Montag, 26. November 2018

Brief 488 vom 22./23.11.1943


Mein Liebling !                                                                                  22.11.43     
      
Gestern habe ich einmal nicht geschrieben. Am Vormittag hatte ich ja Dienst, da kam ich nicht zum Schreiben und gleich nach dem Mittagessen habe ich mich etwas umgezogen dazu musste ich erst ins Hotel fahren  dann bin ich mit einigen Feldwebeln über die Akropolis gegangen, um meine hier erweiterten Kenntnisse an den Mann zu bringen. Am Spätnachmittag bin ich dann mit meinen Kollegen zusammengetroffen, dann haben wir im Offiziersheim hier gemeinsam Kaffee getrunken. Es gab kleine Törtchen mit Weintrauben obendrauf. Das war ganz lecker. Später sind wir in ein griechisches Kino gegangen, um uns dort einmal den Betrieb anzusehen. Als wir wieder herauskamen, war es schon ½ 8 Uhr. Ich habe dann hier noch etwas in meinen Sprachheften herumgekramt, um dann anschließende nach hause zum Abendessen zu gehen. Von der Lauferei hatte ich doch einen ganz ordentlichen Hunger beieinander, das kannst Du ja verstehen. Dann habe ich nebenbei etwas gelesen und anschließend noch griechische Briefmarken abgeweicht. Dann war ich ziemlich müde und Zeit war es sowieso. Das war mein gestriger Tageslauf. Er war doch ziemlich abwechslungsreich.
Ein Brief traf gestern auch von Dir ein, und zwar der vom 15. Heute erhielt ich Dein Schreiben vom 16.11., so daß ich wieder einiges zu beantworten habe. vorher will ich aber erst noch auf eine andere Sachen eingehen. Es handelt sich um das Essen. Als ich hierher kam, da konnte ich nicht sagen, daß ich immer satt geworden wäre. Ich habe mir dann Rosinen gekauft und mir damit etwas geholfen. An manchen Tagen bin ich wirklich mit hungrigem Magen wieder aufgestanden. Ich konnte aber auch das trockene Brot nicht immer verzehren, denn unser Zubrot ist ebenfalls nicht reichlich bemessen. Butter oder Margarine gibt es nur zweimal in der Woche. Das ist dann meist samstags oder sonntags. Da bekommt man zum Abendessen 30 g. Große Sprünge kann man da bestimmt nicht machen. Aber das habe ich alles hingenommen. Während sich das Mittagessen gebessert hat, sind die Abendportionen gleich geblieben. Wenn es gut geht, dann bekommen wir für den Abend noch etwas Marmelade. Griechischen Wein gibt es wohl fast jeden zweiten Abend, aber das ist ja nur eine kleine Ergänzung der Verpflegung. Obst wird dagegen in gewissen Abständen ziemlich regelmäßig gegeben. Da leiden wir keine große Not. Ich gebe zu, daß es in letzter Zeit besser geworden ist gegenüber der Anfangszeit, die ich hier erlebte. Das wird auch allgemein anerkannt. Aber Fett kann man bei dieser Verpflegung bestimmt nicht ansetzen. Ich habe schon manchmal gesagt, daß ich mit Rücksicht auf die Verpflegung hier gern wieder nach dem Osten zurückgehen würde. Eine Einschränkung muß ich zwar machen und das ist der Sonntag. Da ist es meist gut und reichlich, so daß man schon merkt, daß Sonntag ist. Aber der Grund, daß ich dies alles schreibe ist ja nicht der, daß ich etwas von Euch haben will, sondern der, daß ich hier einen Kameraden gefunden habe, der mich so fast täglich mit einem Stück Wurst oder ähnlichem beistehen kann. Ich kann Dir mitteilen, daß das schon eine recht bedeutende Verbesserung meiner Verpflegung ist. Hin und wieder bekomme ich noch etwas Schmalz, das schmeckt ganz gut aufs Brot, wenn man sonst nichts weiter hat. Vorher war ich etwas körperlich heruntergekommen. Das lässt sich ja denken. Aber, wie gesagt, jetzt geht es mir schon wesentlich besser und ich denke, daß ich mit dieser Hilfe wieder ganz meine Kräfte entwickeln kann. Du wirst sagen, warum ich nichts davon bisher geschrieben habe. Ich kann darauf nur erwidern, daß ich das noch