Meine
liebste Annie !
6.11.43
Wenn das so weitergeht, dann muß ich jede Woche mindestens einmal einen besonderen Einsatz haben. In der vergangenen Woche war doch das mit der Kommunistenversammlung und gestern, als ich vom Kino nach hause gehe, sehe ich doch da einen Brand. Viele Soldaten stehen herum und sehen zu, wie es brennt. Ich frage den einen, ob die Feuerwehr alarmiert sei. Er sagt mir darauf, das ist doch bei den Griechen. Ich habe mich gleich erkundigt, wo das nächste Telefon ist und habe dafür gesorgt, daß die Feuerwehr hinkommt. Dann bin ich hingegangen, um zu sehen, was sich weiter machen lässt. Ein Teil der Landser stand vor dem Gebäude, es war ein Cafe zu ebener Erde, aber immerhin ein fester Bau. Ein mit einer Kette verschlossenes Tor haben wir dann gemeinsam aufgesprengt, um zu sehen, ob sich etwas machen lässt. Da es aber ohne Spritze fast keinen Zweck gehabt hat, haben wir es sein lassen bis die Feuerwehr kam, die dann bald eintraf. Es hat immerhin ganz nett geprasselt, das kann man sagen. Als es nichts mehr zu tun gab, bin ich dann nach hause gepilgert. Wenn ich mich weiterhin so um das Allgemeinwohl verdient mache, dann muss ich schon noch Ehrenbürger in Athen werden. Bist Du etwa anderer Meinung?
Nun noch vielen Dank für Deine beiden Briefe vom 18. und 29.10. , die ich gestern erhielt. Die vorgebrachten Wünsche habe ich mir notiert. Ich werde sie nach Möglichkeit erfüllen. Du weißt ja, von was das alles abhängt. Aber ich werde es schon machen. Die weiteren Bilder, die von Dir und von mir dabei waren, finde ich auch ganz gut getroffen. Man kann sie sicherlich ganz gut verwenden, wenn sie vergrößert sind. Ich sehe sie mir immer wieder an, weil sie mir Spaß machen. Wenn ich dann alle beieinander habe, werde ich sie Dir dann wieder nach und nach zurückschicken.
Was für Dich die Äpfel gekostet haben, das hast Du mit ja in einem dieser Schreiben mitgeteilt. Ich hatte ja kürzlich danach gefragt. Ich glaube bald, daß ich es unterlasse, irgendwelche Fragen zu stellen, denn meist klärt sich das in einem der ausgebliebenen Briefe auf. Wenn Vater so darüber spricht, daß die Äpfel nicht erste Sorte gewesen wären, so muß man dem nicht die Bedeutung weiter beimessen. Er sagt das ja nur, um etwas zu sagen. Er ist nun einmal so kritisch eingestellt. Schließlich kann man ihm das Obst heute nicht malen. Er sollte einmal sehen, wie hier damit umgegangen wird. Die Preise sind trotz der minderen Qualität immerhin noch so hoch, daß man bei uns daheim sich keinen Apfel leisten könnte. 12 000 Drachmen das Oka. Das sind nach deutscher Währung 5,-RM für 1 ¼ kg. Unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Kurses. Es besteht ja Aus sicht, daß der Kurs hu unseren Gunsten wieder etwas verbessert wird, auf die Dauer verspreche ich mir aber nichts weiter davon.
Mit den Kartoffeln habt Ihr diesmal ja ziemliche Scherereien und Warterei gehabt. Im letzten Jahr konnte ich sie auch noch mit ran besorgen. Wir mussten ja auch warten, aber doch nicht so lange. Ja, die Russen, das sich richtige Schlawiner. Die Juden haben schon gewusst, wie man sie anpacken muß. Aber ich weiß schon, was man da für eine Politik betreibt. Man will diese Leute für uns gewinnen. Das hätte man aber früher anfangen müssen, und nicht erst jetzt. Erst haben wir sie massenweise verrecken lassen, und jetzt, jetzt leckt man sich nach jedem alle zehn Finger ab. Das ist eines unserer deutschen Grundübel, daß wir nie eine klare Haltung in Bezug auf Behandlung fremder Völker haben. Ich habe das doch schon die ganzen Jahre beobachten können. Wenn man die Arbeiter, die freiwillig zu uns gekommen sind, seelisch betreut, dann habe ich volles Verständnis dafür. Aber in Konstanz könnte man doch ohne weiteres das alte Passagekino dafür herrichten. Es fehlt in dieser Beziehung an vielem.
Das ist ja nett von Siegfried, wenn er die Schokolade und die Zahnpasta geschickt hat. Daß Du nun auf meine Äußerung hin gleich auch mir von der Schokolade abgeben musst, das war bestimmt nicht nötig. Da es aber schon einmal so ist, danke ich Dir vielmals dafür. Mich freut es jedenfalls jetzt, daß ich die andere Schokolade Euch geschickt und nicht selbst verbraucht habe. Denn das wäre doch etwas zuviel für mich allein gewesen. Du bist doch ein lieber Kerl, wie Du Dir das gemerkt hast. Also schon vielen Dank im voraus. (Keine Unterschrift )
Mein
liebster Schatz !
