Montag, 26. November 2018

Brief 489 vom 24./25.11.1943



Mein liebes, gutes Mädel!                                                                      24.11.43    
        
Soeben habe ich den Brief an Deinen Vater geschrieben, von dem Du den beiliegenden Durchschlag erhältst. Ich habe gern reinen Tisch und nicht unbeantwortete Post bei mir herumliegen. Ich habe damit verschiedene Sachen erledigt, die sich angesammelt haben. Die Briefmarken  und die Bestätigung der von ihm eingegangenen Sendungen. Dir kann ich nun von mir berichten, daß ich gestern ein kleines Päckchen mit 4 Zitronen abgesandt habe, die ich hier als Verpflegung erhielt und mit denen ich nichts anzufangen wusste. Heute sandte ich wieder ein Heft und 4 Packungen Shampoo.  Da ich es nicht selbst machen kann, hast du Gelegenheit, Dir selbst einmal den Kopf zu waschen. Ich konnte das hier erhalten und ich dachte mir, daß Du sicherlich Verwendung dafür haben wirst. Es sind ja nur immer Kleinigkeiten, aber Du siehst daran, daß ich immer bemüht bin, Euch und besonders Dir eine Freude zu machen.
Gestern konnte ich Dir die Adresse eines Kameraden mitteilen, an den Du meine Uhr schicken kannst. Falls Du sie noch nicht abgesandt haben solltest, dann könntest Du vielleicht noch mein Tauschheft für Briefmarken beipacken. Ich meine das, in das man die Marken hineinstecken kann. Es hat einen dunkelroten Deckel. Wenn die Uhr aber schon abgeschickt sein sollte, dann lässt sich es nicht mehr ändern. Und noch etwas wegen den Briefmarken. Schicke mir doch einmal einige Klebefalze mit. Ich denke so 100 Stück. Ich habe doch noch Vorrat davon. Bevor ich die hier gesammelten griechischen Marken nach hause sende, will ich erst einmal eine Übersicht davon haben, deshalb will ich sie mir erst etwas aufkleben.  Ich weiß nicht, ob ich Dir schon darum geschrieben habe, daß Du mir einmal eine Abschrift von dem Anstellungsschreiben der Stadt senden sollst, wonach ich planmäßiger Assistent geworden bin. Wenn nicht, dann bitte ich Dich darum.
Du kommst in einem Deiner letzten Schreiben auch darauf zurück, daß wir hier einen Angriff gehabt hatten. Ich hatte Dir ja schon davon geschrieben, daß das hier wohl in unmittelbarer Nähe ist, daß aber trotzdem der Verkehr hier ungestört weitergeht. Wenn die Bomber in großer Höhe über die Stadt fliegen, dann bleiben wohl die Leute stehen und sehen zu, wie unser Flak darauf schießt, aber sonst ist das kein Grund, sich in irgendeiner Form beeindrucken zu lassen. Bei uns geht ja auch der Dienst hier weiter. Am Anfang war ich erst etwas verwundert, wie man sich hier zum Fliegeralarm , der ja jedes mal gegeben wird, verhält, aber bis jetzt ist hier noch keiner behelligt worden, so daß man das so ganz in Ordnung findet.  Heute ist es hier wohl etwas kühler als in den vergangenen Tagen, das ist aber bei Regen immer so, man hat gar nicht das Gefühl, daß ich vier Wochen sein soll. In Charkow hatte es doch schon einmal geschneit um diese Zeit, aber daran ist hier nach den Berichten der Einwohner zu schließen, überhaupt nicht zu denken.   Gegenwärtig sind hier die Preise wieder einmal etwas zum Stehen gekommen. Es ist sogar ein kleiner Rückgang zu verzeichnen. Aber vorher war die Steigerung so rapide, daß man auch jetzt noch nichts für sein Geld erhält. Ich habe mir heute einige Briefmarken gekauft, damit ich überhaupt etwas vom Geld habe. Das ist im Moment das einzige, was man sich beschaffen kann. Das Risiko ist ja nicht sehr groß dabei, denn für diese Einkaufspreise werde ich sie im Reich wohl noch losbekommen, wenn ich sie nicht selbst für mich behalten sollte. Vielleicht kann ich mir überhaupt hier eine Sammlung griechischer Marken zusammenstellen, die sich dann lohnt, aufzuheben, wenn nicht, dann werde ich schon Interessenten dafür finden. Gestern habe ich mich schon einmal hingesetzt und habe sie sortiert. Nun brauche ich sie nur noch einordnen, wie es sich gehört.
Lasse mich bitte heute schließen mit recht herzlichen Grüßen an Dich und die Kinder. Grüße ebenfalls Vater herzlich von mir. Dir gebe ich einen dicken Schmatz. In Gedanken weilt oft bei Dir Dein Ernst.

