück gehabt. Seit Beendigung des Frankreichfeldzugs ist er bei dieser Kommandantur, ohne jemals einen Wechsel mitgemacht zu haben. Ich habe wohl durch die verschiedenen Veränderungen manches gesehen, und ich will nicht vergessen, manches gelernt. Im Wunschtraum scheint einem das tägliche gewohnte und geregelte Leben bei der Truppe ganz schön zu sein, aber ich denke, daß ich weniger zufrieden wäre, wenn es mir nicht so gegangen wäre, wie es mir ja bisher gegangen ist. Durch die verschiedenen Umstellungen bin ich doch immer elastisch geblieben und glaube auch nicht, daß ich so bald vertrockne und verstaube. Daß Du das Paket mit den Zitronen erhalten hast, freut mich sehr. Du hast nur nicht mitgeteilt, ob sie noch in Ordnung waren. Ich will das vor allem deshalb wissen, damit ich mich danach richten kann, wenn ich wieder welche da habe, ob es sich verlohnt. Daß auch die anderen Päckchen wieder angekommen sind, beruhigt mich wieder. Ich habe wieder gemerkt, daß die Ankunft der Päckchen wieder Freude ausgelöst hat und das macht mir selbst immer wieder Spaß. Deine Brotsammlung hat sich ja ziemlich erweitert. Ich hoffe, daß auch dann die Suppen davon schmecken werden. Mir macht das dann selbst Freude, immer wieder für Euch meine Trocknerei weiter zu machen. Wie schade wäre es, wenn man das Brot so hergeben würde. So habt Ihr doch noch den Nutzen davon. Ich kann mir denken, daß Euch die Äpfel auch schon über manches hinweggeholfen haben, denn man kann doch manches andere dafür wieder weglassen.
Deine Bemerkung von unseren Herrn Jörg, daß er fragt, ob Großvaterle auch etwas zu bestimmen hat, veranlasst mich, über den Herrn Sohn darauf hinzuweisen, daß Großväter schon unserem kleinen frechen Scheißer etwas zu sagen haben. Ich weiß ja nicht, in wieweit er das respektiert, aber immerhin kann es nichts schaden, wenn er auch von ihm einmal ein Wort hinnehmen muß. Du mußt ja mit ihm in Genüge reden, so daß er das ruhig einstecken soll. Wenn er nicht schneller sich ausziehen kann, so würde es mich interessieren, ob es besonders helfen würde, wen ihm sein Vater, der leider nicht zuhause sein kann, etwas behilflich wäre.  In dieser Beziehung kann er schon etwas Nachdruck gebrauchen, weil ich genau weiß, daß er es kann. Denn wenn er draußen spielt, geht ihm ja auch alles leicht von der Hand.
Ich freue mich, wie Du die Sachen immer so schön in Ordnung hältst. Wenn es auch etwas recht eng zugeht, so siehst Du doch immer zu, daß der Keller in Ordnung bleibt. Gerade, wenn zuviel zusammensteht, verliert man schneller den Überblick und es sammeln sich immer wieder Sachen an, die man nicht gerade so braucht.
Wenn ich in meinem Brief vom 13. etwas kurz gewesen bin und Du den Eindruck gewonnen hast, ich sei krank oder über etwas verärgert, so musst Du Dir keine Gedanken machen. Du weißt ja, daß ich mich immer noch durchgesetzt habe. Wenn einem einmal eine Laus über die Leber läuft, so ist das noch kein Grund, daß man gleich etwas Schlimmes befürchten muß. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, ob da etwas besonderes vorgefallen sein sollte. Schon daran kannst Du ersehen, daß es nicht tief gegangen ist, wenn tatsächlich mir etwas quergekommen wäre. Du weißt ja selbst, daß Du mich nicht zwingen brauchst, wenn ich Dir schreibe, denn ich habe meist soviel auf Lager, was ich Dir zu schreiben oder mit Dir zu besprechen habe. Es kann einmal vorkommen, daß man nicht so auf Draht ist, doch das wirkt sich dann schon am folgenden Tag aus, daß ich dann mehr oder besser schreiben kann. Aber nun will ich schließen. Recht herzlich grüße ich Dich und bin mit vielen, vielen lieben Küssen an Euch alle Dein Ernst.

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