7.11.43
Das Wetter hat wieder umgeschlagen. Zum Sonntag ist es wärmer geworden, trotzdem ist der Himmel noch bedeckt. Gestern hat es geregnet, zwar nicht sehr viel, aber es war immerhin so, daß man es vermerken kann. Diesen Schwankungen, die ja wieder wesentlich anders sind wie im Osten, muß man sich erst anpassen. Das ist aber nicht so leicht, denn wir sind nun einmal auf etwas anderes eingestellt. Heute Vormittag habe ich hier Dienst, dagegen hatte ich gestern Nachmittag frei. Ich bin dann einmal in die Schule gegangen und habe mir den Betrieb angesehen, was geboten wird. Erst habe ich 2 Stunden Geschichte gehört und dann zwei weitere Stunden Staatsrecht. Zum Teil war es ganz interessant, ich denke, daß ich wohl die einigen Abende durchhalten werde, denn diese Kurse erstrecken sich ja immer nur über zwei Monate. Etwas Sprache werde ich wahrscheinlich auch noch belegen, wie ich Dir schon einmal schrieb. Ich habe das Empfinden, daß einem das nichts schaden kann, denn wenn man nichts tut, verkalkt und versauert man und das ist in meinem Alter noch nicht angebracht; dafür ist später noch erheblich viel Zeit. Es ist nur schade, daß ich gerade jetzt nicht die zweite Prüfung machen bzw. mich darauf vorbereiten kann. Dann würde man doch sehen, daß es wieder ein Schritt weitergegangen ist. Es ist zu schad, daß ich in den vorhergegangen Jahren keine Gelegenheit dazu hatte. Aber auch da hilft kein Jammern, denn diese Zeit ist eben dahin. Mit diesen Kursen sieht man gegenwärtig kein Ziel, das man anstreben kann und das verringert in gewisser Hinsicht das Interesse. Der Unterricht findet hier in der deutschen Schule statt. Die Räume sind sehr sauber und das ganze Gebäude ist sicherlich noch recht neu. Das Programm ist ziemlich reichhaltig, was da so geboten wird. Ich kann es Dir ja einmal mit beifügen, denn das wird Dich sicherlich interessieren.
Von einem Kameraden, der bei meiner vorhergehenden Einheit geblieben ist, erhielt ich auch auf mein Schreiben Nachricht, es ist der, der mir die Seifenschale besorgen sollte, der schreibt, daß sie sich in einer herrlichen Gegend befinden, etwas schöneres hätte er bisher noch nicht gesehen. Das ist ja die Gegen am Gardasee, wie ich Dir damals in München erzählte. Auch sonst sind sie sehr gut untergebracht, herrliche Hotelzimmer und Badegelegenheit im Freien, wie bei uns hier. Ich muß zwar einschränken, daß es bei uns hier aufgehört hat. Er erinnert dabei, welcher Unterschied das sei zwischen unserer Unterkunft im Osten und dort. Ich hatte doch bei unseren Einsätzen immer ein Zimmer für mich. Damit er nicht mehr in einem solchen Haufen von Kameraden zusammen hausen musste, habe ich ihn immer mit zu mir genommen. Daher liegen unsere Erlebnisse auf der gleichen Linie, ja, wenn man dann heute wieder Wehrmachtsberichte von der Aufgabe der Stadt Kiew liest, dann weiß man, daß wieder ein Stückchen Leben abgegeben. Denn wir sind doch etliche Monate dort gewesen und jetzt ist diese wieder in der Hand der Russen. Es stimmt etwas wehmütig. Ein Anlass zur Befürchtung liegt damit bei weitem noch nicht vor, denn ich vertrete auch die Ansicht, daß wir immer noch in Rußland stehen. Aber wie ich schon oben andeutete, man gibt ein Stück Arbeit auf, das man dort geleistet hat. Geleistet im Interesse für Deutschland. Man hat das schon als deutschen Boden, wenigstens verwaltungsmäßig, betrachtet. Futsch ist es wieder. Na, das hat keinen Zweck, daß wir darüber anfangen zu flennen, wie wissen nicht, was die Führung beabsichtig. Auf alle Fälle wird sie ihre Ziele haben wenn sie auch teilweise in eine gewisse Defensive gedrängt wird.
Post kam gestern nicht von Dir an. Von Deinem Vater erhielt ich noch die bisher fehlenden alten Sendungen. Ich glaube, daß nun bald alles da ist. So kann ich hoffen, daß auch noch Deine beiden Päckchen eintreffen, den Glauben daran gebe ich noch nicht auf.
Vorgestern war ich ja im Kino. Ich hatte mir den Film „Die Sache mit Stimmung“ angesehen. Diesmal konnte ich feststellen, daß ich den Film noch nicht kannte. Das war immerhin eine angenehme Überraschung. Der Film war an sich ganz unterhaltend. Für den Sonntag bleibt nun nichts weiter übrig. Das Theater ist schon ausverkauft. Es wird sich schon etwas finden, was ich heute Abend treibe. Vielleicht erhalte ich heute Mittag Post von Dir, das wäre schön. Nun lasse mich bitte schließen und recht herzlich grüßen und viele Küsse beifügen, die ich Dir in viel Liebe und in Erinnerung an die schönen Stunden in München und speziell an unser Hotel (abends) übermittle. Dein Ernst.
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