Mein liebstes Mädel!                                                                                   25.11.43 
            
Donnerwetter, ging das aber schnell. Dein Brief vom 21. kam gestern Abend hier schon an. Ist das nicht eine Rekordleistung? Noch dazu war das ein langer und ausführlicher Brief über den ich mich sehr gefreut habe. Recht herzlichen Dank dafür.
Du fragst mich, ob ich als Abschrift von der Benachrichtigung über Kurts Tod die amtliche Mitteilung haben will oder die andere. Mich interessiert die erste Mitteilung, die wir erhielten mehr. Wenn du mir aber noch die andere zusendest, dann ist es auch kein Schade. Ich denke, daß wir uns richtig verstanden haben.
Du schreibst dann weiterhin, daß ich in meinem letzten Brief an Deinen Vater ausführlich gewesen sei. Das stimmt. Es gab aber auch manches zu schreiben, was mit erledigt werden musste. Mit der Zusendung von Zigaretten an Deinen Vater wollen wird doch etwas kurz treten. Wenn ich hier etwas habe, schicke ich ihm etwas und wenn nicht, dann muß er sich etwas hineinfinden. Ich gebe zu, daß er sich immer ziemlich Ausgaben mit den Briefmarken macht. Das ist schätzenswert, und das habe ich ihm auch schon wiederholt geschrieben. Mehr kann ich eben nicht tun. Du kommst Dann noch auf das Verhältnis zwischen Dir, Deinem Vater und seiner Frau und auf die Beziehungen zwischen Siegfried, Deinem Vater und seiner Frau zu sprechen. Ich kann Euren Standpunkt ohne weiteres würdigen, und ich verstehe vollkommen, daß Du Dir diese Frau nicht aufdrängen lassen willst. Siegfried nimmt ja nach Deiner Mitteilung den gleichen Standpunkt ein. Ich kann dir hierzu folgendes sagen: Wenn ich an Deinen Vater schreibe, so ist mir das, wie wenn ich an sonst einen Bekannten schreibe. Die Frau ist für mich dabei ganz uninteressant, und ich erwähne sie am Ende eines Briefes nur so, wie wenn ich etwa unter einen anderen Brief Heil Hitler darunter setze. Ich kenne ja diese Frau auch nicht und wei0ß ja nicht, wer sie ist. Daß diese Frau keine Bindung zu uns hat, ist ja erstens einmal bei unserer Einstellung zu ihr ohne weiteres verständlich. Dann aber ist sie ein spätes Mädchen, die doch keine Ahnung hat, wie es ist, wenn man Kinder hat und für diese sorgt. Weißt Du, das kann nur eine leibliche Mutter verstehen.  Diese Frau ist Zeit ihres Lebens auf dem Büro und hat doch eigentlich für nicht weiter denken müssen, wie für sich selbst. Ihre kranke Mutter hat sie wohl mit versorgt. Aber das war ja schließlich nicht ihr Daseinszweck. Im Laufe der Jahre war sie womöglich noch verbiestert, weil sie keinen Mann hatte. Alles in allem hat diese Gefühlskälte bei ihr ausgelöst. Sie hat deshalb auch keine verwandtschaftlichen Empfindungen, weil sie den nie kennen gelernt hat und immer nur für sich selbst denken brauchte. Alles in allem gesehen steht sie für uns alle außerhalb unseres Kreises. Das hat sie ja auch so gewollt. Sie hat es nicht verstanden, während des vergangenen Jahres das Verhältnis zu uns zu finden, das nun einmal notwendig ist, um auch mehr an sie denken zu können. Doch das ist es ja nicht allein. Bei uns ist ja bestimmend die Erinnerung an Mama, die zu ersetzen wohl so leicht einer Frau nicht möglich sein wird. Ich habe dies nur einmal geschrieben, damit Du nicht etwa den Eindruck gewinnst, ich hätte meine Einstellung Deinem Vater und seiner Frau gegenüber seit letztem Jahr geändert. Wenn wir uns allgemein nun damit abgefunden haben, daß das nun seine Frau ist, dann willen wir ihm keinen etwaigen Vorwurf daraus machen.  Wir haben ihm das vorher genau klargelegt, wie wir darüber denken. Wir haben ihm auch gesagt, daß die Beziehungen nach einer Verheiratung nicht mehr so herzlich sein würden, wie sie vorher waren. Daß wir uns aber nun ganz und gar von ihm absondern, das halte ich nicht für richtig. Ich glaube, daß er seinen Kindern gegenüber noch die gleichen Gefühle hegt wie früher. Es fällt ihm nur der Anstoß zu manchen Sachen, die er früher gemacht hat, als Mama noch da war. Dort liegt auch meines Erachtens die Ursache. Dein Vater musste jemanden haben, der ihm etwas mehr ist wie nur eine Verwandte, das hat er wohl in seiner jetzigen Frau gefunden, aber er hat damit in gewisser Beziehung seine Kinder hergegeben.  Wie dem auch sei, wir werden den einmal beschrittenen Weg weitergehen, und ich denke, daß wir es so richtig machen werden.