machen kann, weil ich mit der Zeit immer einen Weg finde, wo ich mir helfen kann. Ich kann ja nicht gleich die ersten Tage schreiben, ich habe noch Hunger. Das Brot, das ich aufgespart hatte, das habe ich übrig gehabt. Also, Du hast keinen Grund, mir in diese ganze Sache dazwischen zu reden. Ich wollte mich ja nur einmal vor Dir rechtfertigen, nachdem jetzt dieser Zustand einigermaßen behoben ist. Meine Gegenleistung sind Zigaretten, die ich nicht rauche. Ich meine, daß ich nun zugunsten Deines Vaters auf die Zigaretten nicht verzichten kann, denn in erster Linie muss ich ja zusehen, daß ich mir etwas zuführe. Das ist wohl nicht mehr wie recht und billig. Ich glaube, daß Du mir da auch ohne weiteres zustimmen wirst. Ich leide jetzt keinen Mangel wie Du siehst.
Was Dein Vorschlag bezüglich des Brottrocknens anbelangt, so muss ich Dir mitteilen, daß sich das hier schlecht machen lässt, das Brot noch in Streifen zu schneiden, weil es mir dann zuviel Kleinzeug gäbe, das mir dann hier herumliegt. Ich glaube, daß Du es auch sonst ganz gut einweichen kannst, denn das harte Brot lässt sich gut brechen, dann kannst Du ohne weiteres kleine Stücke daraus machen. Ich werde es also weiter in der bisherigen Art und Weise trocknen. In den nächsten Tagen habe ich wieder soviel beisammen, daß es ein Päckchen gibt. Wenn man darauf Obacht gibt, daß nichts umkommt, dann sammelt sich das ganz schön mit der Zeit. Man sieht doch, daß es sich lohnt. _ Den Andrang beim Kinobesuch habe ich ja selbst kennen gelernt.  Wenn Du einmal einen von diesen Bengels beim Kragen gepackt hast, dann schadet das bestimmt nichts. Denn die Kerle glauben, daß sie schon Herrenrechte haben und weil niemand auf sie Obacht gibt, könnten sie sich das erlauben. Ich hätte das auch einmal sehen wollen, wenn er Dir hätte eine langen wollen, was Du mit dem gemacht hättest.  Ich habe ja schon mit Dir zu tun, wenn ich einmal mit Dir gerempelt habe, geschweige dann solch ein Scheißer. Das ist aber doch allgemein mit dieser Gesellschaft so.  Ich denken nur noch an die Begebenheit im Bade mit den Mädchen. Die glaubten ja auch, mit Frechheit, die vom Baldisch in seiner Dummheit unterstützt wurde, könnten sie alles machen. Der einen Göre war es aber doch etwas anders geworden, als ich dann zu ihr hinaufkam. _ Deine Mitteilung über den einen Klassenlehrer von Helga ist ja weniger erfreulich. Ich denke, daß man da noch eine Weile mit zusieht. Vielleicht wendet sich einmal jemand anders an die Schule. Sollte das aber ein Dauerzustand bleiben, dann kann man sich ja beim Rektorat darüber beschweren. Du mußt aber den Kindern nichts weiter davon sagen, denn es hat keinen Zweck, daß das irgendwie verbreitet wird, denn es könnte sonst sein, daß dieser Kerl ihr nachher Schwierigkeiten bereiten würde. Dem wollen wir ja gleich die Spitze abbiegen. Helga kannst Du ja sagen, daß sie sich nichts weiter daraus machen soll, denn ich glaube, daß dieser Mann etwas übernervös ist. Wenn sie die meisten Sachen der gestellten Fragen beantworten kann, dann braucht sie keine Bange haben, wenn er ihr eine 6 geben will, sie muß nur dann bei den schriftlichen Arbeiten ihre Gedanken zusammennehmen, damit sie dort richtig abschneidet.
Ich habe mich manchmal darüber gewundert, wo hat unser Junge dieses Handelstalent her. Wir beide sind doch nicht mit diesen Gaben besonders bedacht. Wie es mir scheint, ist er da nicht unbeschickt. Das ist so ein kleiner Geschäftemacher. Solange er seine eigenen brauchbaren Spielsachen nicht verlost und das Geld verjuxt, ist ja nichts dabei.
Lasse mich heute wieder schließen mit recht guten Wünschen für Euch alle. Bleibt gesund und nimm Du mit den Kindern recht viele herzliche Grüße und viele liebe Küsse entgegen von Deinem Ernst.

Mein liebster Schatz !                                                                                    23.11.43 
          
Herzlichen Dank für Deine Briefe vom 17. und 19., die ich heute schon erhielt. Auch ich habe mich über Deine Einkaufserfolge gefreut. Man ist das nicht mehr gewohnt, irgendwelche Artikel ohne irgendwelche Anstände zu bekommen. Wenn Du das noch alles an einem Tag erhalten hast, dann ist das einem innerlich ein beglückendes Gefühl. Ich kann das nachempfinden, denn mir geht es auch so, wenn mir manchmal etwas besonders gelingt.
Ich habe von Siegfried seit einiger Zeit noch keine Nachricht. Wie Du mir ja mitteilst, befindet er sich ja noch an der Südfront. Die Alarmnachricht Deines Vaters, wegen der Verlegung nach dem Osten, ist dann anscheinend nicht zutreffend. Dass er ab und zu mit Engländern zusammenkommt, ist ja ein Zeichen für die Richtigkeit Deiner Vermutung. Hier sind gestern von den auf Leros gefangenen Engländern ein großer Zug durchgekommen. Es war nur schade, daß es schon fast dunkel war. So ein Gefangenenhaufen ist im großen und ganzen kein erhebender Anblick. So unordentlich und disziplinlos kommen dann die Leute daher, ein jeder ein bisschen Krämchen auf dem Buckel. Aber Mitleid ist hier nicht am Platz, denn uns gegenüber wird ja auch kein Mitleid geübt.
Interessant war ja Deine Mitteilung, daß Du Dir einen neuen Ausklopfer besorgen musstest, weil er vom vielen Verwichsen kaputtgegangen ist. Ich muß schon sagen, daß unsere Ware dann doch ziemlich widerstandsfähig sein muß, wenn sie soviel abhalten kann. Wenn Du aber so weiter machst, dann kommt die Erziehung doch ziemlich teuer zu stehen, oder meinst Du nicht?
Heute kann ich Dir einmal die Adresse mitsenden, wohin Du meine Uhr per Einschreiben abschicken kannst. Der betreffende Kamerad fährt morgen in Urlaub und der will sie mir dann mitbringen. Der Betreffende kommt etwa kurz vor Weihnachten wieder, dann habe ich auf diese Weise noch ein Weihnachtsgeschenk. Meine kleine Standuhr hat die Gewohnheit, etwas nachzugehen, so daß ich froh wäre, wenn ich immer eine hätte, nach der ich die andere regulieren kann.
Wenn Du an Leglers ein kleines Bild von uns schicken willst, dann habe ich nichts dagegen. Auch die Verteilung der anderen Bilder überlasse ich Deinem Gutdünken. Wenn Du an Siegfried nur eines schickst, dann hat Erna keines und wenn Du es ihr sendest, dann tritt der umgekehrte Fall ein. Daher wird es wohl zweckmäßiger sein, wenn Du an jeden eines abschickst. Wir haben ja dann immer noch einige davon. Ich glaube, ich habe mich zu der Vergrößerung noch gar nicht geäußert. Ich muß sagen, daß ich mir selbst langsam gefalle. Ich habe schon meine Kamera den gefragt, ob sie einmal einen schönen Mann sehen wollen. Weißt Du, was die mir daraufhin geantwortet haben? Wie dick und vollgefressen der Kerl aussieht. Das ist doch die Nähe. Na, denen gebe ich es schon einmal wieder.
Was den Briefmarkenkatalog anbelangt, so kann ich ja auch an Deinen Vater schreiben. Wenn Du aber bei Kuster nochmals nachfragen würdest, ob er nicht noch ein älteres Exemplar übrig hätte. Es soll nur die Deutschlandausgabe sein, das andere ist ja doch zu groß. Eine andere Möglichkeit wäre noch die, daß Du den Katalog zertrennst und die Deutschlandseiten herausnimmst.  Aber ich will erst einmal sehen, was wir so erreichen.
Gestern war ich wie üblich an den ersten Abenden der Woche im Kino. Es wurde ein Artistenfilm „Tonnelli“ gegeben, der mir gut gefallen hat. Die menschlichen Momente sind ganz gut herausgestellt, was mir darum besonders zugesagt hat. Der Film lief seinerzeit in München, als wir dort waren. Wir bekamen nur keine Karten mehr. Wie Du siehst, taucht immer wieder einmal eine Erinnerung auf die schönen gemeinsam verbrachten Tage auf.
Wenn Du Dich dazu entschlossen hast, an Erna keine Rosinen zu schicken, dann ist mir das auch recht. Ich verstehe Dich durchaus, denn das könnte unter Umständen ein Anlass zu irgendwelchem Ärger sein, den man so vermeiden kann.
Für die Übersendung der Abschrift des Schreibens der Bausparkasse danke ich Dir. Ich bin froh, daß es sich herausgestellt hat, wo es abgeblieben ist. Ich schreibe alsbald und lasse Dir dann meine Antwort zugehen, damit Du den Erbschein beifügst. Es Ganze geht dann auch wieder als Einschreiben.
Wie ich lese, habt Ihr auch schon nach dem Abendessen Rosinen gegessen, um die Abendportion damit etwas zu verlängern. Das habe ich ja auch schon getan, und ich habe mir damit schon ganz gut geholfen.
Hier ist es noch nicht kalt und man kann es sich wohl so ungefähr vorstellen, wie es daheim winterlich wird. Ich habe immer noch meine Sommerkluft an. Auch abends friere ich noch nicht darin.
Mit vielen lieben Grüßen und recht herzlichen Küssen bin ich wie immer in Liebe Dein Ernst.

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