Wenn wir schon einmal wieder bei den familiären Dingen sind, dann kann ich auch noch auf die Stellung der Paula eingehen, die Du in Deinem letzten Schreiben auch erwähnst. Ich bin froh, daß wir  in dieser Hinsicht wieder übereinstimmen. Du musst Dich wegen dieser Rederei nicht ärgern, denn das ist doch zwecklos. Wir werden auf unserem Standpunkt beharren wie sie starrköpfig ist. Es ist ein aussichtsloses Unterfangen, an diesem nun schon seit über 10 Jahren bestehenden Zustand etwas zu ädern. Solange Kurt noch lebte und er beim Militär war, sprach sie noch etwas und sie gab sich nicht ganz so majestätisch. Aber besonders in meinem letzten Urlaub ist mir dieses hochtrabende Wesen besonders wieder aufgefallen, so daß ich keine Veranlassung habe, ihr noch mehr entgegenzukommen, wie ich das bisher schon getan habe. Denn wir müssen doch einmal die Frage stellen, werd hat denn Grund gekränkt und beleidigt zu sein. Nach ihrer schoflen Handlungsweise uns gegenüber doch immer noch wir und nicht sie. Sie glaubt aber, die gekränkte Leberwurst spielen zu können, doch anscheinend weiß sie nicht einmal warum. Wir sind ihr doch nicht zu nahegetreten und angegriffen haben wir sie auch nicht. Das einzige, was wir verbrochen haben ist, daß wir sie nicht weiter beachtet haben, seit sie sich noch in der Rundbergstraße uns gegenüber so fein aufgeführt hat. Das war ja der Anlass. Um allen Weiterungen aus dem Wege zu gehen, haben wir Tante Tante sein lassen und damit war der Kuchen gegessen. Alles andere, was sie etwa glaubt, uns gegenüber ins Feld führen zu können, sind Nebensächlichkeiten, die mit der Hauptsache nichts zu tun haben. Nannie scheint sie auch aufgeputscht zu haben, denn auf meinen Brief vom 12.7.  und meine kurze Mitteilung vom 23.10, daß ich hier angekommen bin, habe ich noch keinen Bescheid erhalten. Ich werde ihr in diesen Tagen noch einmal schreiben.  Ich werde sie darum bitten, mir mitzuteilen, was denn eigentlich vorliegt. Wenn sie mir darauf nicht antwortet, dann kann ich es leider nicht ändern.
Daß Dich in der ganzen Angelegenheit das Verhalten von Vater freut, das kann ich voll und ganz verstehen.  Wir haben doch in den ganzen Jahren kein schwieriges Wort mit ihm wechseln müssen. Das ist aber nur darauf zurückzuführen, weil einer den andere respektiert und weil jeder für die Lage des anderen Verständnis zeigt. Wir sind mit diesem Verfahren so gut ausgekommen, so daß es die ganzen Jahre hindurch nie zu ernstlichen Reibereien gekommen ist. Das ist doch ein Zeichen dafür, daß es geht, wenn man nur will. Vater versucht Dich auf die ihm mögliche Art jetzt während der Kriegszeit zu unterstützen und Du leistest ihm doch so manche große Hilfe, was er meist auch still anerkennt. Ich muß mich nur immer wieder daran erinnern, welche ablehnende Haltung er ihm Anfang Dir gegenüber einnahm und wie er durch Dein Geschick sich langsam so weit gewendet hat, daß er Dich heute sehr hoch einschätzt. Daß mir das selbstverständlich auch eine Freude ist, wenn Du die Anerkennung gefunden hast, die Du nach meiner Meinung verdient hast, das kannst Du Dir ja denken.
Daß Ihr mit dem Zurückbringen des gefundenen Geldbeutels nicht nur dem Verlierer sondern auch selbst damit eine Freude gemacht habt, das kann ich nachfühlen. Es gibt ja eigentlich nichts schöneres, als andere Menschen glücklich zu machen und zu sehen, wie sie glücklich sind. Das will nun nicht heißen, daß das immer die eigenen Leute sein müssen, denn Ihr habt es ja selbst an dem fremden Mann gesehen, welche Freude er gehabt hat.
Ich grüße Dich mit einem festen Kuß und denke in Liebe an Dich. Dein Ernst. 

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